Die liberale israelische Tageszeitung Haaretz berichtete am 14.04.2010 über den Ausgang der ersten Wahlrunde der ungarischen Parlamentswahlen. Hungarian Voice hat den von Yehuda Lahav verfassten Artikel übersetzt (Hervorhebungen durch Hungarian Voice).
Das Original ist hier abrufbar: http://www.haaretz.com/hasen/spages/1162706.html
„Ungarns antisemitische rechtsextreme Partei aus der Regierng gedrängt
Trotz eines Rekord-Wahlergebnisses, das die extremistische Partei Jobbik auf Platz drei der am Montag durchgeführten Wahlen beförderte, hat die extreme Rechte den Einzug in die Regierung verpasst.
Die Mitte-Rechts-Partei Fidesz, die 52.7% der Stimmen erreichte und die zweitplatzierten Sozialisten um Längen schlug, teilte am Dienstag mit, sie habe nicht vor, Jobbik an der Regierung zu beteiligen.
Jobbik, die im Zuge ihrer Wahlkampagne Juden und Zigeuner für die schlechte Lage in Ungarn verantwortlich machte, erlangte die Unterstützung von 16.7 % der Wähler – der größte Erfolg einer rechtsextremen Partei seit dem Untergang des Kommunismus und der Wiederherstellung der Demokratie.
Die Partei, welche von einer schwarzgekleideten schwarzen Miliz unterstützt wird, versprach, ihren Einfluss zur Bekämpfung der „Zigeunerkriminalität“ einzusetzen.
Allerdings bedeutet das große Ausmaß des Fidesz-Erfolges, dass zum ersten Mal seit 1990 ein Wahlsieger die Möglichkeit haben wird, ohne Unterstützung anderer Parteien regieren zu können.
Fidesz errang zwar nicht ganz den Erdrutschsieg, der in Umfragen vor der Wahl vorhergesagt worden war. Gleichwohl will die Partei ihre Position in einer zweiten Wahlrunde am 25. April festigen, durch die im ersten Wahlgang nicht besetzten 125 Sitze im 386 Sitze umfassenden Parlament befüllt werden.
„Sie sollten die Ergebnisse im europäischen Kontext sehen“, sagte der Fidesz-Vorsitzende und designierte Ministerpräsident Viktor Orbán. „Das Ergebnis hat bewiesen, dass Ungarn eine europäische Nation ist, die stark genug ist, ihre bestehende Demokratie zu verteidigen.“
Orbán fügte hinzu: „Die beste Medizin, die wir den Menschen verschreiben können, ist eine gute Regierung. Nach meiner Überzeugung wird eine gute Regierungsarbeit zu einer Schwächung der Rechtsextremen führen.“
Peter Feldmajer, Präsident des Verbandes jüdischer Gemeinden in Ungarn, sagte Haaretz, die Wahl von Jobbik sei zwar besorgniserregend, jedoch sei die Gefahr, dass die extreme Rechte Kontrolle über Ungarn gewinne, nur gering.
„Natürlich ist es sehr beunruhigend, dass eine faschistische Partei in das ungarische Parlament einzuziehen vermochte“, sagte Feldmajer. „Aber meiner Ansicht nach beinhaltet das nicht die Gefahr, dass diese Partei und ihre Ideologie Einfluss auf die Regierungsarbeit gewinnen wird.“
Die Objektivität des Berichtes könnte einem Großteil der deutschsprachigen Presse ein Vorbild sein. Obwohl die offen antisemitische Jobbik keinen Hehl aus seiner Ablehnung Israels und der Juden gemacht hat und teilweise absurde Verschwörungstheorien vertritt, sah der Autor des Artikels keinen Grund, diese Partei mit Fidesz zu vermischen. Auch die Beurteilung von Herrn Feldmajer, der immerhin in Ungarn lebt, fällt deutlich besonnener aus als diejenige von Journalisten, die – offenbar einseitig informiert – aus dem Ausland berichten und Ungarn auf einen rechten Gefahrherd reduzieren. Fidesz wird von Yehuda Lahav auch nicht als „rechtsnational“ oder gar „völkisch“, sondern als Mitte-Rechts-Partei bezeichnet.