Wer sich an das Fernsehinterview des Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer zum Thema Kreditwürdigkeit des Kirch-Imperiums erinnert, weiß, wie sehr Aussagen von Bankern die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens beeinflussen können. Der Börsianer nennt das self fulfilling prophecy. Breuer teilte der Öffentlichkeit mit, die Lage des Unternehmens sei so, dass die Bankenwelt wohl keine Kredite mehr geben werde. Die Pleite Kirchs ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Schließlich weiß ein Bankenchef ja, wovon er spricht, und wer wird so blöd sein, diesem Kreditnehmer noch Geld zu leihen?
Was hat diese Geschichte mit Ungarn zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Doch hat auch Ungarn im Jahre 2008/2009 Kredite, hier allerdings von IWF und EU, aufgenommen. Im Rahmen weiterer Verhandlungen haben beide Institutionen Ungarn im Jahre 2010 abverlangt, weitere Einsparungen im Haushalt vorzunehmen, andernfalls könnte die letzte Tranche des Kredits nicht abgerufen werden. Die Verhandlungen scheiterten im Juli vorläufig, da sich Ungarns neu gewählte konservative Fidesz-Regierung weigerte, dieser Forderung nachzukommen. Ministerpräsident Orbán willdie Vorgaben von IWF und EU einhalten, möchte aber auf Wachstumsförderung und Sturkturreformen setzen und das fehlende Geld über eine Bankensteuer einsammeln, um die Institute an den „Aufräumarbeiten“ der Finanzkrise zu beteiligen (gerade ausländische Banken hatten in den vergangenen Jahren expansiv Devisenkredite an Ungarn vergeben und an diesen hochriskanten „Spekulationen“ prächtig verdient. Ungarn pochte insoweit auf seine Haushaltssouveränitet: Solange das Geld zurückbezahltwird, ist es Sache des Parlaments, zu entscheiden. Wie wahr!
Jedoch Widerspruch, den die „Experten“ beim IWF nicht gewohnt sind. Die Aufregungd beim Fonds, der sich insoweit als Sprachrohr der Banken gerierte, war groß. Und der Wille, an dem kleinen Land ein Exempel zu statuieren, um andere Länder zur Haushaltsdisziplin zu ermahnen, noch größer.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Drohungen des IWF jedoch vorerst nicht fruchteten, scheinen sich Verantwortliche des IWF nun eine neue Strategie zurecht gelegt zu haben: „Nutze die Presse“. Christoph Rosenberg, Verhandlungsführer des IWF, äußert sich gegenüber der großen französischen Tageszeitung Le Monde (zusammenfassender Link hier, Artikel hier) am vergangenen Wochenende dahingehend, dass Ungarn in 2011 „weitaus größeren Kreditbedarf“ haben werde als in diesem Jahr. Der IWF tritt somit den Plänen und Aussagen Ungarns, das die Neuverschuldungskriterien von EU und IWF einhalten möchte, entgegen.
Man fragt sich, ob der IWF völlig den Verstand verlorenhat. Macht es volkswirtschaftlich oder aus Sicht eines Kreditgebers Sinn, einem Darlehensnehmer mit öffentlichen Verlautbarungen den Rest zu geben? Und ist es die neue Politik des IWF, unliebsamen Regierungen über die Presse zu verkünden, dass man Widerspruch nicht duldet und zur Not mit seiner „Expertenmeinung“ Märkte bewegt, wie es seinerzeit der Finanzier Gordon Gecko im Film Wall Street tat? Offenbar hat das als Majestätsbeleidigung empfundene „Nein“ Ungarns zu den Forderungen des IWF das Ego in den Reihen der dortigen Entscheidungsträger erschüttert, wenn man dort notfalls weitere Krisen – mit eventuellen Folgen für die Bevölkerung – heraufbeschwört, um die Defizitsünder langfristig auf Linie zu bringen.
Zurück zum Eingangswort: Der Jurist weiß, dass sich Leo Kirch sich mit der Deutschen Bank seit Jahren ein Gefecht bis in die höchsten Instanzen liefert. Der deutsche Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Deutsche Bank für die durch Breuers Aussagen verursachten Schäden dem Grunde nach aufzukommen hat. Leider besteht die Möglichkeit, gegen den IWF vorzugehen, nicht. Gleichwohl sollte sich der aus staatlichen und damit letztlich unser aller Steuergelder finanzierte IWF-Mitarbeiter Rosenberg ein Beispiel an längst vergangenen Bankiers-Tugenden nehmen: Über die Situation der Kreditnehmer spricht man mit diesen, Geplappere in der Presse ist fehl am Platz.
Was die Politik des IWF anbetrifft, sei übrigens auch der Film Let´s make Money empfohlen.