Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat überraschend ein für den 13.03.2013 angesetztes Treffen mit dem ungarischen Parlamentspräsidenten László Kövér abgesetzt (offiziell: „verschoben“). Stamm zeigte sich „besorgt“ wegen der Entwicklungen um das ungarische Grundgesetz.
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Kövér, der am 12.03.2013 in München eintraf und an einer Festveranstaltung zur Märzrevolution 1848 teilnahm, erfuhr erst vor Ort von Stamms Entscheidung. Ein beispielloser Vorgang im bayerisch-ungarischen Verhältnis.
Diese Entwicklung zeigt mehrere Defizite klar und deutlich auf:
1. Die ungarische Regierungsmehrheit hat, was die neueste Verfassungsnovelle angeht, abermals die internationale Kommunikation sträflich vernachlässigt und es verabsäumt, den Partnern die Regelungen frühzeitig ruhig und klar zu erläutern. Stattdessen hat sie das Feld denen überlassen, die die Änderungen in Bauch und Bogen verdammten und ihren Zugang zu Presse nutzten, ihre oftmals von Verzerrungen geprägte Sichtweise zu verbreiten. Und dabei den zweithöchsten Mann im Staat in einen Eklat verwickelt. So kritikwürdig einige Punkte in der Verfassungsnovelle sind, es kann darüber sachlich diskutiert werden. Ungarn hat das abermals versäumt.
2. Der bayerische Wahlkampf im Herbst 2013 wirft seine Schatten voraus. Die CSU befindet sich nicht gerade an der Spitze der Wählergunst, eine Rückkehr zur absoluten Mehrheit ist nicht absehbar. In dieser Situation ist die Parteiführung offenbar der Auffassung, unnötige Angriffsfläche für die Opposition (und ihren Spitzenkandidaten, den beliebten Münchner Oberbürgermeister Christian Ude) zu liefern, wenn man sich mit Kövér in diesen Zeiten trifft. Schließlich ist das Presseecho um Ungarn einhellig negativ und Kövér zudem mangels Fingerspitzengefühl, der Vorliebe zum rechten Rand und allzu „kerniger“ Sprüche eine umstrittene Persönlichkeit. So lässt die CSU sich von der Presse vor sich hertreiben und sagt ein Treffen ab, das sogar positive Impulse auf die Verfassungsdebatte hätte geben können; schließlich sieht Fidesz die CSU als Partner. Dass man sich in solchen Situationen nicht feige wegduckt, haben Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel bewiesen: Sie haben den ungarischen Staatspräsidenten János Áder empfangen und das Thema angesprochen. Die CSU war hierfür zu ängstlich. Dabei muss klar gesagt werden: Dass die CSU sich plötzlich um den ungarischen Rechtsstaat sorgt, ist pure Heuchelei. Es geht um billigen Wahlkampf.