Ein Leser hat mich heute auf einen interessanten Beitrag von Deutsche Welle TV aufmerksam gemacht, der die Beschränkung des Erwerbs von Agrarflächen in Ungarn thematisiert:
Der Sachverhalt: Ungarn ist seit 01.05.2004 Mitglied der Europäischen Union bei. In den Beitrittsverträgen wurde ausgehandelt, dass der Erwerb von Agrarflächen durch Ausländer für eine Übergangsphase von bis zu 7 Jahren beschränkt werden kann. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Erwerb durch eine natürliche Person erfolgt, die sich seit wenigstens drei Jahre in Ungarn aufhält (fester Wohnsitz) und dort im Agrarbereich tätig ist; für diesen Kreis ist der freie Erwerb möglich.
Diese Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit im Bezug auf Agrarflächen wäre somit grundsätzlich Ende April 2011 ausgelaufen. Auf Antrag der ungarischen Regierung wurde nun eine weitere Schonfrist von 3 Jahren gewährt, da nach Auffassung der ungarischen Regierung wegen des Preisgefälles beim Ackerland Marktstörungen drohten (hungarianvoice berichtete). Dies ist nach EU-Recht zulässig.
Die in den Startlöchern stehenden ausländischen Erwerber (insbesondere aus grenznahen Gebieten in Österreich) sind hierüber offenkundig „not amused“ und haben in der Deutschen Welle jemanden gefunden, der ihr Anliegen, Empörung zu erzeugen, mitträgt.
Der Beitrag beginnt mit dem Porträt eines ungarischen Kleinbauern, der sich darüber beschwert, dass die umliegenden mehreren tausend Hektar Land deutschen und österreichischen Besitzern gehören. Dies ist verwunderlich im Hinblick auf die Tatsache, dass das ungarische Recht EU-konform eine befristete Beschränkung des Landerwerbes vorsieht. Dass es bei diesen Käufen nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann, erfährt der Zuseher gleich im Anschluss: Der Beitrag erläutert das Prinzip des Erwerbs, bei dem 3/4 des von ausländischen Eigentümern bezahlten Preises in die „Taschen korrupter Vermittler“ geflossen seien.
Diese Methode, die gegen geltendes ungarisches Recht verstößt, wird als „Taschenvertrag“ bezeichnet. Der ausländische Erwerber kauft das Land über einen Strohmann im Inland, der Vertrag wird „in die Tasche“ oder in die Schublade gelegt, bis die Beschränkung fällt. Erst dann findet der Eigentumsübergang statt. Halbseidene Juristen haben sich in Ungarn mit solchen Transaktionen offenkundig goldene Nasen verdient, obwohl ihren Mandanten die dauerhafte Nichtigkeit der Verträge droht. Ein klarer Rechtsverstoß. Dieser scheint die Redakteure der deutschen Welle, die die (für den Fall Ungarn unzutreffende) Behauptung aufstellen, „nach EU-Recht müsste ein Handel“ mit Agrarflächen leichter möglich sein, jedoch nicht zu interessieren. Der Beitrag scheint vielmehr darauf ausgerichtet, Empörung gegen vermeintlich EU-widriges und nationalistisches Treiben zu erzeugen. Konsequent ist der Beitrag auch mit folgender Überschrift versehen:
„Obwohl sich Ungarn im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit der EU dazu verpflichtet hatte, den Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen zu liberalisieren, dürfen Ausländer immer noch keine landwirtschaftlichen Flächen kaufen.“
Halbahrheiten. Erwerber, die bereit sind, „korrupte Vermittler“ zu bezahlen, das ungarische Recht zu brechen und Bodenspekulation zu betreiben, lösen in der sachkundigen Redaktion der DW keine Empörung aus. Stattdessen wird behauptet, EU-Bürger dürften „überall in den Ländern der Gemeinschaft Land kaufen“, weshalb man nun „sauer“ sei. Von der Übergangsphase und den eindeutigen Festlegungen der Beitrittsverträge erfährt der Zuseher an dieser Stelle noch nichts. Stattdessen kommt der Landwirtschaftslobbyist Hautzinger zu Wort und spricht davon, dass Österreicher viel Geld investiert hätten. Nun, wenn dies rechtswidrig geschah, müsste sich das Mitleid in Grenzen halten. Man kann nur hoffen, dass die Landwirtschaftskammern im Burgenland und anderswo ihre Mitglieder rechtskonform beraten haben.
Als Beleg für die „nationalistische“ Haltung Ungarns wird eine Wahlkampfrede des ungarischen Mnisterpräsidenten Orbán gezeigt, in der dieser verspricht, den Landerwerb durch Ausländer zu beschränken. Ein Versprechen, das übrigens auch die Sozialisten gemacht hatten.
Abschließend präsentiert die Deutsche Welle sodann ein weiteres vermeintliches „Opfer“ der Politik Ungarns, einen österreichischen Maisbauern, der sich – im Hinblick auf die geltende Rechtslage zweifellos unter fragwürdigen Umständen – bereits in Ungarn Anbauflächen erworben hat. Er befürchte nun, die „Anstrengung“ sei umsonst gewesen und schlägt vor, man solle Ungarn seitens der EU „boykottieren“. Inhaber von illegalen Taschenverträgen spielen sich somit als Moralapostel auf und bekommen ein Forum.
Garniert wird der Beitrag durch ein Interview mit einem Mitarbeiter des Ungarischen Bodenfonds, der die Bodenbewegungen überwachen soll. Der Mitarbeiter teilt mit, es läge im Interesse des Landes, dass die Agrarproduktionsflächen (andere Immobilien sind von der Beschränkung ausgenommen) in erster Linie in ausländischer Hand bleiben. DW übersetzt die Aussage freilich ohne diesen relativierenden Zusatz („dass die Agrarprduktionsflächen in ungarischer Hand bleiben“). Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Dass der ungarischen Politik verboten sein soll, was andernorts selbstverständlich ist – gerade die nach dem Maßstab der DW „nationalistischen“ Grundstücksverkehrsgesetze Österreichs (z.B. Tirol und Salzburg) waren schon mehrfach Thema beim EuGH -, wird die Deutsche Welle hoffentlich in einem ihrer kommenden Beiträge erläutern.
Die Erklärung für die Beschränkung liefert der Beitrag immerhin am Ende: Der Wert von Agrarboden hat sich – je nach Lage – in den vergangenen 15 Jahren oftmals verzehnfacht. Im Hinblick auf die desolate Lage der ungarischen Landwirtschaft soll ein unkontrollierter weiterer Preisanstieg und die Bodenspekulation verhindert werden.
Ungarn wird – im Einklang mit EU-Recht – den Bodenmarkt spätestens 2014 öffnen müssen. Sollte das nicht geschehen, wird die EU-Kommission die Republik Ungarn über ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerchshof hierzu zwingen können. Die bislang ungültigen Taschenverträge bleiben freilich auch dann nichtig.