SPIEGEL: Bildungsreform „vertreibt die Elite“

Das Wochenmagazin „Der Spiegel“ berichtet kritisch über die Bildungsreform der Regierung Orbán:

http://www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/bildungsreform-in-ungarn-regierung-orban-laesst-abiturienten-fliehen-a-834190.html

Die Kritik fokussiert auf zwei Punkte: Zum einen die Reduzierung der kostenfreien Studienplätze, zum anderen auf die Regelung, die Absolventen verpflichtet, nach ihrem Abschluss mindestens doppelt so lange in Ungarn zu arbeiten (und Steuern zu zahlen), wie ihr Studium gedauert hat.

Die Interviews mit werdenden Hochschülern sind lesenswert.

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14 Kommentare zu “SPIEGEL: Bildungsreform „vertreibt die Elite“

  1. Fidesz war die Partei, die am meisten für Studenten getan hat, 1998-2002.

    Dies jetzt zu kippen ist einerseits verständlich – als Anteil des BSP sind die Investitionen in die Bildung mit am höchsten in der Welt (teilweise dank der ursprünglichen Fidesz-Bildungspolitik), aber die Ergebnisse sind insofern katastrophal, als zwar sehr gute Leute ausgbildet wurden – aber zum Nutzen des Auslands, denn dort verdient man mehr. Das kann nicht aufrecht erhalten werden.

    Dies mit einer kommunistischen Politik bremsen zu wollen, um die Absolventen im Land zu halten, macht mich fassungslos. Warum nicht einfach die staatliche Unterstützung zurückschrauben, aber sie durch Stipendien aus dem Privatsektor im Bereich Forschung und Technik ersetzen?

    • Der Ansatz, die ins Ausland auswandernden Absolventen zur Rückzahlung der Studienkosten heranzuziehen, ist ein Ansatz purer Hilflosigkeit. Die Regierung sieht offenbar keinen anderen Weg, um die große Abwanderungswelle der Eliten zu stoppen. Ist ein wenig wie Ulbricht, nur ohne Stacheldraht… Obwohl ich den Ansatz letztlich für schädlich und sogar für europarechtlich bedenklich erachte (die Regelung ist geeignet, die Freizügigkeit der Menschen innerhalb der EU zu beschränken, und damit voraussichtlich rechtswidrig!), muss Ungarn wohl für mehrere Punkte sorgen. Sie zeigen, wie sehr die Thematik von Widersprüchen durchsetzt ist:

      1. Das Land kann es sich auf Dauer nicht leisten, diejenigen, die auf Kosten des Staates und der Gesellschaft ausgebildet wurden (auch mit dem Geld derer, die kein Studium machen können), zum Großteil an das Ausland zu verlieren. Ist im Grunde nicht viel anders als der Ansatz, dass es sich Deutschland nicht leisten kann, für teures Geld bestens ausgebildete junge Frauen dauerhaft an Heim und Herd zu verlieren. Hier verpufft Geld, für das viele Millionen Menschen arbeiten, die nicht im Traum an ein Studum denken können – gelebte Solidarität, von der in vielen Fällen wenig bis gar nichts zurückkommt.
      Im Fall Ungarn bildet ein „schwaches“ Land die Eliten der „reichen“ Länder mit aus, letzte sparen gar Bildungskosten…ein echtes Gerechtigkeitsproblem, wie ich finde. Wettbewerb hin oder her, ein großes Wort, das aber bei so unterschiedlichen Ausgangsbedingungen etwa dem Rennen zwischen Trabbi und Aston Martin DBS vergleichbar ist. In Ungarn fehlen Ärzte, Forscher und Ingenieure, wichtige Branchen, die das Land weiterbringen können. Nur die depperten BWLer, Marketing-Schwätzer bleiben im Land. Oder Juristen..aber wer braucht die schon? 🙂
      2. Eine Mauer aufzuziehen (auch wenn sie nicht aus Stacheldraht ist), ist uneuropäisch. Sobald die Menschen genug Arbeit finden, von der sie auch leben können, bleiben sie nämlich größtenteils freiwillig im Land. Ungarn ist, wenn ich mich nicht täusche, nämlich kein Land, in dem die Menschen überdurchschnittlich mobil sind. Es gilt also, um jeden Preis Arbeitsplätze zu schaffen, Investitionen ins Land zu holen, damit Ingenieure und auch Forscher Arbeit finden. Ob Orbán hier genug tut, bezweifle ich – er verschreckt Investoren eher, als dass er sie ins Land holen würde.
      3. Es ist in der heuten Situation absurd, gut ausgebildeten Menschen die Abwanderung zu vermiesen, wenn es im Inland nicht ausreichend Stellen gibt, von denen man leben und die (von Fidesz verbal so sehr geförderte…) Familie gründen kann.
      4. Herr Kálnoky, Ihr Ansatz der Stipendien aus privater Hand erinnert mich an das amerikanische System. Erlauben Sie mir hier (ohne dass das eine Replik auf Ihren Beitrag sein soll), das Stichwort aufzugreifen, Grundsätzliches zum Thema Bildung anzusprechen und meine nicht allzu gute Meinung vom US-Bildungssystem kund zu tun, das ich für das elitärste, ungerechteste und diskriminierendste aller Industriestaaten halte. Es dürfte kein Land geben, in dem die Menschen im Schnitt (das sind die, die nicht auf sündhaft teure Privatschulen gehen durften) so ungebildet sind wie die mächtigen USA. Ich finde es geradezu furchterrgend, welche Abgründe sich bei Gesprächen mit Amerikanern bisweilen auftun. Historisch, geographisch, politisch – Null! Und deshalb: Bildung und deren Finanzierung ist m.E. Aufgabe des Staates, also muss dieser mit öffentlichen Mitteln (im Rahmen seiner Möglichkeiten) versuchen, allen Menschen, egal welcher Herkunft sie sind (schwarz, weiß, rot, gelb, grün…) die gleichen Aufstiegschancen zu vermitteln. Ab dann entscheidet die Leistung und muss Elite gefördert werden. Bildung ist auch nicht nur eine Frage der Ökonomie, wir müssen uns den Luxus von Kulturwissenschaftlern (was täten wir ohne die Wissenschaftlerin Marsovszky!), Slawisten und sonstigen „brotlosen Künstlern“ leisten. Die Welt besteht nicht nur aus Heller und Cent. Ich selbst habe mich – auch an der Uni – gegen Abschaffungen der o.g. Studiengänge gewehrt, weil ich nicht glaube, dass ein Land nur aus Technikern, Juristen, Betriebswirten und Ärzten bestehen darf. Welches Privatunternehmen wird, bei einer nachvollziehbaren Renditebetrachtung, aber Kulturwissenschaften finanziell fördern? Dann doch lieber Sport, das ist wenigstens Entertainment…
      Nur wenn die Hauptaufgabe des Staates im Bildungssystem vorangetrieben wird (gleiche Ausgangschancen zu schaffen und Allgemeinbildung zu vermitteln), können wir Eliten mit großen Summen fördern. Ich will nicht beide Ziele gegeneinander ausspielen, aber ich bevorzuge – wenn ich wählen muss – einen breit gebildeten Mittelstand gegenüber einer kleinen, abgehobenen Elite von Reichen. Warum? Weil keine noch so elitäre Elite durch ihren Erfindungsreichtum und ihre Steuern eine ungebildete, der Armut und Arbeitslosigkeit preisgegebene Mitel- und Unterschicht kompensieren kann. Demokratie lebt von der Mittelschicht. Und bestimmt nicht von denen ganz unten und ganz oben, die sich – wie die Historie zeigt, mit jeder Diktatur ins Bettchen legen. Siemens machte im Dritten Reich ebenso gute Geschäfte wie in China…
      Selbst in Europa sind wir von diesem Ziel gleicher Bildungschancen viel zu weit entfernt, die USA jedoch erkennen dieses Ziel nicht einmal als erstrebenswert (an). Denn die „Ivy League Schmucks“ sehen gar nicht ein, ihren Wohlstand mit Aufsteigern aus den Slums oder der Mittelschicht zu teilen. Warum auch, das wäre ja purer Sozialismus. Bemerkenswert dabei ist, dass das Hineingeborenwerden in ein Harvard-Elternhaus, das „Einsteins“ wie George „Dubbya“ Bush die Tore zu dieser Form von Bildung eröffnet, eigentlich rein gar nichts mit Marktwirtschaft und Leistung zu tun hat. Aber das spielt ja keine Rolle, denn um das Gewissen zu beruhigen, lässt man dann eben einen Farbigen pro Jahrgang in Harvard auf Basis der „affirmative action“ kostenlos mitstudieren. Mit privaten Stipendien…

      Die beste Jugendfreundin meiner Mutter lebt in San Francisco. Ihr Mann sagte mir einmal, dass staatliche Bildung für alle „socialism“ wäre. Nun, dann bin ich wohl auch ein Sozialist 🙂 . Tatsache ist: Ich halte private Stipendien für eine gute Ergänzung. Das Bildungssystem auf diesen Pfeiler stützen zu wollen, halte ich aber für Alibipolitik.

      • Lieber HV, hier sind wir, fürchte ich, unterschiedlicher Meinung. Historisch gesehen betrachte ich die Einführung der „Uni für alle“ ab der 68er Zeit als gleichbedeutend mit der Zerstörung der Universitäten als Stätten geistiger Exzellenz. Es gibt mehr Absolventen, als verkraftet werden können, wissens-inhaltlich ist der Wert der Abschlüsse dramatisch gesunken. Es ist eine Nivellierung zugunsten des Mittelmaßes.

        Ich bin für einen sehr viel restriktiveren aber zugleich akademisch freieren Uni-Zugang. Dabei sollte nicht Geld, sondern geistige Fähigkeit den Ausschlag geben. Das kann man nicht einmal in Noten messen – die Engländer machen vor wie es geht – dort haben die Universitäten volle Freiheit, was die Aufnahme betrifft, besonderer Wert wird weniger auf die Noten als auf die letter of motivation gelegt (gibt es das für deutsche oder ungarische Unis?) und ich kenne einen Fall eines sehr erfolgreichen Oxford-Absolventen, der genommen wurde, obwohl er nicht einmal Abitur hatte. In England brauchte man ja lange auch keinen Doktortitel um Professor zu werden – die Originalität der veröffentlichten Forschung zählte, in welcher Form auch immer sie publiziert war.

        Zum Geld – es ist eine hohe Hürde, aber auch ein Motivationstest, und das Problem kann gelöst werden mit einerseits Studienkrediten, andererseits die Stornierung der Schulden bei exzellenter Leistung. Und was die Klassenlosigkeit betrifft – die wirtschaftlichen und bildungsmässigen Eliten zu zerstören, war der destruktivste Aspekt der kommunistischen Herrschaft.

      • Lieber Herr Kálnoky,
        was Sie sagen, hat durchaus einen wahren Kern. Die „Uni für alle“ ist auch nicht das, was ich primär will. Sehen wir z.B. das weltweit bislang einzige „DUale Bildungssystem“ in Deutschland. Es muss nicht jeder studieren. Und dass Handwerker besser verdienen als Anwälte, weiß jeder…:-)

        Was mir aber aufstößt, sind Bildungssysteme, die es von der sozialen Herkunft der Eltern und deren Brieftasche abhängig machen, ob jemand seinen Weg machen kann. Das beginnt an der Grundschule und zieht sich bis zum Abi. Ich denke also nicht an eine „Uni für alle“ im Sinne eines Systems, das jedem zu einem höheren Bildungsabschluss verschafft. Sondern an ein System, das Leistung fördert und einem Arbeiterkind dann den Weg zu Abi und Uni eröffnet, wenn es „was drauf hat“. Dass nämlich jemand schon deshalb zur Elite geört, weil seine Eltern gut verdienen, das habe ich noch nie geglaubt.

        Es geht mir also primär um die Frage, wer das Zeug hat, zur Elite zu gehören. Und m.E. ist das nicht zwingend der Nachwuchs der heutigen Elite. Auch wenn die mitunter als Halbwüchsige mit Porsches durch die Gegend tingeln … Autofahren kann nämlich jeder Depp 🙂

  2. Grundsätzlich bin ich mit meinen Vorrednern einverstanden. Diesbezüglich ist auch nichts hinzuzufügen.

    Ich denke jedoch, dass es dem Land nicht schaden würde, wenn mehr junge Menschen ins Ausland gingen. Bisher waren es überwiegend jene ganz oben und jene ganz unten, die das Ausland kannten. Man denke an den ungarischen ETH-Studenten und das Romamädchen am Sihlquai.
    Dem grossen ungarischen Durchschnitt ist das Ausland unbekannt (um es deutlich zu sagen: ein Erasmussemester ist keine ernstzunehmende Auslandserfahrung in meinen Augen), es herrscht sogar eine gewisse Angst, seine Kinder ans Ausland zu verlieren. Derweil haben viele Illusionen über die Verhältnisse sowohl im westlichen als auch im östlichen Auslande. Diese Illusionen gipfeln dann in einer peinlich überhöhten Darstellung Deutschlands von Seiten aller Regierungen (Ungarn sollte sich lieber Beispiele an kleineren, sehr erfolgreichen Ländern wie der Schweiz nehmen oder auch mal einen freundlichen Blick Richtung Rumänien werfen, was besonders im Osten des Landes, wo selbst ethnische Ungarn aus Siebenbürgen als Rumänen verschrien sind, dringend not tut) oder in Verschwörungstheorien. Das Unwissen ist gross. Auch wenn wir einige junge Menschen verlieren, werden manche zurückkommen und dabei helfen, das grosse Unwissen zu beseitigen.
    Vielleicht werden sie auch den Gedanken von fairen Löhnen mitbringen, Ungarn ist auf diesem Gebiet ja im 19. Jahrhundert stehen geblieben. Auch die Vetterliwirtschaft, von der die junge Dame aus Gyula spricht, könnte zurückgehen, wenn grössere Teile der Bevölkerung Länder kennenlernen, in der es sie in dieser Form nicht gibt. Zu berücksichtigen sind auch mögliche Externalitäten: Ein junger, kluger Mensch im Ausland reflektiert natürlich und gibt seine Erfahrungen schon indirekt in Telefongesprächen in der Verwandtschaft etc. weiter.

    Natürlich hätte ich es mir gewünscht, dass die jungen Ungarn nicht mit einem Fusstritt ins Ausland befördert werden würden, wie es schon seit der teilweisen Einführung der Studiengebühren praktisch der Fall ist (ich meine dabei den häufigen Fall, in dem der gewünschte Studiengang im Ausland günstiger zu haben ist als in Ungarn). Dass nun auch Studenten mit staatlichen Studienplätzen eine Naturallast (ist es ja fast) auferlegt wird, um auch noch diesen Rest zu Studien im Ausland zu zwingen, ist übertrieben. Ganz zu schweigen davon, dass vielleicht wirklich amerikanische Verhältnisse die Folge sind, da sich der Durchschnitt ein Studium im Ausland nicht leisten kann, auch wenn dieses günstiger käme als in Ungarn; Studieren ist ja auch in Ungarn teuer.

    Meine liebste Lösung wäre es gewesen, die Zahl der staatlichen Universitäten auf 10 zu senken (derzeit sind es glaube ich 25), mehr braucht ein Land unserer Grösse nicht. Gleichzeitig hätte man in die Berufsbildung investieren müssen, die Mittelschule klarer ausdifferenzieren müssen (heute gibt es praktisch zwei Schultypen, die gleichzeitig auf zwei Hochschultypen vorbereiten), auch mit viel Überzeugungsarbeit und einem weiten politischen Konsens. Nach einer strengen Übergangsphase hätte man die Studiengebühren ganz abschaffen und liberale Aufnahmebedingungen (die bis dahin rare gymnasiale Matur sollte genügen) einführen sollen. Der Wille ist ja da, aber ich vermisse eine konsequente Umsetzung (jeder sorgt sich um seine Pfründe). Der grösste Sektor in einer gesunden Wirtschaft sind nunmal KMU und der beste Weg zur Selbstständigkeit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit ist die Berufslehre. Es ist nur leider sehr schwer, einmal gemachte grundlegende Fehler wieder auszubügeln.

  3. Ein interessantes Thema welches viel Raum für Diskussionen lässt. Was aber den Artikel des Spiegels angeht, so ist er gespickt von Unzulänglichkeiten. Wenn in diesem Zusammenhang etwa die CEU erwähnt wird, die als private Stiftungsuniversität von der neuen Gesetzgebung gar nicht betroffen ist (Ich werde ab September mit einem Fellowship dort meinen Master machen), wenn Studiengebühren (wurden die für ungarische Staatsbürger (EU-rechtlich fragwürdig) nicht abgeschafft???) und staatliche Förderung in einen Topf geworfen werden oder wenn die relativ geringe Zahl von eigentlich betroffenen vernachlässigt wird, dann muss man die Gründlichkeit der Recherche des Artikels und die Sachkenntnis des Autors hinterfragen!

    • Dass Studiengebühren für ungarische Studierende abgeschafft worden wären, wäre mir neu. Ich bin im Gegenteil immer wieder überrascht zu hören, wie hoch die Studiengebühren in Ungarn im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen so sind. Ich verstehe auch nicht so ganz, was in dem Artikel durcheinandergeworfen sein soll. So wie ich ihn verstanden habe deckt sich das mit dem, wie mir ein ungarischer Jurist das erklärt hat. Die staatliche Förderung bezieht sich darauf, dass es sogenannte „staatlich finanzierte Studienplätze“ gibt, für welche die Studierenden keine Studiengebühren zahlen müssen – damit gehört es für mich in einen Topf. Was ich daran nicht verstehe ist, wo der Unterschied zu einem Stipendium ist und warum sich das Ganze (eventuell nur von der Bennenung her?) auf die Plätze bezieht und nicht auf die Studierenden.
      Die Erwähnung der CEU im Artikel finde ich vollkommen legitim. Sie wird lediglich in der Einleitung des Artikels zusammen mit der Sote als Beispiel erwähnt, wo ausländische Studierende zum Studieren nach Ungarn kommen, wird also nicht im Zusammenhang mit der neuen Regelung erwähnt.

      • Also was die Studiengebühren angeht, so bin ich mir selbst nicht sicher. Ich weiß nur, dass es 2008 eine Volksabstimmung gab, in der die Studiengebühren gekippt wurden. Was dies konkret zur Folge hatte weiß ich leider nicht mehr genau. Aber wenn jemand es genauer weiß, dann wäre ich über eine Aufklärung dankbar!
        In Bezug auf die Frage was in dem Artikel ‚durcheinandergeworfen‘ sein soll: Zunächst einmal werden Studenten genannt, welche aufgrund von hohen Studiengebühren (was für deren Existenz sprechen würde^^) abwandern würden. Da die staatliche Finanzhilfe sowieso nur für wenige Studenten gilt, sind Studiengebühren von der Frage nach der neuen Regelung (abgesehen von Einzelfällen) völlig unabhängig.Worauf ich also eigentlich hinaus wollte ist, dass der Artikel das Thema etwas aufzubauschen scheint.
        Was die Erwähnung der CEU angeht, so ist es wohl jedem selbst überlassen ob er eine sie für angebracht hält. Ich denke, dass die Uni aufgrund ihres rechtlichen Statuses, ihrer finanziellen Unabhängigkeit und ihrer akademischen Qualität weit über dem allgemeinen ungarischen Bildungssystem steht. Deshalb finde ich, dass sie in einem Artikel über dieses spezielle Thema nichts zu suchen hat. Aber wie gesagt, es ist wohl Ansichtssache.
        Was den Unterschied zu Stipendien angeht, so habe ich es so verstanden, dass es einzig und allein darum geht wer dieses finanziert. Wenn man also ein Stipendium von einer Stiftung oder der Uni selbst bekommt, dann gilt die Regelung nicht. Wenn das Stipendium aber vom Staat finanziert wird, dann gilt die Regelung. Oder meinten Sie etwas anderes?

  4. Erstmal vielen Dank für die umfangreichen und inspirierenden Kommentare von HV und Ciuperci. Ich glaube auch, dass dies ein für die Zukunft des Landes drängendes Thema ist. Den Braindrain durch Zwänge und BEschränkungen aufhalten zu wollen ist wahrscheinlich so sinnvoll, wie der sprichwörtliche Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln. Die spannendere Herangehensweise wäre wohl zu sehen, wie man die Leute im Land behält, oder wieder zurückholt. Ich möchte hier Ciuperci zustimmen, dass ich Auslandserfahrungen für extrem wertvoll halte und auch Ungarn sehr davon profitieren würde, könnte es solche Leute zurück ins Land holen und dort auch vernünftig (re)integrieren. Das ist natürlich schwierig, wenn Posten eher nach Vettern- oder Freunderlwirtschaft vergeben werden, da es während einer Auslandserfahrung natürlich schwieriger ist, die richtigen Netzwerke im Heimatland zu pflegen.
    Das Auseinanderfallen von staatlicher BildungsfInanzierung und gesellschaftlichem Nutzen durch Abwanderung ist meiner Meinung nach nur schwer zu messen. Ich kenne die Debatte aus Österreich, wo über Horden deutscher Studierender geklagt wird. Auf der anderen Seite verlassen ja auch Deutschland viele gut ausgebildtete Menschen, bzw. es werden ausländische Studierende unterstützt, um in Deutschland zu studieren (Stichwort DAAD). Genauso kann man es wohl auch nicht ausschließen, dass in Ungarn Menschen leben und zur Wertschöpfung beitragen, die ihre (Aus)Bildung im Ausland genossen haben.
    Stichwort Ausbildung: Auch hier möchte ich Ciuperci unterstützen. Ich halte die Fokussierung auf akademische Titel für fehlgeleitet und eine hohe Akademikerquote nicht per se für erstrebenswert, vor allem wenn viele Uni-Absolventen langfristig frustriert sind, weil sie keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Job finden. Wenn zeitgleich in den Ausbau einer qualifizierten Berufsausbildung investiert würde, fände ich die Reduzierung staatlich subventionierter Studienplätze nicht grundsätzlich verkehrt. Über die Steuerung in Bezug auf die Fächervielfalt ließe sich auch noch debattieren. Ich denke wie HV, dass Vielfalt hier ein Gewinn ist und Nützlichkeitserwägungen nicht im Vordergrund stehen sollten. Wobei man bei den neuen Zahlen was geförderte Plätze von BWLern und Juristen angeht wohl keine Überflutung befürchten muss.
    Was in dem Artikel tatsächlich fehlt: Von was auf was wurde die Zahl der Studienplätze insgesamt reduziert und nach welchen Kriterien werden sie vergeben? Das wäre für die Bewertung der Frage von HV nach der Bildungsgerechtigkeit nicht unerheblich. Wie sind die Chancen in Ungarn, unabhängig von der Herkunft ein Studium zu absolvieren? Auch wenn ich das US-Bildungssystem nicht als vorbildhaft ansehe, gehen mir die Einschätzungen von HV doch etwas zu weit. Ich fürchte, was die soziale Mobilität angeht steht es in Deutschland und Österreich besonders schlecht (wenn ich mich an entsprechende OECD-Berichte korrekt erinnere) – unabhängig davon, was in Sonntagsreden als Ziel groß proklamiert wird. Könnte mir vorstellen, dass in der gelebten Praxis in den USA weniger darauf geschaut wird, wo jemand herkommt und dass es statistisch noch wahrscheinlicher ist, aus einem armen Elternhaus kommend gesellschaftlich aufzusteigen, als in vielen Ländern Europas (und um das noch zu sagen: Ich bin trotzdem froh, hier geboren worden zu sein und leben zu können).

  5. Geht es nicht einfach auch nur darum, dass wenn ein Lehrer weniger verdient als ein Busfahrer; ein Arzt weniger als ein Schichtleiter, sich das Studium für Ungarn nicht mehr lohnt?
    Ein Studium bedeutet Zeit- und Einkommensverlust, denn in der Zeit des Studiums arbeitet sich zum Beispiel der Fabrikarbeiter bei vollem Einkommen zum Schichtleiter vor. Nehmen wir eine Regelstudienzeit von 7 Semestern an, plus in Jahr Volontariat, kommen wir leicht auf auf einen Einkommensverlust von 15 Mio Forint gegenüber einem Fabrikarbeiter, der sich in dieser Zeit hochgearbeitet hat.
    Wenn ich nach dem Studium auf der selben finanziellen Ebene stehe, war das eine wirklich schlechte Investition an Zeit, Geld und Energie.
    Wen kann es da wundern, dass die Studenten nach Europa blinzeln, wo sie händeringend gesucht werden, und die Einstiegsgehälter um 1 Mio Forint pro Monat liegen?
    Alternativ dazu kann man in Ungarn natürlich Jura, Technik oder Betriebswirtschaft studieren, was aber unweigerlich zu einem Überangebot an diesen Fachkräften führt, und somit das Lohnniveau senkt bzw. deren Jobrisiko erhöht; also man dreht sich im Kreis.

  6. Staatlich finanzierte Studienplätze bedeuten meines Wissens, dass die Studierenden, die einen dieser Plätze erhalten, keine Studiengebühren zahlen müssen. Alle anderen, die keinen solchen Platz bekommen und dennoch studieren wollen, müssen dafür zahlen. Nach dem Studienführer, den ich im Januar 2012 aus dem Internet heruntergeladen und jetzt noch einmal konsultiert habe, kostet 1 Semester Jura an der ELTE in Budapest 237.000 Forint. In Euro umgerechnet ist es nicht so viel Geld, aber wer die ungarischen Durchschnittsgehälter kennt, weiß, dass es doch viel ist. SOTE Pharmazie: 800.000 Forint/Semester; Zahnarzt: 1.046.000 Forint. Und dazu kommen noch die Lebensunterhaltskosten.
    Laut Studienführer (Stand war 20. Januar 2012) ist die Anzahl der staatlich finanzierten Studienplätze für Jura für das ganze Land mit 200 angegeben, hiervon entfallen Null (0!) auf die ELTE in Budapest. (Ich habe mich aus berufsbedingten Gründen für die Jura Studienplätze interessiert…) Ich denke, dass die Steuerung der Studienwünsche nach dem Aspekt der „Nützlichkeit“ sehr begrenzt erfolgreich sein kann. Ich würde jedenfalls nicht gern von einem Arzt behandelt werden, der eigentlich lieber Slawistik oder Kunstgeschichte studiert hätte.
    Was die sog. „Studentenverträge“ angeht, frage ich mich unter anderem, warum nur die Studenten den Preis zahlen sollen. Was ist mit den Handwerkern, die z.B. in Österreich arbeiten? Sind sie nicht aus auf einer staatlichen Schule ausgebildet worden? Außerdem ist es ja nicht ganz so, dass der Staat einem das Studium „schenkt“. Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, oft sind wohl auch die Eltern der Studenten Steuerzahler.

    Die Summen, die zurückgezahlt werden müssten sind im Übrigen mit westeuropäischen Gehältern nicht schwer. Und ich kann mir vorstellen, dass z.B. bei dem Ärztemangel in vielen Ländern (Großbritannien, Norwegen, Deutschland) es auch beim Abwerben mit einkalkuliert werden wird, dass diese Summe als Einstiegsbonus oder günstiges Darlehen angeboten wird. Und dann kehrt sich der gewünschte Effekt sogar ins Gegenteil um, denn es ist zu erwarten, dass ein Absolvent, der seine Ausbildungskosten zurückgezahlt hat, weniger geneigt sein wird, nach ein paar Jahren Auslandserfahrung wieder nach Ungarn zurückzukehren.

  7. Bildungsreform vertreibt die Elite?
    Da war ich mal richtig neugierig auf den Beitragund siehe da, ich wurde nicht enttäuscht.
    Toll, wenn die Elite eines Landes aus Studenten solcher Fächer wie Business & Management besteht.Das freut die Wirtschaft ungemein und sie wird wie Phönix aus der Asche steigen und blühen und gedeihen!!!
    Evtl. hätte die die Verfasserin des Beitrages doch mal Studenten der Ingenieurwissenschaften befragen sollen.
    Allerdings kann es sein, dass sie wohl keinem begegnet ist.
    Klingt ja auch voll daneben und macht absolut keinen Eindruck sich Dipl-Ing. zu nennen.

  8. Natürlich ist sie den Ingenieuren nicht begegnet, denn diese stehen in Lohn und Brot bei Audi, Bosch, Mercedes u.s.w. und sind gut versorgt.
    Es geht um die humanistischen und medizinischen Fachkräfte; wer soll sich denn sonst um die Menschen in Ungarn kümmern, die nicht zur Elite gehören?

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