Cozma-Mord: Verfahren vor dem Abschluss

Das Strafverfahren um den Mord an dem rumänischen Handball-Nationalspieler Marian Cozma, der für den Erstligisten und ungarischen Meister MKB Veszprém spielte, geht – erstinstanzlich – zu Ende. Das Gericht will am 23.06.2011 sein Urteil verkünden. Cozma war am 08.02.2009 in einer Veszprémer Diskothek durch mehrere Messerstiche getötet worden. Zwei seiner Mitspieler Cozmas wurden ebenfalls schwer verletzt. Der Tat, die landesweit große Bestürzung ausgelöst hatte, sind drei Angehörige der Roma-Minderheit, Sándor R., Gyözö N. und Iván S, angeklagt.

Der Verteidiger des Hauptangeklagten Sándor R. führte in seinem Plädoyer aus, sein Mandant habe nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, sondern habe sich mehreren Angreifern gegenüber gesehen und sei folglich „in Panik gewesen“, daher sei seine Tat als Körperverletzung mit Todesfolge zu werten. Sein Mandant habe den Messerstich „allein und ohne Wissen und Wollen der anderen Angeklagten“ ausgeführt. Eine gemeinschaftlich begangene Tat liege daher nicht vor.

Staatsanwältin Dóra Sárosi wies in ihrem Plädoyer einige Aussagen der Verteidigung, die die Anklagebehörde heftig kritisiert hatte, zurück, unter anderem die, dass die Anklageschrift „frei erfundene, gegen den Inhalt von Urkunden sprechende und unehrenhaft zusammengeschnipselte Beweise“ enthalte. Nach ihrer Auffassung gingen diese Aussagen der Verteidigung „über die fachliche Berufsethik hinaus“ . Die Staatsanwältin betonte: Die Angeklagten hätten genau gewusst, was sie taten, es sei ihre Absicht gewesen, ein menschliches Leben auszulöschen. Sie fügte hinzu, dass man sogar noch mehrmals auf den Kopf des schon am Boden liegenden Cozma eingetreten hätte.

Der Angeklagte Iván S., dessen Verteidiger zuvor den Freispruch seines Mandanten gefordert hatte, begann daraufhin herumzubrüllen und stieß wüste und obszöne Beschimpfungen und Bedrohungen gegenüber der Staatsanwältin aus.  Das Gericht ließ den Angeklagten und mehrere seiner Angehörigen daraufhin für 30 Minuten aus dem Saal entfernen. Es handelt sich nicht um den ersten Ausraster des Angeklagten S.: Bereits Ende Mai musste er aus dem Sitzungssaal entfernt werden, nach er die Staatsanwältin verbal attackiert und u.a. als „schwanzlutschende Hure“ bezeichnet hatte.

Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Angeklagten Sándor R. und Gyözö N. zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen, für den Angeklagten Iván S. beantragte sie 20 Jahre Freiheitsstrafe.

Rechtsextreme Kreise nutzten die Herkunft der Täter nach der Tat unmittelbar nach der Tat für eine politische Kampagne gegen „Zigeunerkriminalität“ . Auch der umstrittene und mehrfach offen antisemitisch aufgetretene Publizist Zsolt Bayer hatte sich kurz nach der Tat in einem Artikel („Das Maß ist voll“) in der Tageszeitung Magyar Hírlap zu Wort gemeldet. Der Artikel (in der Wochenzeitung 168 óra als „Amoklauf“ bezeichnet) löste einen Aufschrei in Teilen der Gesellschaft auf, Ungarns damaliger Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány forderte staatliche Stellen und Unternehmen sogar dazu auf, das Abonnement der Tageszeitung einzustellen.

Weiterführend:

http://nol.hu/belfold/cozma-ugy__sztojka_obszcen_szavakkal_illette_az_ugyesznot_

http://www.n-tv.de/sport/Polizei-verhaftet-Verdaechtige-article52893.html

Interview mit Iván S.: http://www.hirtv.hu/?tPath=/view/videoview&videoview_id=13268

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MOL-Aktienrückkauf: Orbán für, Fidesz-Fraktionsmehrheit gegen Initiative der Sozialisten

Nach einem Bericht des Online-Portals Index.hu ist es innerhalb der Fidesz-Parlamentsfraktion zu Meinungsverschiedenheiten über einen Vorschlag der MSZP-Fraktion gekommen. Es ging um die Frage, ob die Regierung am Ende des Jahres Bericht darüber erstatten soll, inwieweit sich der Rückkauf eines 21%-Anteils an der Öl- und Gasgesellschaft MOL durch den Staat positiv auf die Energiesicherheit auswirkt. Nachfolgend der Bericht in deutscher Übersetzung:

Fraktion stimmt nicht mit Orbán ab

In der Parlamentssitzung von Montag Abend zum Thema „Aufkauf eines 21,2%-Anteils am Versorger MOL“ ist es zum Zusammenbruch der Fraktonsdisziplin gekommen. Während Viktor Orbán, László Kövér, Antal Rogán und weitere 13 Fidesz-Politiker einen Vorschlag der Sozialisten unterstützten, stimmte die Mehrheit der Fraktion dagegen.

Der Änderungsvorschlag hätte die Regierung dazu verpflichtet, am Ende des Jahres Bericht über die Auswirkungen des 1,88 Mrd. Forint-Geschäfts auf die Energiesicherheit und die Energieeffizienz zu erstatten, nachdem diese Argumente beim Rückkauf betont worden waren.

Dass sich mit dem Ankauf der MOL-Aktien auf einen Schlag die Energiesicherheit verbessere, ist selbstverständlich eher als Werbetrommeln der Regierung anzusehen, wenn die Transaktion auch auf längere Frist die Versorgungssicherheit erhöhen könnte; im Hinblick darauf, dass innerhalb eines halben Jahres dieses Ziel kaum messbar wäre, ist es aber nicht überraschend, dass eine Mehrheit von 225 Fidesz- (und KDNP-) Abgeordneten „Nein“ zu der Berichtspflicht der Regierung sagte.

Es sorgte aber gleichwohl für Überraschung, dass die Mehrheit sich hier auch gegen Viktor Orbán und einige seiner Parteifreunde stellte, die gemeinsam mit der MSZP, LMP und Jobbik für die Initiative stimmten.

Quelle:

http://index.hu/gazdasag/magyar/2011/06/22/orbannal_szemben_szavazott_a_frakcio/?utm_source=cimlap&utm_medium=link&utm_content=2011_06_22&utm_campaign=index

Die Liste der mit „Ja“ („Igen“) Stimmenden und sich enthaltenden („Nem szav.“) Ageordneten ist über den Link einsehbar.

Venedig-Kommission übt deutliche Kritik an ungarischer Verfassung

Die Venedig-Kommission, das beratende Gremium des Europarates für Verfassungsfragen, hat in seinem Abschlussbericht zum neuen ungarischen Grundgesetz deutliche Kritik an Inhalt und an der Art und Weise des Zustandekommens der Vorschriften geübt. Die Kommission bemängelte erwartungsgemäß u.a. fehlende Transparenz des Verfassungsgebungsprozesses und die aus ihrer Sicht zu schnelle Verabschiedung ohne echten Dialog in der Bevölkerung. Auch einzelne Vorschriften (z.B. die Beschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichts, zu große Zahl von 2/3-Gesetzen) wurden kritisiert.

Der englischsprachige Bericht ist hier abrufbar:

http://www.venice.coe.int/docs/2011/CDL-AD%282011%29016-e.pdf

Der EU-Parlamentsabgeordnete József Szájer, der maßgeblich an der Ausarbeitung der neuen Verfassung beteiligt war, wies die Kritik der Kommission in seinem Internetblog zurück. Sie beruhe zum Teil auf Missverständnissen, sei aber auch ideologisch geprägt.