Budapester Zeitung: Kommentar zur Ungarn-Berichterstattung des „Spiegel Online“

Eine im Ansatz berechtigte Kritik an der Ungarn-Berichterstattung des Spiegel-Online, formuliert von Jan Mainka, dem Herausgeber der Budapester Zeitung. Leider driftet der Beitrag in der zweiten Hälfte in unnötige Selbstbeweihräucherung ab.

http://www.budapester.hu/index.php?option=com_content&task=view&id=10980&Itemid=27

Die Kritik Mainkas halte ich im Ansatz durchaus für gerechtfertigt. Sie betrifft die bedauernswert einseitige Berichterstattung über Ungarn. Anders als die „Großen“ lässt die als „publizistisch völlig unbedeutend“ diffamierte, kleine BZ in der Tat unterschiedliche Meinungen aus unterschiedlichen Lagern zu Wort kommen, was man von der Süddeutschen und vom Standard nicht behaupten kann. Auch das Verschweigen von wichtigen Tatsachen, Gegenansichten und Hintergründen – Beispiel Gyöngyöspata – und die teilweise hysterische Kritik an Mediengesetz und Verfassung zeigen, dass oftmals zu Beginn der Recherche feststehen dürfte, was deren Ergebnis sein soll. Dies gilt mitunter sogar für Agenturmeldungen. „Recherche“ scheint für die Mehrzehl der Journalisten noch aus der wohlwollenden Befragung derjenigen Personen zu bestehen, deren Meinung man ohnehin schon kennt und gutheißt. Daher auch meist die gleichen Namen. Schuld an der Einseitigkeit sind nicht etwa die Befragten (jeder hat seine Meinung und darf sie äußern), sondern die Journalisten, die sich nicht die Mühe machen, in beiden Richtungen nach Stimmen zu suchen.

Die Aussage Mainkas, er selbst habe bislang keine negativen Auswirkungen durch das Mediengesetz gespürt, ist durchaus interessant, ebenso wie die Erwähnung der Tatsache, dass die oppositionellen Zeitungen bis heute nichts an „Schärfe“ in der Kritk an Orbán & Co. eingebüßt haben. Zensur? Theretisch ja, praktisch nein. Was überrascht, ist die Blindheit für die wirklichen Meldungen: Die Beförderung eines ehemaligen Jobbik-Anhängers zum MTI-Nachrichtenchef, der durch einen klar manipulativen Nachrichten-Zusammenschnitt versucht hat, Daniel Cohn-Bendit zu diffamieren, ist ein wirklich bedenkliches Zeichen dafür, wer/was in dem staatlichen Medienapparat geduldet wird.

Die „Budapester“ ist keineswegs so einseitig, wie gerne behauptet wird. Zu den regierungskritischen Stimmen in der BZ gehören Beiträge József Debreczeni, Paul Lendvai, Peter Bognár, Richard Field und andere, die gewiss nicht ins Lager oder zu den Sympathisanten Viktor Orbáns gehören.

Aber: Ob es elegant und Zeichen guten Stils ist, sich in einem kritischen Kommentar als wahrer Maßstab und ausgewogene Berichterstattung zu präsentieren, scheint fraglich. Und auch der Appell, die Journalisten mögen doch „mehr BZ“ lesen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden, zeugt von eben dem „Selbstbewusstsein“, wie es bei der Horde von Unfehlbaren beim Spiegel, Standard & Co. fortwährend störend zu Tage tritt. Vielleicht sehen wir ja auch nur die Eskalation des etwas kindisch anmutenden Kleinkriegs zwischen Jan Mainka und dem freien Journalisten Max Steinbeis. Die beiden Herren haben sich vor einigen Wochen in einen – der Fairness halber sei gesagt: von Mainka initiierten, aber von Steinbeiß mit Genugtuung aufgenommenen – Kampf verstrickt, von dem sogar die Süddeutsche berichtete. Trotz „zero news value„. Aber amüsant war es allemal.

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