EU-Kommission verklagt Ungarn wegen Telekom-Sondersteuer

Mitteilung der EU-Kommission vom 22.03.2012:

Digitale Agenda: Kommission erhebt Klage gegen Ungarn wegen Nichtaufhebung einer Sondersteuer für Telekom-Betreiber

Brüssel, 22. März 2012. Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, Ungarn vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen, da es nach wie vor eine Sondersteuer auf den Umsatz von Telekom-Betreibern erhebt und damit EU-Recht verletzt. Diese Steuer war Teil einer „Krisensteuer“, die im Oktober 2010 für drei große Wirtschaftszweige (Einzelhandel, Telekommunikation und Energie) eingeführt wurde, um die Haushaltslage zu verbessern. Nach Ansicht der Kommission ist diese Steuer illegal, denn die EU-Vorschriften im Telekommunikationsbereich erlauben sektorspezifische Abgaben nur zur Deckung der Kosten für die Regulierung des Sektors, nicht jedoch, um dem Staatshaushalt zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Eine zusätzliche finanzielle Belastung der Telekom-Betreiber könnte zu Preissteigerungen für die Verbraucher, Wettbewerbsverzerrungen und zur Einschränkung von Investitionen in einem Wirtschaftszweig führen, der im Rahmen der Digitalen Agenda für Wachstum sorgen soll.

Ferner ist Ungarn auch nicht seiner Verpflichtung nach dem EU-Recht nachgekommen, die interessierten Parteien in geeigneter Weise zu allen Änderungen der den Telekom-Betreibern auferlegten Abgaben anzuhören.

Die Abgabensätze für Telekom-Betreiber liegen, je nach dem Gesamtumsatz (ohne Mehrwertsteuer), zwischen 0 % and 6,5 %. Die Höhe der durch die Steuer bereits erzielten Haushaltseinnahmen (über 200 Mio. EUR jährlich) verstärkt deren verzerrende Wirkung und stellt ein beträchtliches Hindernis im Hinblick auf die Ziele der Digitalen Agenda dar.

Die Kommission leitete im März 2011 wegen der Telekom-Steuer ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein (siehe IP/11/308). Hierauf folgte im September 2011 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der Ungarn offiziell zur Aufhebung der Steuer aufgefordert wurde (siehe IP/11/1108).

Hintergrund

Die EU-Vorschriften im Telekommunikationsbereich, insbesondere Artikel 12 der „Genehmigungsrichtlinie“ (2002/20/EG), sehen präzise Regeln für Verwaltungsabgaben vor, die Mitgliedstaaten zugelassenen Betreibern von Telekommunikationsdiensten oder Telekommunikationsnetzen auferlegen können. Telekom-Betreibern dürfen nur Abgaben zur Deckung bestimmter administrativer und mit der Regulierung zusammenhängender Kosten auferlegt werden. Diese müssen objektiv, transparent und verhältnismäßig sein und gegebenenfalls angepasst werden. Ferner müssen alle interessierten Parteien in geeigneter Weise zu Änderungen der Abgaben gehört werden.

Im März 2011 verklagte die Kommission Spanien und Frankreich vor dem Gerichtshof der EU, weil sie Abgaben von Telekom-Betreibern erheben, die gegen das Telekommunikationsrecht der EU verstoßen (IP/11/309).

 

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10 Kommentare zu “EU-Kommission verklagt Ungarn wegen Telekom-Sondersteuer

  1. Dieses Verfahren wird juristisch sehr interessant. Der maßgebliche Punkt ist folgender:

    „Die EU-Vorschriften im Telekommunikationsbereich, insbesondere Artikel 12 der „Genehmigungsrichtlinie“ (2002/20/EG), sehen präzise Regeln für Verwaltungsabgaben vor, die Mitgliedstaaten zugelassenen Betreibern von Telekommunikationsdiensten oder Telekommunikationsnetzen auferlegen können.“

    Die entscheidende Frage wird sein, ob „Verwaltungsabgaben“ im Sinne der Richtlinie (ein Definitionskatalog, der sonst oft vorhanden ist, fehlt) auch Steuern sein können oder hier typische Zugangsentgelte gemeint sind. Ich selbst glaube, letzteres ist der Fall. Würde Art 12 der RL nämlich die Besteuerungskompetenzen der Mitgliedstaaten beschränken, so würde in gravierender Weise in eine Kernkompetenz der Mitgliedstaaten – das Steuerrecht – eingegriffen werden. Zwar darf das Steuerrecht nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßen (Niederlassungsverkehr, Kapitalverkehr, Dienstleistungsreiheit usw.). Hierzu sagt die Kommission aber nichts.

    Wir werden sehen, wie der EuGH entscheidet. In etwa zwei Jahren…

    • Auf der Seite des bayrischen Wirtschaftsverbandes gibt es einen Link zu dem 30. Bayerisches Wirtschaftsgespräch mit Ungarns Ministerpräsident Dr. Viktor Orbán vom 22. März 2012.

      Der vbw Präsident Prof. Randolf Rodenstock geht in seiner Eröffnungsrede auch auf die Rahmenbedingungen ein, und dabei erwähnt er auch die verschieden (rückwirkend erhobenen) Sondersteuern für die Telekomunikations-, Energie- und Einzelhandelsbranchen. Er bat den Ministerpräsidenten sein Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis zu erläutern und darzustellen, wohin die Reise bei allen kontroversen Fragen gehe, die derzeit in Ungarn im politischen Geschäft, sowie in den Medien diskutiert werden.

      Die gesamte Rede von Herrn Rodenstock findet man als PDF-Datei als Download:

      Klicke, um auf 20120322+BayWi+Orb%C3%A1n_endg.pdf zuzugreifen

      Die Antwort von Herrn Orban wird hier leider nur zusammenfassend wiedergegeben:

      „Der Ministerpräsident sprach über die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Ungarn und betonte, dass seine Regierung alles tun werde, die Auflagen der Europäischen Kommission zu erfüllen. Ihm persönlich sei es selber wichtig, verlässlicher Partner, insbesondere für die bayerische Wirtschaft zu sein. Er wolle daher für ein attraktives Investitionsklima in seinem Lande sorgen.“
      http://www.vbw-bayern.de/agv/vbw-Aktionsfelder-Wirtschaft_und_Gesellschaft-Politischer_Dialog-30_Bayerisches_Wirtschaftsgespraech_mit_Ungarns_Ministerpraesident_Dr_Viktor_Orb%C3%A1n–46060,ArticleID__25005.htm

      Dann verstehe ich nicht, wie es zu der Entscheidung der EU-Kommission kommen kann, wenn Herr Orban zusagt die Auflagen der EU-Kommsion zu erfüllen?

      Villeicht findet jemand im Blog den genauen Redetext des ungarischen Ministerpräsidenten.

      • Grundsätzlich verstehe ich, dass Ihnen Offtopic-Links unrecht sind. Nichtsdestotrotz wäre eine Möglichkeit Ihnen Links zu Fundstücken zu kommen zu lassen, manchmal nützlich, wenn man der Meinung ist, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf Hungarian Voice interessant wäre. Wäre es nicht möglich bei den Kategorien oben rechts eine solche Funktion zur Verfügung zu stellen? Ob sie sich dann mit den Links auseinandersetzen möchten oder nicht, ist freilich Ihre Entscheidung. Möglicherweise ließe sich eine solche Funktion so einrichten, dass die Links für andere Nutzer nicht sichtbar werden, sodass der Verdacht nicht aufkommen kann, sie würden frei nach Ihrer politischen Ansicht allzu selektiv wählen was Sie aufgreifen. Nur so ne Idee.

      • @ Palóc:
        Es besteht diese Möglichkeit. Ich habe vor einiger Zeit eine kategorie „Lerserzuschriften“ eröffnet. Wer interessante Links gepostet haben möchte, der kann mir diese bitte per Mail zukommen lassen. Ich stelle sie dann mit dem Namen des „Einsenders“ (oder auch ohne…) gerne online.

  2. Nun ich glaube es ist wohl davon die Rede, das ab 1.Januar 2013 diese Steuer abgeschafft werden soll.
    *Regierung schafft Sondersteuern mit Jänner 2013 ab *
    laut MTI
    Wozu das ganze brimborium, wenn man dann doch einknickt?

  3. Pingback: Telekom-Steuer: EU-Kommission nimmt weitere Klage gegen Ungarn zurück | Hungarian Voice - Ungarn News Blog

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