Das ungarische Außenministerium hat heute eine Stellungnahme zur Krim-Krise herausgegeben:
„Das Außenministerium Ungarns bringt, in Bekräftigung seiner bisherigen Äußerungen, seine tiefe Besorgnis über die Eskalation der Situation in der Ukraine zum Ausdruck.
Wir wiederholen, dass wir der territorialen Einheit und Souveränität der mit uns benachbarten Ukraine verpflichtet sind und ihre Verletzung als Missachtung der Charta der Vereinten Nationen und internationaler Verpflichtungen ansehen.
In diesem Zusammenhang rufen wir die Unterzeichner des im Jahr 1994 angenommenen Budapester Memorandums, das den Status der Ukraine regelt, auf, die im dortigen Paragraph 1 aufgeführten Verpflichtungen einzuhalten, die die Grenzen des Landes, seine territoriale Integrität und Souveränität garantieren.
Wir erinnern daran, dass die ungarische Regierung seit Vertiefung der Krise in der Ukraine bei zahlreichen Angelegenheiten, eigenständig oder in Abstimmung mit den Visegrad-Partnern, in V4-Erklärungen der Regierungschefs oder auf Ebene des Außenministeriums, in Pressemitteilungen, auf bilateralen und multilateralen Treffen, so etwa an der bis zum 1. März andauernden Reise von János Martonyi nach Kiew, Donezk und in die Karpatenukraine, sowie unter Ausnutzung internationaler Foren stets seinen Standpunkt im Bezug auf die territoriale Einheit der Ukrainemvertreten hat.
In der aktuellen angespannten Situation betonen wir, dass eine weitere Verschärfung der Krise und eine mögliche militärische Auseinandersetzung durch die betroffenen Parteien nur auf friedliche Weise, im Wege der Verhandlungen, verhindert werden kann, so wie das in Paragraph 7 des Budapester Memorandums festgelegt ist. Ungarn ist bereit, hierbei jede erdenkliche Unterstützung zu leisten und bietet seine Hilfe an.
Das Ungarische Außenministerium appelliert an alle von der ukrainischen Krise betroffenen Parteien, sich sämtlicher provokativer Schritte zu enthalten, die, wie etwa auch Entscheidungen, die das Sicherheitsgefühl und die Rechtssicherheit der in der Ukraine lebenden ethnischen und sprachlichen Minderheiten, insbesondere die für Ungarn besonders wichtige ungarische Minderheit in der Karpatenukraine, die Spannungen vertiefen und zur Anwendung von Gewalt führen können. Die ungarische Regierung hat ihrer diesbezüglichen Besorgnis sowohl im Rahmen bilateraler Treffen, als auch bei internationalen Konsultationen, wie etwa auf Foren der Europäischen Union und der NATO, Ausdruck verliehen.
In diesem Zusammenhang betrachtet es das Außenministerium als bedauerlich und als eine die Sicherheit der Ukraine, der Region sowie der ungarischen Minderheit in der Karpatenukraine gefährdende Erscheinung, dass einzelne ungarische Parteien die ukrainische Krise für Partikularinteressen und parteipolitische Ziele ausnutzen.“
Der letzte Satz gilt Mesterházy, Bajnai, Gyurcsány und anderen Politikern des Oppositionsbündnisses „Zusammenhalt“, die der Regierung „Feigheit“ vorgeworfen hatten.
hv, soll dies ein versuch sein, die aktuelle ung. regierungspolitik auf ein annehmbares niveau zu heben?
welchen lohn bekommen sie eigtl für ihr bemühen?
um ihrem begehren nach inhaltlicher auseinandersetzung schon im vorfeld zu entgegnen:
in meinen augen ist die aktuelle regierung nicht kredit- u glaubenswürdig – sprich: ihre äusserungen sind unerheblich.
Meiner Meinung nach wäre die Krise leicht vermeidbar gewesen, wären entscheidende Stellen nicht regelrecht inkompetent an die Sache herangegangen. Mir persönlich war es sofort klar, dass sich die Sache nicht erledigt hat als die Ukraine das Sprachengesetz kippte und damit die Privilegien der russischen Bevölkerung strich. Zwar hätte ich nicht erwartet, dass Putin aktiv wird, aber mit Unruhen in den östlichen Regionen hatte ich gerechnet. Wie dumm muss man denn sein die Russen dort derart zu provozieren? Meiner Meinung nach bestand durchaus Grund zur Sorge, dass die Ukraine die Autonomie der Krim aufweichen oder sogar abschaffen würde, deswegen verstehe ich durchaus, dass die russische Bevölkerung zu demonstrieren begann. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass es nicht zur Krise gekommen wäre, wenn man das Gesetz unangetastet gelassen hätte. Aber damit findet die Dummheit noch kein Ende. In Berlin spricht „Mutti“ von territorialer Integrität (denkt die wirklich, dass die derzeitigen Grenzen auch in mehreren hundert Jahren noch Bestand haben werden? Glaubt sie denn, dass sich die ethnische Situation in einer Region nicht verändern kann? Territoriale Integrität ist eine schöne Richtlinie, mehr nicht, vorallem ist sie kein Dogma.), in Brüsel wird wieder einmal von europäischen Werten geschwafelt (Wer hat die eigentlich wann festgelegt? Wann durften wir uns dazu äußern? Wann gab es dazu eine Diskussion? Wer hat sie überhaupt legitimiert? Und vorallem: was genau sind denn europäische Werte? Für mich ist dieser Begriff eine leere Politiker-Worthülse.). Die Wahrheit ist, dass in der Karpatoukraine etwa 12% der Bevölkerung Ungarn sind. Seit dem Ungarn sein Staatsbürgerrecht geändert hat, haben sicherlich auch dort Ungarn die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen und sind damit EU-Bürger. Fakt ist auch, dass auch die Ungarn dort von der Änderung des Sprachgesetzes betroffen sind. Damit hätte die EU jedes Recht gehabt, mal ein Tönchen dazu zu sagen. Defakto ist aber so gut wie nichts geschehen. Ich könnte auch nicht behaupten, dass dieses Thema teil der öffentlichen Diskussion in meiner Gegend gewesen wäre, beispielsweise könnte ich mich zu keinem entsprechenden Zeitungsartikel entsinnen (bei genauer Suche findet man sicherlich bundesweit etwas, aber das bischen geht im allgemeinem Rauschen unter). Man könnte eine Umfrage starten, sicherlich würde kaum jemand wissen, dass in der Ukraine Ungarn, also EU-Bürger, leben. Ironisch: für mich ist gerade der Minderheitenschutz ein zentraler europäischer Wert, damit hat die EU ihren eigenen Propagandaspruch selbst verraten.
Unterm Strich kann ich nur sagen, dass ich Herrn Putin hier verstehen kann. Der hatte es wahrscheinlich sowieso satt, sich von der EU düpieren zu lassen. Vorallem hat er aber jede moralische Verantowrtung die russische Bevölkerung zu schützen, nur über die Mittel lässt sich streiten.
Mit Verlaub, das Argument, Russen auf der Krim schützen zu wollen, macht nur Sinn, wenn es eine Gefahr für sie gab. Und das sehe ich nicht.
Wenn man sich die Polen und Tschechen anhört, weiß man, was von Putins „Schutzmachtgerede“ zu halten ist. Nämlich gar nichts. Und auch als jemand, der bei der Putin- und Lawrow-Rhetorik die Parallelen zu den Scheinargumenten für den Einmarsch des „sowjetischen Brudervolks“ 1956 in Ungarn erkennt (Kampf gegen „faschistische Elemente und Kriminelle“), läuft es mir kalt den Rücken runter.
Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die Autonomie der Krim gekippt worden wäre. Dann hätten die Russen dort in derselben Patsche gesessen wie die Auslandsungarn heute, die vom langsamen Verschwinden durch Assimilation bedroht werden. Sicherlich passiert das nicht innerhalb weniger Jahre, aber wieso nicht schon früh die Gelegenheiten nutzen die sich bieten, ehe man keine mehr erhalten wird?
Also eines kann ich den Russen in der Ukraine nicht verwehren, nämlich den Wunsch, dass die von ihnen mehrheitlich bewohnten Regionen zu Russland gehörten. Nun mal ehrlich: wer möchte nicht, dass das von ihm und seinen Vorfahren seit Jahrhunderten bewohntes Gebiet nicht wieder zu dem Land gehört, zu dem es – im Falle Krims – früher sowieso 200 Jahre lang gehörte, in dem die selbe Sprache gesprochen wird und (sehr wichtiger Punkt) etwa 4-mal so hohes Bruttoinlandprodukt pro Kopf gibt? Wer? Niemand, denn niemand ist so dumm.
Diesen scheinbar nachvollziehbaren ökonomischen Argumenten steht lediglich die – fast unüberwindbare – Hürde des Völkerrechts und der territorialen Integrität der Ukraine im Weg. Auch der Irak hatte den Einmarsch in Kuwait ökonomisch gerechtfertigt, was daraus wurde, wissen wir.
Wenn die Menschen in der Ukraine im Wege demokratischer Entscheidungen und im Einklang mit der Verfassung über die Abspaltung der Krim entscheiden würden (und das entscheiden sicher nicht ein paar lautstarke Krawallmacher, die regionale Administrationsgebäude besetzen), wäre das etwas anderes als ein gewaltsames Handeln von außen.
Wo ist die Grenze? Soll Ungarn im Székler-Land einmarschieren, eventuell auch noch in der Südslowakei? Soll Rumänien sich Moldau holen? Oder die Österreicher Südtirol?
Mir machen solche Gedanken Angst. Eigentlich müsste jedem Ungarn, Polen, Tschechen bei den jetzigen Geschehnissen Angst und Bange werden.
„Soll Ungarn im Székler-Land einmarschieren, eventuell auch noch in der Südslowakei?“
Aus ökonomischen Gründen sicherlich nicht.
Wennschon das Völkerrecht brechen, dennschon gleich das Wiener Becken kassieren! Zack, den Flughafen und die OMV Raffinerie in Schwechat besetzen und Schickers Blatt zur humanitären Katastrophe erklären. Wär doch ein Gaudi, einen Tag vor Aschermittwoch!
Es geht nicht darum territoriale Integrität grundsätzlich zu ignorieren. Aber man sollte sich auch nicht an Grenzen festhalten, die letztlich künstlich gezogen wurden, besonders dann, wenn diese Grenzen mehr Unruhe stiften als alles andere. Was nützt den Ukrainern territoriale Integrität wenn sie sich jeden Tag Anschlägen durch Separatisten ausgesetzt sehen? Fragt sich, ob die Russen andersherum mehr Glück hätten, aber eben deswegen ist es eine Frage des sorgfältigen Abwägens und nicht pauschaler Grundsätze. Volksabstimmungen sind das Zauberwort.
Ehrlicherweise muss man auch zugeben, dass der Westen sich einen Dreck um territoriale Integrität geschert hat als es um das Kosovo ging.
Wieso ist die territoriale Integrität der Ukraine ein Tabu? In einer Welt, in der biblische Wahrheiten in Frage gestellt werden, kann man sehr wohl territoriale Integrität eines Landes in Frage stellen.
Krim wird Ende März abstimmen, dann werden wir mal sehen, wie es weiter geht.
Tja, was soll man denn nun davon halten?
Nun lese ich zwar den standard mit grosser Skepsis, aber über das beschriebene Telefonat wurde gestern schon an anderen Stellen disskutiert.
http://derstandard.at/1392687296943/Abgehoertes-Telefonat-zwischen-Ashton-und-Estlands-Aussenminister-wirft-Fragen-auf
Die einzige Frage, die in Zusammenhang mit den Ereignissen in Ukraine zu stellen ist, ist die Folgende: “ Wie würde die USA darauf reagieren, wenn zB. In Canada oder Mexico eine Regime-Change im Sinne Russlands oder Chinas erfolgen würde?“ Die Antwort dürfte eindeutig sein. Warum wird das gleiche nicht Russland zugestanden?
Alles Andere ist Geschwätz und dient nur dazu, ja nicht diese Frage aufkommen zu lassen um weiterhin zweierlei Mass anwenden zu können. Russland ist gewiss keine Demokratie im westlichen Sinne (was immer das sein soll) aber nimmt sich auch nicht heraus, andere laufend zu verurteilen und sich als alleiniger Massstab für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte darzustellen. Dass unsere „freie“, Medien, insbesondere die aus Zwangsbeiträgen finanzierten ARD und ZDF mitspielen ist traurig genug.
Mit Verlaub, eine weitere Frage wird erlaubt sein: Wie kommt es, dass manch ein Ungar so großes Verständnis für eine Politik Russlands aufbringt, die im Ansatz nichts anderes ist als die Sowjetpolitik von 1956? Was übrigens auch die Stimmen aus Warschau und Prag zeigen – ganz ohne ARD und ZDF.
Es fehlen nur noch die russischen Panzer. Aber vielleicht sehen wir die ja noch. Erschossene Demonstranten hatten wir ja schon. Und einen ukrainischen Kádár, der zum „Big Brother“ rennt…
Die ungarischen Politiker sind mittlerweile eins. Nach der Opposition bezeichnete auch Orbán in Brüssel die Aktionen Russlands als Aggression.
http://m.mandiner.hu/cikk/20140306_orban_vizummentes_beutazast_az_ukranoknak_az_eu_ba
Ich finde schon, dass es einen Unterschied zwischen 56 und der Krim-Krise gibt. Erstens gibt es mittlerweile ganz andere Gerüchte auf wessen Konto die toten Demonstranten in Kiew gehen. Natürlich sind das nur Gerüchte, nichts bewiesenes.
Zweitens unterstützen die Russen offenbar ein Referandum auf der Krim. Anders als 56 setzt man jetzt offenbar auf die Meinung der Bevölkerung und das ist eigentlich auch das demokratischste und zivilisierteste was man in so einer Situation tun kann. Im Gegensatz dazu verstehe ich Frau Merkels Äußerungen nicht, die das Referandum als illegal bezeichnet hat. Was kann es legitimeres geben als eine Volksabstimmung? Es wäre das beste wenn die EU unabhängige Beobachter schicken würden, die sicherstellen, das nichts manipuliert und das Ergebnis damit am Ende legitim wird. Schlau wäre es auch, auch im Falle des Beitritts zu Russland weiterhin eine Autonomie sicherzustellen. Frau Merkel aber findet es offenbar besser der Bevölkerung auf der Krim die Regierung in Kiew aufzuwingen. Ich denke, Sie wissen auch sehr genau, das man viel Leid vermieden hätte, hätte man nach dem 1. Weltkrieg auf Volksabstimmungen gesetzt, wieso jetzt also ein anderes Maß anlegen? Meiner Meinung nach hat Frau Merkel kein Fingerspitzengefühl für Minderheitenprobleme.
Was Janukowitsch angeht, der ist mit Sicherheit kein Engel. Was hat aber Frau Timoschenko in der Vergangenheit anderes gemacht als sich an den großen Bruder in Brüssel zu wenden? Auch mal eine interessante Frage: weshalb hatte Brüssel offenbar jahrelang keine Probleme damit, dass Frau Timoschenko Minderheitensprachen, darunter auch Ungarisch, das – wie wir alle wissen – eine Amtssprache der EU ist, unterdrückte? Und ich wiederhole mich gerne: wieso hatte die EU nichts daran auszusetzen, dass die pro-westliche Regierung in Kiew quasi als erste Amtstat das Sprachengesetz kippte, obwohl davon auch EU-Bürger betroffen sind? Ich komme zu dem Schluss, dass auch Frau Timoschenko kein Engel ist. Daher ist auch die uneingeschränkte Unterstützung ihr gegenüber durch die EU kritikwürdig. Darüberhinaus hat Janukowitsch nicht ganz Unrecht damit, wenn er die neue Regierung als illegitim bezeichnet, weil sie nicht vom Volk gewählt wurde. Sie mag starken Rückhalt im Westen der Ukraine genießen, aber was ist mit dem Osten oder der Ukraine insgesamt? Ich jedenfalls habe größere Probleme mit der Legitimität der neuen Regierung als mit der des Referendums auf der Krim.
Verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin kein Fan der russischen Politik, aber ich kann sie eben auch verstehen. Und es enttäuscht mich ehrlich gesagt, dass Sie die deutsche beziehungsweise europäische Haltung so uneingeschränkt unterstützen, schließlich kennen Sie die Komplexität von Minderheitenproblemen. Oder sehen Sie es mal so: angesichts der starken politischen Polarisierung der ungarischen Gesellschaft, was würden Sie davon halten, wenn eine externe Macht eine der beiden Seiten (welche sei mal egal) pushen würde, ungeachtet dessen, welche in der Bevölkerung die größere Unterstützung genießt? Wenn sie die Meinung der Bevölkerung gleich mal als illegitim bezeichnet? Würde nicht gerade das die Polarisierung noch vergrößern und damit die Spaltung beschleunigen? Die Russen unterstützen auch einseitig, aber die fragen wenigstens die Bevölkerung.
Lieber Palóc, nehmen wir doch mal an, Frankreich würde Demonstrationen in Berlin zum Anlass nehmen, im Saarland einzumarschieren und sich vor den Kasernen der dort befindlichen Bundeswehrkasernen aufzustellen. Mit dem Argument, die dort lebenden Franzosen müssten „geschützt“ werden. Nehmen wir weiter an, die Saarländer würden sich daraufhin von der Bundesrepublik abspalten wollen. Dann würde François Hollande betonen, er unterstütze ein Referendum im Saarland.
Wäre das für die Deutschen akzeptabel? Meiner Meinung nach nicht.
So wie alle Deutschen (noch dazu ginge das nur über eine Grundgesetzänderung) über eine Neuordnung des Bundesgebietes entscheiden, haben auch alle Ukrainer über das Schicksal der Krim zu befinden. Eben nicht nur Saarländer oder Krimbewohner.
Ich teile die Haltung der EU – übrigens auch die Ungarns -, weil es mir von den Handlungen Russlands kalt den Rücken runterläuft. Ich fühle mich, als wären wir zurück in Zeiten der UdSSR.
Was die Minderheiten angeht: Ich bin gegen territoriale Abspaltung.
@HV: Ich glaube, Ihr Vergleich hinkt. Der erste Unterschied liegt darin begründet, dass nicht nur in Kiew demonstriert wurde, sondern nach Sturz der Regierung auch auf der Krim selbst. Darüberhinaus kam es zu Spannungen zwischen den Tataren und den Russen, damit ist auch die Gefahr körperlicher Gewalt gegeben. Zweitens wurde das Sprachgesetz gekippt, dies stellt einen Angriff auf die russische Sprache dar und bedroht die russische Bevölkerung langfristig gesehen durch Assimilation (Sie kennen ja die Trends bei den Auslandsungarn seit Trianon, laut Wikipedia ist der Anteil der Russen an der Bevölkerung der Krim bereits rückläufig). Ich gebe durchaus zu, dass ich nicht weis, ob das Aussetzen des Sprachgesetzes auch auf die Krim zutrifft, weil die innerhalb der Ukraine autonom ist. Wäre ich aber Russe auf der Krim, dann würde ich mir durchaus Gedanken machen, ob das nicht nur der Anfang war – als nächstes ist vielleicht der Autonomiestatus dran. Drittens: ich kenne die Bevölkerungszusammensetzung im Saarland nicht (leider fand ich auch auf der Wikipedia keine Angaben), aber ich bezweifle, dass dort derart viele Franzosen leben wie es Russen auf der Krim tun (laut Wikipedia 60%). Nur weil jemand auch französisch spricht, ist er ja nicht gleich Franzose. Viertens: während die Krim durch Chrustschow aufgrund dessen eigenen ethnischen Hintergrundes einfach der Ukraine zugeschlagen wurde, gab es im Saarland bereits eine Volksbefragung entsprechend derer verfahren wurde. Fünftens: das Saarland tut offenbar etwas für Multilingualität, die Ukraine tut das ganz offensichtlich nicht.
Weiterhin finde ich nicht, dass über die Zukunft des Saarlandes auch nicht-Saarländer entscheiden sollten. Weshalb denn? Die leben ja nicht dort. Wenn die Sachsen den Rest Deutschlands satt hätten, dann wäre es durchaus ihr Recht den Bund zu verlassen. Schließlich ist eine Föderation keine Zwangsveranstaltung. Ich hoffe doch, dass Sie nicht annehmen, das Deutschland Ungarn zu einem Verbleib in der EU zwingen könnte, sollte Ungarn doch mal unzufrieden sein – wo kommen wir denn da hin? Würde sich die ethnische Zusammensetzung im Saarland in 50 Jahren geändert haben, hätte ich auch nichts gegen eine Volksabstimmung dort einzuwenden, obgleich die Bundesrepublik sicherlich das moralische Recht hätte sich für die Deutschen dort einzusetzen um etwa einen Autonomiestatus zu vereinbaren.
Ich denke, was Sie unterschätzen ist auch, dass die Mehrheit oder zumindest große Teile der Bevölkerung auf der Krim den Einsatz der Russen wahrscheinlich unterstützt, deswegen lässt sich deren Intervention auch nicht einfach als Okkupation abtun (was wiederum ein Unterschied zu 56 ist).
Was Ihre Ansicht zu territorialen Separatismus angeht, nun, das ist eben Ansichtssache. Nehmen wir an, die Székler beispielsweise würden ihre Autonomie endlich erreichen, wer kann garantieren, dass nach 10 Jahren nicht wieder irgendwer um die Ecke kommt und die Autonomie kippt? Damit wären die Székler wieder ganz am Anfang, alles geht von vorne los. Ich denke, ob Separatismus ja oder nein, das kommt darauf an. Beispielsweise darauf, wie die Autonomie abgesichert werden kann.
Zu Ihrem Vergleich mit 56 möchte ich noch weiter hinzufügen: 56 wurden Menschen getötet, auf der Krim kam es meines Wissens nach noch zu keinen Opfern.
Mich würde übrigens dann doch noch sehr interessieren, wie Sie die Angelegenheit Kosovo beurteilen. Auch da hat eine fremde Macht eingegriffen indem sie Soldaten geschickt hat. Und auch dort wurde separiert. Nur auf der Krim sind es eben die bösen Russen.
Man kann sicherlich darüber streiten, ob die russische Reaktion übertrieben war, das heißt aber nicht, dass die EU und auch Frau Merkel nicht ebenso daneben lagen. Und wie ich schon sagte: wenn die Russen das Problem vielleicht auch hätten anders angehen können, kann ich sie verstehen. Die EU hat bewiesen, dass ihr selbst die eigenen Leute egal sind. Sie schert sich auch nicht um Minderheitenprobleme innerhalb der EU, und sie hätte auch für die Russen auf der Krim nie einen Finger krum gemacht. Und auch der Rest des Westens hätte das so gehandhabt. Die Geschichte lehrt: besonders in Minderheitenfragen hebt der Westen seinen Hintern erst, wenn die Kacke am Dampfen ist – so war es im Kosovo und so war es in Südtirol. Und ich wette: so wird es auch im Széklerland kommen. Worauf hätten die Russen also hoffen sollen? Insofern verstehe ich, dass sie das lieber selber in die Hand nehmen. Selbst wenn die Krim bei der Ukraine verbleibt, können die Russen dann den Westen doch dazu überreden sich zu erheben („Oder sollen wir mal wieder vorbeischauen?“).
Gut, lassen wir das also mal so stehen: Sie sind, wenn ich Sie richtig verstehe, der Auffassung, dass eine ausländische „Schutzmacht“ das Recht hat, schon dann die territoriale Integrität eines Staates (Ukraine) zu verletzen, wenn ein Teil der Bevölkerung eines Teils dieses Staates, etwa eines Verwaltungsbezirk, sich abspalten will? Solche Ansätze haben in Europas Geschichte nur selten Gutes gebracht. Ich sag nur „Böhmen und Mähren“.
Dieser Ansatz stellt m.E. Völkerrecht auf den Kopf. Wir wissen, ehrlich gesagt, nicht einmal, wie groß der Anteil der Krim-Bewohner ist, die der Ukraine den Rücken zuwenden wollen. Daher muss das in der Ukraine entschieden werden, nicht durch Russland und auch nicht durch die EU oder die USA.
Ihr Argument, die Saarländer müssten entscheiden, ob sie in der BRD bleiben, teile ich nicht. Es verkennt wieder das Prinzip der Integrität des Staates und wäre, abgesehen davon, dass es grundgesetzwidrig wäre, auch fatal in den Auswirkungen. Irgenwann kommen die Leute aus Saarlouis daher und wollen eine Autonomie, dann die der Innenstadt von Saarloius, und am Schluss Herr Schulze, der sein Haus abspalten und ddie „freie Republik Schulze“ gründen will…denn in dem lebt ja auch nur er. Wer legt fest, welche Mindestgröße ein abgespaltenes Gebiet haben muss? Doch wohl nicht die Leute, die dort leben, sondern alle Wahlberechtigten des Staates, zu dem das Gebiet gehört. Man sitzt eben als Staatsvolk (nicht zu verwechseln mit Nation) in einem Boot.
Ich bin ein Gegner territorialer Abspaltung (übrigens auch iBa Székelyföld), aber ein Befürworter kultureller und sprachlicher Autonomie. Und ich bin ein erbitterter Gegner von Annexionsbestrebungen.
Ich bin also auch froh, dass Ungarn auf das slowakische Sprachengesetz (Ihre Kritik an der EU-Minderheitenpolitik teile ich in vielen Punkten) nicht mit Panzern reagiert hat. Sondern durch -z.B. – das Angebot der Einbürgerung.
Was den Kosovo angeht, sagen Sie viel richtiges. Man hat damals Separatisten unterstützt. Eventuell haben die zahllosen Massaker in den Jahren zuvor im Zuge der Jugoslawienkriege den Ansatz gestärkt, dass man die Einheit ohnehin nicht mehr retten kann. Und die Serben hatten sich ja nicht den Ruf erworben, mit ihren Gegnern zimperlich umzugehen (Mladic u.a.).
Erlauben Sie mir eine Frage: War der Einmarsch der Sowjets 1956 in Ungarn ein kriegerischer Akt? Ich finde: Ja. Die Sowjets sagen: Nein, wir wollten nur Kriminelle bekämpfen und die illegitime Führung beseitigen. Und in dieser Argumentation gibt es durchaus Parallelen zum hier und jetzt. Es dürfte den ukrainischen Grenztruppen und Soldaten zu verdanken sein, dass sie auf die russischen Soldaten vor den Kasernen nicht gewaltsam reagiert haben: Sonst hätten wir jetzt Krieg.
Doch um zu Ungarn zurück zu kommen: ich finde es gut, dass Orbán Russland kritisiert hat. Und auch betont hat, die ungarische Minderheit sei nicht in Gefahr. Ich nenne das verantwortungsvoll, weil man kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen sollte.
„Wir wissen, ehrlich gesagt, nicht einmal, wie groß der Anteil der Krim-Bewohner ist, die der Ukraine den Rücken zuwenden wollen. Daher muss das in der Ukraine entschieden werden, …“
Eben. Deswegen ist es ja so wichtig auf der Krim ein Referendum durchzuführen. Seien wir ehrlich: hätte Russland nicht interveniert, würde die Bevölkerung diese Gelegenheit dort nicht bekommen. In Punkto Minderheitenpolitik der EU scheinen wir uns ja schließlich einig zu sein.
Was Ihr Argument bezüglich Saarlois angeht, ich glaube nicht, dass das ein realistisches Szenario darstellt. Und selbst wenn: Saarlois für sich allein stellt kaum eine Region für sich dar, anders als die Krim oder das Széklerland. Eben deswegen sind solche Situationen immer Einzelfallentscheidungen, Im Gegensatz zu dem Auftreten von Frau Merkel. Was Ihre Ausführungen zum Grundgesetz angeht, da würde ich sagen es hat eine „Macke“. Eine Zwangsunion kann keine Grundlage für eine Föderation sein. Nicht, dass ich ein Föderationsfan wäre, aber wenn schon, dann denn schon.
Was die Abspaltung einer Region und deren historische Rolle angeht, da gibt es auch Gegenbeispiele, bei denen gerade der Zwang zur Einheit schlechtes verursacht hat. Wäre Abspaltung grundsätzlich und immer falsch, dann hätten wir heute immernoch ein britisches Empire, kein Irland, keine USA und wie sie alle heißen. Dann hätten wir auch keinen unabhängigen Staat Israel. Gleichzeitig fordert der Zwang zu Einheit auch Opfer: Basken und Katalanen beispielsweie. Gut, die haben die Gewalt selber begonnen, aber kein Mensch wird freiwillig gewalttätig (außer Gestörte vielleicht) und riskiert sein Leben für Unabhängigkeit. Mit dieser Herangehensweise wäre Ungarn immernoch Teil des osmanischen Reiches oder der Habsburger. Die Ungarn als Volk würde es vielleicht gar nicht mehr geben. Man kann hier viele aberwitzige Szenarien erdenken, wenn man dieser Ansicht folgt.
Wenn Sie ein Gegner territorialer Abspaltung sind, dann wären Sie auch gegen die Teilung der Tschechoslowakei. Das sind Sie aber sicherlich nicht, was uns wiederum dazu führt: Einzelfallentscheidung bzw. eine Frage der Umstände.
Ihre Auffassung zum Kosovo teile ich eigentlich sogar, eben wegen der Massaker. Fragt sich nur, ob ein eheres Einschreiten (evtl auch gemeinsam mit Russland) einen militärischen Einsatz hätte vermeiden oder zumindest die Opferzahlen reduzieren können. Auch der Kosovo war eben eine Einzelfallentscheidung.
Was 56 angeht, so ignorieren Sie offensichtlich meine Argumente. Natürlich war das ein kriegerischer Akt. Aber ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Situationen ist, dass die Russen diesmal ein Referendum durchführen lassen wollen. Sollte das Referendum gegen die Russen sprechen, stelle ich mich gerne auf Ihre Seite und sage: Ruszkik haza, denn dann wäre es tatsächlich ein rein kriegerischer Akt, der den Willen der Bevölkerung ignoriert.
Was Orbáns Äußerungen angeht: die Ungarn in der Karpatoukraine sind auch nicht in Gefahr. Jedenfalls nicht durch die Russen, eher durch die ukrainische Sprachenpolitik.
hier mal ein interessanter kommentar zur ukraine momentan:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-ukraine-warum-putin-verloren-hat-der-kommentar-a-958597.html
palóc, ich wäre ihnen dankbar, wenn darauf nicht seitenlange ergüsse ihrerseits folgten. ich spreche ihnen das verständnis für die tragweite und mögliche bedeutung der ereignisse ab.
Europa hat den Bruch des Abkommens vom 21. Februar 2014 akzeptiert und hat die nicht wirklich legitimierte Regierung anerkannt. Ohne Russland wird man keine gemeinsame Lösung
finden!!! Nun haben wir den Salat. Die extrem teuren Brüsselaner Gierlappen sind wirklich blöder als Europa akzeptieren kann. Politiker wie Klaus von Dohnányi sehen es anders als der Mainstream. Hut ab vor ihm. Wenigstens einer kapiert, dass man auch mal eine andere Brille aufsetzen muss.
Wie sehr die Medienfresse daneben liegen kann, war auch schon spürbar, als sie 2006 Gyurcsánys Wahlbetrug erst nicht erkannte – und dann runterspielte, obwohl dieser in seiner „geheimen“ Lügenrede zugegeben hatte, EU und die ungarischen Bürger betrogen zu haben.
Ob der Speigel mit seinem obigen Beitrag recht hat, wie kultur.krampf annimmt, wage ich zu bezweifeln. Selbstsicherheit ist von westlicher Seite nicht angemessen und gefährlich.