Während auch die große Mehrheit seiner Fraktion, die oppositionellen Sozialisten, die heute verabschiedete Reform des Staatsangehörigkeitsrechts unterstützt haben, war Tibor Szanyi, Abgeordneter des XIII. Budapester Bezirks, gegen den Reformvorschlag. Seine Argumente teilte der Abgeordnete in der ATV-Sendung Egyenes Beszéd („Klartext“) am 26.5.2010 mit (HIER):
Szanyi sprach von „ernsten Gefahren“, die von dem neuen Gesetz ausgehen sollen. Als Beispiel bracht er den „Fall“ eines „südamerikanischen Verbrechers“, der nunmehr allein aufgrund seiner angeblichen ungarischen Vorfahren Ungar werden könne. Dass diese Aussage falsch ist, kann Szanyi dem Gesetz entnehmen: Es verlangt Straffreiheit. Gleichwohl behauptete er, die ungarische Staatsbürgerschaft könne als Schutz vor Auslieferung missbraucht werden – wiederum ohne jeden konkreten Anhaltspunkt.
Ferner behauptete Szanyi, die Reform „werte seine eigene“ Staatsbürgerschaft ab. Die Redakteurin Olga Kálmán reagierte hierauf mit der bissigen Anmerkung, ein Herr Szanyi müsse sein „echtes Ungarntum“ nicht fürchten, denn die Verleihung sei mit keinerlei Garantien, Dienst- und Versorgungsleistungen verbunden. Szanyi hierauf: Die ausländischen Behörden werden Ungarn künftig härteren Kontrollen unterziehen, weil die ungarische Staatsangehörigkeit „nichts mehr wert sei“, es werde so sein, wie vor 1989. In Zukunft werde man, wenn man in London einreise, nicht mehr einfach passieren. Unter Umständen könnte man bei einem kleinen Verkehrsunfall sogar für zwei Tage inhaftiert werden, weil die ungarische Staatsangehörigkeit für etwas unseriöses gehalten werde und „Klärungsbedarf“ bestehe.
Die Strategie, die auf dem Gebiet der Republik Ungarn lebenden Staatsbürger gegen die ungarischen Minderheiten ausspielen zu wollen, war von der MSZP bereits 2004 angewendet worden. Damals war ein von der Opposition initiiertes Referendum zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an Auslandsungarn an der geringen Beteiligung gescheitert. Während die MSZP in ihrer Mehrheit diese Strategie zwischenzeitlich aufgegeben hat, verfolgt Szanyi sie unbeirrt weiter und präsentiert seinem Wahlvolk wahnwitzige Angsttheorien und Unwahrheiten. Ganz nach dem Motto: Ungar darf nur der sein, der mir nicht die Butter vom Brot nimmt. Die Solidarität mit den ethnischen Ungarn kommt hier offenbar zu kurz. Und auch die Tatsache, dass Millionen Ungarn ihre Staatsangehörigkeit gegen ihren Willen verloren haben und diese – anders als z.B. Emigranten von 1956 (diese bekommen ihre Staatsbürgerschaft unverzüglich zurück) – bislang nur schwer wiedererlangen konnten, spielt für Szanyi offenkundig keine Rolle. Das Gesetz versucht, die längst überfällige Gleichbehandlung zwischen diesen Personengruppen zu gewährleisten.
Hintergrund der Aufregung könnte ein von Szanyi nicht angesprochener Punkt sein: Teile der MSZP fürchten, die eher als konservativ geltenden Auslandsungarn könnten das Wahlrecht verliehen bekommen. Dies würde für die Sozialisten, die sich – bestes Beispiel ist Szanyi selbst – nie mit besonderem Einsatz um die Auslandsungarn gekümmert haben, eine ernste Gefahr bedeuten, in der Opposition festgenagelt zu werden, ggf. sogar in der Versenkung zu verschwinden.