
Nein, dieser Beitrag hat nicht das Ziel, die Einheit Rumäniens in Zweifel zu ziehen. Er soll auch nicht dafür eintreten, Ungarn in den Grenzen vor dem Frieden von Trianon zu bewerben.
Es geht um Solidarität. Um Solidarität mit der – nach den Katalanen – größten regionalen Minderheit in Europa, den Széklern.
Die Székler, eine ungarischsprachige Minderheit in Rumänien, bevölkern in einer Zahl von ca. 700.000 Personen das Széklerland und bilden in diesem Siedlungsgebiet die Bevölkerungsmehrheit (in einzelnen Teilen liegt der Bevölkerungsanteil noch höher, im Kreis Harghita z.B. bei über 80%). Ihr Verhältnis zum übrigen Rumänien ist nicht immer frei von Konflikten. Und das liegt nicht nur an dem in Harghita ansässigen Eishockeyclub HSC Csíkszereda (rum.: Miercurea Ciuc), der seit 2007 ununterbrochen rumänischer Meister geworden ist und dabei regelmäßig Wutanfälle und rassistische Ausfälle des Erzfeindes Bukarest ans Tageslicht fördert. Und dabei ein wenig an Asterix erinnert. Auch die Bestrebungen der Székler, die ungarische Sprache zu verwenden und der Wunsch nach Autonomie, sorgt für Unmut in den politischen Kreisen Rumäniens, die für eine „nationale Einheit“ ohne Wahrnehmung der Belange von ethnischen Minderheiten eintritt.
Anlass der jüngsten Querelen ist die Verfügung zweier rumänischer Gebietsverwaltungen, die den Széklern das Hissen der „Széklerflagge“ an öffentlichen Gebäuden untersagt. Und das, obwohl erst kürzlich gerichtlich festgestellt worden war, dass das Hissen der Flagge erlaubt sei. Diese, allein die Széklerfahne betreffende Verfügung rief sogar das ungarische Außenamt auf den Plan und dazu, von „symbolischer Aggression“ zu sprechen. Rumänien wiederum verbat sich jede Einmischung.
Voilà, da ist er wieder, der rumänisch-ungarische Konflikt. Die Frage nach der Ursache und der Verantwortung kann ewig gestellt, und – je nach Standpunkt – schier beliebig beantwortet werden. Zumeist hört man von den provozierenden, nationalistischen Separatisten, den mittelosteuropäischen „Neandertalern“. Das Bild des ungarischen oder wenigstens ungarisch sprechenden Unruhestifters in MOE hat sich im kollektiven Gedächtnis der Zeitungsleser längst manifestiert. Dass es sich bei den Széklern aber um eine Minderheit handelt, die um ihre Rechte kämpft und zum Teil durchaus richtige Ansätze von Autonomie vertritt, wird fast kategorisch ausgeblendet. Und leider fehlt hier, obgleich es doch um eine Minderheit geht, die europäische Empörung und Solidarität völlig.
Ich hingegen vertrete die Auffassung, dass man, wenn man für Minderheiten eintritt, das auch hier tun sollte. Sympathische Katalanen, hilfsbedürftige Zigeuner, aber böse Székler? Nein. Und so ist das Hissen der Széklerfahne kein Zeichen von Missachtung gegenüber Rumänien. Es ist vielmehr ein Zeichen der Identität einer Minderheit. Ein Zeichen, das vor dem Hintergrund der historischen Befindlichkeiten in Mittelosteuropa respektiert werden sollte. Darum „hisse“ ich – auf Anregung eines Lesers – diese Flagge gerne als Zeichen der Solidarität. So wie es der bekannte rumänische Fernsehreporter Lucian Madruta vor wenigen Tagen tat. Der sagte schon im Dezember: „Rumänien ist nur mit seinen nationalen Minderheiten vollständig!“ Man könnte auch sagen: eine Einheit. So wie auch Europa nur dann vollständig ist, wenn man alle Teile zusammenfügt. Und dabei keinen Einheitsbrei produziert, sondern eine Mixtur aus unterschiedlichsten Zutaten kombiniert.
