Zsolt Bayer: „Prozesskostenhilfe der anderen Art“

Als Prozesskostenhilfe oder „Armenrecht“ bezeichnet man landläufig die staatliche Unterstützung eines Prozessbeteiligten. Sie soll vermeiden, dass eine Rechtsdurchsetzung daran scheitert, dass der Beteiligte sich weder die Gerichts- noch die Anwaltskosten leisten kann. Ein bedeutsames Instrument in der sozialen Marktwirtschaft.

In der ungarischen Grenzstadt Esztergom gibt es – folgt man dem Blog Vastagbör (zu deutsch sinngemäß „dickes Fell“) – Prozesskostenhilfe der anderen Art. Einer der Begünstigten: Zsolt Bayer, umstrittener Publizist der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Hírlap. Er selbst scheint hier allerdings nicht der Bedürftige zu sein: „Arm“ im wirtschaftlichen Sinne ist vielmehr die Stadt, auf der eine Schuldenlast von 25 Milliarden Forint lastet. Gleichwohl scheint sie Herrn Bayer, der kein öffentliches Amt der Stadt innehat, bislang die anwaltliche Vertretung in mehreren von diesem geführten Rechtsstreitigkeiten bezahlt zu haben.

Ausweislich der auf Vastagbör einsehbaren Dokumente handelt es sich um folgende Prozesse:

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Städtischen Gericht von Esztergom durch Herrn János Cserép initiierten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Städtischen Gericht von Esztergom durch Herrn Géza Kovács eingeleiteten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Komitatsgericht von Kómárom-Esztergom in 2. Instanz laufenden und durch Herrn Balázs Miklós eingeleiteten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

Folgt man Vastagbör, so übernimmt die Stadt Esztergom bis heute – aufgrund von Haushaltsbeschlüssen – Kosten von Rechtsstreitigkeiten, die mit den Angelegenheiten der Stadt nichts zu tun haben. Da Bayer kein öffentliches Amt hält, ist schwer vorstellbar, was die Übernahme der Kosten rechtfertigen würde. Man kann über die Hintergründe dieser seltenen Großzügigkeit der Stadt also nur spekulieren: Etwa darüber, ob es Zufall ist, dass der weitere Nutznießer dieser Art von  „Prozesskostenhilfe“ laut Vastagbör der umstrittene ehemalige Bürgermeister von Esztergom, Tamás Meggyes (Fidesz), ein Freund Bayers, ist. Die Verträge mit den Anwaltskanzleien stammen aus einer Zeit, in der Meggyes Bürgermeister war. Bayer bot Meggyes mehrfach die Möglichkeit, in seinen Fernsehsendungen aufzutreten und zu unterschiedlichen Vorwürfen gegen seine Person Stellung zu nehmen.

Die derzeitige Bürgermeisterin Éva Tétényi versuchte, die finanziellen Verpflichtungen aufzukündigen, weil die Zahlung von Anwaltskosten nicht zu den Aufgaben der Stadt gehöre. Sie wurde dabei allerdings von der Fidesz-Mehrheit im Stadtrat gehindert. Laut Online-Ausgabe der Wochenzeitung 168óra bewilligte die Mehrheit weitere 30 Mio. Forint für das Jahr 2011. Tétényi plädierte daraufhin dafür, Neuwahlen auszuschreiben.

Die Partei Fidesz hat die Wahl unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, Korruptionsbekämpfung zu betreiben. Es wäre wohl an der Zeit,  diesen bemerkenswerten Fall einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

http://www.168ora.hu/itthon/ehhez-kell-arc-kozpenzbol-fizette-a-maganvadas-ugyvedi-koltseget-meggyes-es-bayer-68611.html

http://nol.hu/belfold/20110121-nepgyules_az_ellehetetlenitett_varosban

http://mindennapi.hu/cikk/tarsadalom/esztergom-kozpenzbol-perlik-az-ujsagirokat/2011-01-21/1253

http://belfold.ma.hu/tart/cikk/a/0/87183/1/belfold/Esztergom_kozpenzbol_perlik_az_ujsagirokat

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Ein Kommentar zu “Zsolt Bayer: „Prozesskostenhilfe der anderen Art“

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