Cicero-Autor Peter Knobloch über Orbán, den „Rattenfänger von Budapest“

Cicero, das Magazin für politische Kultur, befasst sich in seiner aktuellen Ausgabe mit Ungarn. Peter Knobloch beschreibt in seinem betont Fidesz-kritischen Artikel Viktor Orbán als Rechtspopulisten und – wenig schmeichelhaft – als „Rattenfänger“.

http://www.cicero.de/97.php?item=6349

Dem Artikel von Knobloch ist zuzugestehen, dass er die Ursachen für den Erfolg von Viktor Orbán, die mit dem Totalversagen der sozialistischen und liberalen Politik der vergangenen Jahre, aber auch mit der Person Ferenc Gyurcsány zusammenhängen, sucht. Dieser Blick über die Verantwortung der politischen Linken wird sonst nur in Nebensätzen erwähnt, was es schwer macht, das volle Ausmaß der Mitverantwortung der Linken für die Situation in Ungarn und die Ursachen des Wahlerfolges von Orbáns rechtskonservativer Partei zu erkennen. Hier verdient der Autor gewissen Respekt für seinen Versuch, den Lesern diese Ursachen näher zu bringen. Zugleich konstatiert Knobloch zutreffend, dass die Sozialisten bis heute kein tagfähiges Rezept haben, um sich der Sorgen der Menschen anzunehmen. Die Partei steht stattdessen intern vor einer Zerreißprobe und definiert sich seit 2010 allein anhand des Hasses auf Orbán. Das im vergangenen Jahr abgegebene – bisweilen geradezu jämmerliche und verzweifelte – Bild dürfte für eine ernst zu nehmende politische Rolle in Ungarn zu wenig sein. Ganz zu schweigen von einer Rolle als politische Alternative.

Werbung

Interview mit Anton Pelinka in „Cicero“

Prof. Anton Pelinka, Dozent an der „Central European University“ und Experte für Nationalismusstudien, wurde in der aktuellen „Cicero“ zum Thema Ungarn interviewt:

http://www.cicero.de/97.php?item=5753

Es wird zunächst die bereits bekannte Kritik am Mediengesetz geübt. Mittlerweile wird auf die Behauptung, Verstöße gegen das Gebot ausgewogener Berichterstattung führten zu Geldbußen, verzichtet, stattdessen wird – ohne Gesetzesbezug – von „gewissen Kriterien“ gesprochen. Freilich  enthält auch § 49 des deutschen Rundfunkstaatsvertrag Bußen bis zu 500.000 EUR, wenn die Sender „gewisse Kriterien“ nicht erfüllen.

Die Berichterstattung von Georg Paul Hefty (FAZ), der das Mediengesetz (nur) im Hinblick auf das Verbot von Berichterstattung mit z.B. rassistischen und minderheitenfeindlichen Inhalten verteidigt hat, hält Pelinka für eine „bodenlose Verdrehung der Realität“. Orbán sei selbst für die Radikalisierung im Land verantwortlich. Er habe die Politik auf die Straße getragen. Fragen und Antworten zur Verantwortung der Vorgängerregierung sucht man vergeblich.

Was die Verleihung der ungarischen Staatsbürgerschaft an „ethnische Ungarn“ angeht, kritisiert Pelinka vor allem, es führe zu der EU-rechtlich problematischen Verleihung der EU-Bürgerschaft an Menschen außerhalb der Union. Allerdings geht Pelinka nicht darauf ein, dass es einen seit 2007 existierenden Präzedenzfall gibt: Rumänien tut das selbe mit Bürgern Moldawiens. Aus Sicht der „betroffenen“ Länder von Problemen zu sprechen, ist ungenau: Zum einen kann weltweit jeder Nachkomme ungarischer Staatsbürger, der ungarisch spricht und sich zum Land bekennt (letzteres ist wie bei Erwerb der Staatsbürgerschaft die Regel), die Staatsangehörigkeit erwerben. Es geht nicht allein um die Nachbarländer. Überaus scharfe Kritik am neuen Gesetz hatte lediglich die Slowakei geübt, die damals unter der sozialistisch-nationalistischen Regierung Fico/Slota ein Sprachengesetz verabschiedet hatte, das den Gebrauch der ungarischen Sprache im öffentlichen Bereich (Behörden, Krankenhäuser) mit bis zu EUR 5.000 Geldbuße belegte.

Eine dezidierte Kritik oder auch nur Erwähnung der Fehler der sozialistischen Regierungen 2002-2010 fehlt. Somit bleiben den Lesern auch maßgebliche Gründe für den Wahlsieg des Bundes Junger Demokraten (Fidesz) verborgen. Der Vorwurf Pelinkas, es herrsche ein gefährliches schwarz-weiß-Denken, fällt insoweit zum Teil auf ihn zurück. Politische Fehler gab und gibt es auf beiden Seiten. Pelinka und die Interviewerin präsentieren uns erneut nur die vermeintlich „politisch korrekte“ oder schlimmer: dem oppositionellen Lager in Ungarn „genehme“.