Die österreichische Tageszeitung Die Presse berichtet in der Ausgabe vom 01.04.2010 (LINK) über Forderungen von Wirtschaftsakteuren an die neue Regierung, die in einem „Weißbuch“ zusammengefasst worden sind. Der Chef der Amerikanischen Handelskammer in Ungarn, Gusztáv Bienerth, kritisiert hierbei insbesondere das Ausmaß der Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen. Bienerth führt zutreffend aus, dass es kein Land außer Ungarn gebe, in dem Offshore-Gesellschaften Ausschreibungen in Milliardengröße gewinnen könnten. Besonders die Undurchsichtigkeit der Eigentümerstruktur dieser Gesellschaften wird kritisiert: Gelder würden, so Bienerth, nicht selten an Anwälte in Budapest ausbezahlt, welche die undurchsichtigen Gebilde vertreten.
Hinter den Offshore-Gesellschaften stehen – so vermutet auch Bienerth – offenkundig finanzkräftige ungarische Geschäftsleute, die jedoch gerne anonym bleiben. Selbst der amtierende Nationalbankpräsident András Simor wurde in Verbindung mit einer zypriotischen Offshore-Gesellschaft gebracht. Das hierbei abgegebene Bild ist in Anbetracht der geringen Steuermoral in Ungarn fatal: Weshalb sollte sich ein ungarischer Arbeitnehmer oder Mittelständler zur Zahlung von Steuern verpflichtet fühlen, wenn ranghohe Politiker ihm das genaue Gegenteil vorexerzieren?
Besonders kritikwürdig scheint, dass selbst Beschaffungen mit Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Gesundheit an nicht kontrollierbare Offshore-Gesellschaften vergeben wurden. Dies gilt namentlich für die ungarische Impfung gegen die sog. „Schweinegrippe“. Zudem macht die intransparente Struktur Interessenkonflikte möglich: Wer kann denn ausschließen, dass nicht auch solche Personen maßgeblich mit den Offshore-Gesellschaften verbunden sind, die für die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens verantwortlich sind?