Ungarn hat angekündigt, gegen die Quote zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu erheben. Das Land wird hierbei unterstützt von den Visegrad-Staaten. Slowakei erwägt laut Deutschlandfunk eine eigene Klage.
EuGH
EuGH: Vertragsverletzung Ungarns durch vorzeitige Abberufung des Datenschutzbeauftragten
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 8. April 2014 festgestellt, dass Ungarn dadurch, dass es das Mandat der Kontrollstelle für den Schutz personenbezogener Daten zum 31.12.2011 vorzeitig beendet hat, gegen seine Verpflichtungen aus der Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281, S. 31).
Die Pressemitteilung im vollständigen Wortlaut (deutsch, ungarisch):
Durch die vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Datenschutzbeauftragten hat Ungarn gegen das Unionsrecht verstoßen
Die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie die Dauer des diesen Behörden übertragenen Mandats beachten
Nach der Richtlinie über den Schutz personenbezogener Daten1 müssen die Mitgliedstaaten eine oder mehrere Stellen benennen, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinienbestimmungen in ihrem Hoheitsgebiet zuständig sind. Diese Stellen müssen ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen.
In Ungarn war bis 2012 der Datenschutzbeauftragte für die Aufgaben zuständig, die den genannten Kontrollstellen durch die Richtlinie übertragen worden sind. Am 29. September 2008 wurde Herr András Jóri für die Dauer von sechs Jahren zum Datenschutzbeauftragten ernannt. Das ungarische Parlament beschloss jedoch mit Wirkung vom 1. Januar 2012, das System des Datenschutzes zu ändern und anstelle des Amtes des Datenschutzbeauftragten eine nationale Behörde für Datenschutz und Informationsfreiheit zu errichten. Daher musste Herr Jóri vor Ablauf der Amtszeit aus seinem Amt ausscheiden und seine Position Herrn Attila Péterfalvi überlassen, der für einen Zeitraum von neun Jahren zum Präsidenten der neuen Behörde ernannt wurde.
Da die Kommission der Auffassung war, dass die vorzeitige Beendigung der Amtszeit von Herrn Jóri gegen die Richtlinie verstoße (da diese nämlich verlange, dass die Unabhängigkeit der für den Schutz personenbezogener Daten zuständigen Stellen beachtet werde), hat sie beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Ungarn erhoben. Der Europäische Datenschutzbeauftragte ist dem Verfahren zur Unterstützung der Kommission beigetreten.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass die nach der Richtlinie geschaffenen Kontrollstellen ihre Aufgaben ohne jede äußere Einflussnahme wahrnehmen können müssen. Dieses Erfordernis setzt zum einen voraus, dass sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an keine Weisung gebunden sind, und zum anderen, dass ihre Entscheidungen ohne jede politische Einflussnahme getroffen werden, wobei schon die bloße Gefahr einer solchen Einflussnahme auszuschließen ist. Dürfte aber ein Mitgliedstaat das Mandat einer Kontrollstelle vor dessen Ablauf beenden, ohne die von den anwendbaren Rechtsvorschriften2 zu diesem Zweck im Voraus festgelegten Grundsätze und Garantien zu beachten, könnte diese dazu verleitet werden, dem Willen der politisch Verantwortlichen zu folgen. Daher umfasst die Unabhängigkeit der Kontrollstelle notwendigerweise die Verpflichtung, die Dauer des ihr übertragenen Mandats zu beachten und es nur unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften zu beenden.
Diese Auslegung wird auch durch die Vorschriften über die Beendigung der Amtszeit des Europäischen Datenschutzbeauftragten bestätigt. Dessen Amtszeit kann nämlich nur aus schwerwiegenden und objektiv nachprüfbaren Gründen vorzeitig enden. Der Gerichtshof stellt hierzu fest, dass auch das in Ungarn vor dem 1. Januar 2012 geltende Recht solche Gründe vorsah, um eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Datenschutzbeauftragten zu rechtfertigen. Er weist jedoch darauf hin, dass die Amtszeit von Herrn Jóri nicht aus einem solchen Grund beendet wurde.
Unter diesen Umständen entscheidet der Gerichtshof, dass Ungarn dadurch, dass es das Mandat der Kontrollstelle für den Schutz personenbezogener Daten vorzeitig beendet hat, gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen hat.
Das Urteil entspricht den Schlussanträgen des Generalanwaltes Wathelet (HV berichtete), denen sich der Gerichtshof – ohne hieran gebunden zu sein – in etwa 80% der Fälle anschließt.
Fremdwährungsdarlehen: Generalanwalt beim EuGH legt Schlussanträge vor
Im vom Ungarischen Obersten Gericht (Kurie) initiierten Vorabentscheidungsverfahren zum Europäischen Gerichtshof im Rechtsstreit des Ehepaars Kásler gegen die ungarische OTP Hypothekenkreditbank hat Generalanwalt Nils Wahl seine Schlussanträge gestellt. Der Fall betrifft grundlegende Fragen der Vereinbarkeit von Devisenkrediten mit EU-Recht.
http://curia.europa.eu/juris/celex.jsf?celex=62013CC0026&lang1=de&type=NOT&ancre=
Nach der Ansichts Wahls kann im Fall eines Darlehens, das auf eine ausländische Währung lautet, in Wirklichkeit jedoch in inländischer Währung gewährt wurde und vom Verbraucher ausschließlich in inländischer Währung zurückzuzahlen ist, die nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel über die Festlegung des Wechselkurses als zum Hauptgegenstand des Vertrags gehörend angesehen werden, wenn sich aus dem Vertrag klar ergibt, dass diese Klausel einen wesentlichen Parameter des Vertrags bildet. Dagegen kann der Unterschied zwischen dem Ankaufs- und dem Verkaufskurs der Devise nicht als ein Entgelt angesehen werden, dessen angemessenes Verhältnis zu den Dienstleistungen nicht unter dem Gesichtspunkt der Missbräuchlichkeit überprüft werden dürfte.
Ferner hat das angerufene nationale Gericht die dort genannten Vertragsklauseln, wenn diese nicht klar und verständlich abgefasst sind, auf der Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden nationalen Rechts zu prüfen. Die Prüfung der Klarheit und Verständlichkeit der Vertragsklauseln muss alle Umstände des Einzelfalls und insbesondere die dem Verbraucher beim Vertragsschluss zur Kenntnis gebrachten Informationen einbeziehen und sich über den strikt formellen und sprachlichen Aspekt hinaus auf die genaue Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen dieser Klauseln und die etwaigen Zusammenhänge zwischen diesen erstrecken.
Kann das nationale Gericht der Ungültigkeit einer verwendeten missbräuchlichen Vertragsklausel gegenüber dem Verbraucher nicht abhelfen, so ist es durch nichts daran gehindert, eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts anzuwenden, die geeignet ist, die unwirksame Klausel zu ersetzen, sofern nach den Regelungen des nationalen Rechts der Vertrag nach dem Wegfall der missbräuchlichen Klausel fortbestehen kann.
Die Schlussanträge des Generalanwaltes sind Empfehlungen und als solche für den Gerichtshof nicht bindend. Der EuGH folgt dem Generalanwalt jedoch in rund 80% der Fälle.
Generalanwalt beim EuGH: Vorzeitige Abberufung des Datenschutzbeauftragten verstößt gegen EU-Recht
Im laufenden Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn zur Frage der Vereinbarkeit der vorzeitigen Abberufung des ehemaligen ungarischen Datenschutzbeauftragten András Jóri (Rs. C-288/12) wurden gestern die Schlussanträge des Generalanwalts vorgestellt. Generalanwalt Melchior Wathelet beantragte die Feststellung, dass Ungarn durch die vorzeitige Abberufung Jóris gegen EU-Recht verstoßen habe.
Wathelet vertritt um Kern die Auffassung, jeder Mitgliedstaat habe zwar das Recht, bei Wahrung institutioneller Unabhängigkeit die Datenschutzbehörde nach ihren Vorstellungen auszugestalten. Es verletze jedoch deren Unabhängigkeit, wenn ein bereits berufener Datenschutzbeauftragter vorzeitig abberufen werde. Dies stehe mit der Richtlinie 95/46/EG nicht in Einklang.
Ungarn hatte die vorzeitige Abberufung des ursprünglich bis September 2014 laufenden Mandats mit der verfassungsrechtlich vorgesehenen Umstrukturierung der Datenschutzbehörde begründet. Jóris Amtszeit endete zum 31.12.2011.
Die Schlussanträge binden den Gerichtshof nicht. Er folgt ihnen jedoch in rund 80% der Fälle.
Schlussanträge auf deutsch hier abrufbar.
Schlussanträge auf ungarisch hier abrufbar.
Generalanwältin beim EuGH: Ungarische Sondersteuern für Einzelhandelsunternehmen nicht diskriminierend
Generalanwältin Juliane Kokott hat in ihren Schlussanträgen zur Rechtssache Hervis (Rs. C-385/12) die Auffassung vertreten, dass die ungarischen Krisen-Sondersteuern für Einzelhandelsunternehmen nicht gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Kokott erachtet jedoch einen Verstoß gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie für möglich.
Die Schlussanträge sind für den Gerichtshof nicht bindend. In seiner Entscheidungspraxis folgt er den Empfehlungen jedoch in etwa 80% der Rechtssachen.
Die Pressemeldung des EuGH (Nr. 98/13) im Wortlaut:
„Generalanwältin Kokott erkennt in der ungarischen Sondersteuer für den Einzelhandel keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen
Möglicherweise verstoße die Sondersteuer jedoch gegen das Mehrwertsteuerrecht der EU
Zur Deckung des wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhten Finanzbedarfs hat Ungarn im Jahr 2010 eine Steuer auf bestimmte Einzelhandelstätigkeiten eingeführt. Diese Sondersteuer bemisst sich nach dem Jahresumsatz des Einzelhändlers und fällt ab einem Umsatzvolumen von über 500 Mio. HUF (ca. 1,7 Mio. Euro) an. Der progressiv gestaltete Steuersatz beträgt 0,1 %, 0,4 % oder, ab einem Umsatz von 100 Mrd. HUF (ca. 336 Mio. Euro), 2,5 %. Bei verbundenen Unternehmen, d.h. bei Unternehmen, bei denen das eine beherrschenden Einfluss auf das andere ausübt, richtet sich der Steuersatz nicht nach dem Jahresumsatz des einzelnen Unternehmens, sondern sämtlicher verbundener Unternehmen. Die Steuerschuld des einzelnen Unternehmens ergibt sich sodann entsprechend seinem Anteil am Gesamtumsatz.
Der ungarische Sportartikelhändler Hervis hält diese Steuer für unionsrechtswidrig, weil diskriminierend, und hat daher Klage vor einem ungarischen Gericht erhoben. Er gehört zu einem österreichischen Konzern, der in Ungarn auch im Lebensmittelhandel tätig ist. Da bei der Berechnung seiner Steuerschuld sämtliche Konzernumsätze in Ungarn berücksichtigt wurden, ergab sich für Hervis ein erheblich höherer Steuersatz als wenn nur seine eigenen Umsätze berücksichtigt worden wären. Hervis macht geltend, dass im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels hauptsächlich Unternehmen in ausländischer Hand von einer solchen Zusammenrechnung betroffen seien. Während diese nämlich als Konzern organisiert seien, bedienten sich ungarische Inhaber des Franchise-Modells, bei dem allein der Umsatz jedes einzelnen Franchisenehmers maßgeblich sei. Das ungarische Gericht hat den Gerichthof vor diesem Hintergrund nach der Vereinbarkeit der Sondersteuer mit dem Unionsrecht befragt.
Generalanwältin Juliane Kokott vertritt in ihren Schlussanträgen vom heutigen Tag die Ansicht, dass die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit, einer Steuer wie der ungarischen Sondersteuer nicht entgegenstehen.
Die Konzernmutter von Hervis werde ‒ soweit sich das nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben beurteilen lasse ‒ durch die Erhebung der Sondersteuer in ihrer freien Niederlassung in Ungarn nicht in verbotener Weise beschränkt. Die Regelungen zur ungarischen Sondersteuer enthielten nämlich keine Bestimmung, die Gesellschaften aufgrund ihres ausländischen Sitzes im Hinblick auf ihre Niederlassungsfreiheit offen oder versteckt diskriminiere.
So lasse das für die Besteuerung herangezogene Kriterium der Umsatzhöhe keine versteckte Ungleichbehandlung Gebietsansässiger und Gebietsfremder erkennen. Es sei nämlich nicht evident und nach den vorliegenden Angaben auch nicht ersichtlich, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle Einzelhandelsunternehmen mit hohen Umsätzen von Gebietsfremden und solche mit niedrigen Umsätzen von Gebietsansässigen betrieben würden.
Auch das Unterscheidungskriterium der verbundenen Unternehmen, wonach Umsätze anderer Konzerngesellschaften berücksichtigt würden, während die Einbindung in ein Franchisesystem irrelevant sei, könne nicht zur Annahme einer versteckten Diskriminierung führen. Es könne dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine versteckte Ungleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Unternehmen vorliege, weil womöglich die Einbindung eines Einzelhandelsunternehmens in eine Konzernstruktur in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einem gebietsfremden Sitz seiner Muttergesellschaft verbunden sei. Jedenfalls befänden sich nämlich nach dem Maßstab der Bemessung der ungarischen Sondersteuer nach dem Umsatz Einzelhandelsunternehmen, die einem Franchisesystem angeschlossen seien, und solche, die in eine Konzernstruktur eingebunden seien, nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation.
Schließlich führe auch das Unterscheidungskriterium der Vertriebsstufe des Umsatzes, d.h. die Besteuerung nur der letzten Vertriebsstufe, nicht zur Annahme einer versteckten Diskriminierung. Auch hier könne dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine versteckte Ungleichbehandlung Gebietsfremder gegenüber Gebietsansässigen vorliege, weil womöglich Erstere in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle in Ungarn mit einem Filialsystem agierten, während Letztere als Franchisegeber ein Franchisesystem betrieben. Jedenfalls fehle es nämlich im Hinblick auf die ungarische Regelung an der Vergleichbarkeit der Lage von Unternehmen, die ein Filialsystem betrieben, und Franchisegebern.
Nach Ansicht der Generalanwältin steht auch das unionsrechtliche Verbot der steuerlichen Diskriminierung von Waren, wonach ein Mitgliedstaat auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben erheben darf als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, der ungarischen Sondersteuer nicht entgegen. Es sei nämlich nicht erkennbar, dass durch die Sondersteuer Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker belastet würden als inländische Waren.
Generalanwältin Kokott weist jedoch darauf hin, dass die ungarische Sondersteuer möglicherweise gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie1 verstoße. Danach sei es den Mitgliedstaaten nämlich verboten, Steuern mit Umsatzsteuercharakter zu erheben. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung richte sich dieses Verbot nicht nur gegen nationale Steuern, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufwiesen, sondern gegen alle nationalen Steuern, die die wesentlichen Merkmale einer Umsatzsteuer aufwiesen und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigten, indem sie die Wettbewerbsbedingungen auf nationaler Ebene oder auf Unionsebene verfälschten. Die ungarische Sondersteuer erfülle jedenfalls das eigentlich wesensgebende Merkmal einer Umsatzsteuer, nämlich die Bemessung nach dem Preis, selbst wenn sie nach dem Gesamtumsatz eines Jahres bemessen werde. Auch verfälsche sie die Wettbewerbsbedingungen auf nationaler Ebene. Ob die Steuer aber auch allgemein erhoben werde, lasse sich anhand der vorliegenden Informationen nicht beurteilen. Letztlich habe daher das ungarische Gericht zu prüfen, ob die Sondersteuer mit der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sei.“
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2013-09/cp130098de.pdf
Pressemitteilung auf ungarisch: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2013-09/cp130098hu.pdf
Orbán antwortet Barroso
Wie das Nachrichtenportal atv.hu unter Bezugnahme auf die staatliche Agentur MTI berchtet, hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán auf den Brief von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso geantwortet, in dem Barroso Bedenken im Bezug auf die Vereinbarkeit einzelner Regelungen der 4. Grundgesetznovelle geäußert hatte.
Der MTI zufolge versicherte Orbán Barroso die volle Kooperation der ungarischen Regierung, um die Besorgnisse auszuräumen.
Sobald der Brief im Wortlaut verfügbar ist, werde ich ihn hier veröffentlichen.
http://atv.hu/belfold/20130412_barroso_kritika_ime_orban_valasza
Format.at: Ungarn als „gefundenes Fressen für Kläger“
Die österreichische Wochenzeitung Format über die umstrittene Wirtschaftspolitik der ungarischen Regierung.
http://www.format.at/articles/1312/525/355277/ungarn-fressen-klaeger
Die Zeitschrift berichtet über Klagen gegen Ungarn und deren Erfolgsaussichten.
Orbán: EU-Richterspruch zur Richterpensionierung gleicht „Tritt gegen einen toten Hund“
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán beantwortet den Luxemburger Richterspruch von gestern, in dem die Zwangspensionierung ungarischer Richter als unverhältnismäßige Altersdiskriminierung und damit als Verstoß gegen EU-Recht bezeichnet wurde, mit Spott. Der Richterspruch gleiche einem „Tritt gegen einen toten Hund“. Hintergrund für die Aussage Orbáns ist der Umstand, dass das ungarische Verfassungsgericht die Regelung bereits vor einigen Monaten für nichtig erklärt hatte. Orbán sprach davon, dass der EuGH ein Urteil über eine Rechtsnorm gefällt habe, die es nicht gebe.
Diese Beurteilung ist freilich juristisch unzutreffend. Der EuGH entscheidet über die Frage, ob Maßnahmen der Mitgliedstaaten EU-Recht verletzen, die Aufhebung von
Gesetzen steht ihm nicht zu. Ist eine Maßnahme – hier: Richterpensionierung – in ihren Wirkungen noch präsent (was im Hinblick auf die noch ausstehende Wiederbeschäftigung der verrenteten Richter der Fall ist), besteht sie fort und kann in jedem Fall Prüfungsgegenstand vor dem EuGH sein, der Rechtsstreit hat sich nicht erledigt. Darüber hinaus ist die Vertragsverletzungsklage eine Feststellungsklage, die selbst bei Rückgängigmachung der gerügten Maßnahmen aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig wäre.
Die Verärgerung Orbáns ist letztlich – geht man von seinem Standpunkt aus – menschlich verständlich: Die Justizreform war eine der wichtigen Handlungen der Regierung, ihr Scheitern ist allein der fehlenden Professionalität (v.a. dem Fehlen von Übergangsfristen) geschuldet und fällt unmittelbar auf Orbán zurück. Zu Recht, denn das Scheitern vor dem Verfassungsgericht und die Rüge des EuGH war absehbar.
Anstatt in Abwehrreflexe zu verfallen, sollten Fehler wie diese künftig vermieden werden. Ein gesundes Maß an Bescheidenheit wäre hierbei gewiss hilfreich.
Verweigerung der Einreise des ungarischen Staatspräsidenten: Vertragsverletzungsklage Ungarns gegen die Slowakei abgewiesen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute eine Vertragsverletzungsklage Ungarns gegen die Slowakei abgewiesen. Ungarn hatte das Nachbarland verklagt, weil es der Auffassung war, dass die Slowakei dem damaligen ungarischen Staatspräsidenten László Sólyom am 21. August 2009 zu Unrecht die Einreise verweigert hatte. Budapest sah darin einen Verstoß gegen das Schengen-Abkommen.
Die Slowakei hatte die Einreise aus Gründen der „öffentlichen Sicherheit“ verweigert. Sólyom wollte – nach seinen Aussagen als Privatperson – an der Einweihung einer Statue (Abbild des ungarischen Staatsgründers Stephan I.) in das slowakische Komarno reisen. In der Region Komárno (ung. Komárom) lebt eine große ungarische Minderheit.
Der Gerichtshof vertritt die Ansicht, dass einem Staatsoberhaupt die Freizügigkeitsrechte nach dem Abkommen nicht zustünden. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Völkerrechts, das z.B. einem Staat die Pflicht auferlege, ausländische Staatsoberhäupter unter besonderen Schutz zu stellen – dies gelte unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage der Besuch erfolge. Das Völkerrecht gehe insoweit dem Schengen-Abkommen vor.
Der EuGH wörtlich:
„Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass das Unionsrecht im Lichte der einschlägigen Regeln des Völkerrechts auszulegen ist, das Bestandteil der Rechtsordnung der Union und somit für deren Organe bindend ist. In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass das Staatsoberhaupt auf der Grundlage der Regeln des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts und multilateraler Abkommen in den internationalen Beziehungen einen besonderen Status genießt, der insbesondere Vorrechte und Schutzrechte umfasst. So verpflichtet die Anwesenheit eines Staatsoberhaupts im Hoheitsgebiet eines fremden Staates diesen dazu, den Schutz der Person zu gewährleisten, die dieses Amt bekleidet, unabhängig von der Rechtsgrundlage seines Aufenthalts.
Der Status des Staatsoberhaupts weist somit eine Besonderheit auf, die sich aus seiner Regelung im Völkerrecht ergibt, so dass Handlungen des Staatsoberhaupts auf internationaler Ebene, wie sein Aufenthalt im Ausland, diesem Recht und insbesondere dem Recht der diplomatischen Beziehungen unterliegen. Eine derartige Besonderheit ist geeignet, die Person, die diesen Status genießt, von allen anderen Unionsbürgern abzugrenzen, so dass die Einreise dieser Person in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nicht denselben Voraussetzungen unterliegt, die für die anderen Bürger gelten.“
Das Gericht folgte damit der Empfehlung des Generalanwaltes.
Die Pressemitteilung im Wortlaut:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-10/cp120131de.pdf (deutsch)
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-10/cp120131hu.pdf (ungarisch)
Generalanwalt beim EuGH: Einreiseverot für den ungarischen Staatspräsidenten Sólyom im Jahr 2009 verstieß nicht gegen EU-Recht
Der zuständige Generalanwalt beim EuGH, Yves Bot, hat dem Gerichtshof in dem von Ungarn gegen die slowakische Republik eingeleiteten Vertragsverletzungserfahren (Rs. C-364/10) wegen des im Jahr 2009 gegen den ungarischen Staatspräsidenten László Sólyom verhängten Einreiseverbots vorgeschlagen, die Klage Ungarns abzuweisen. Ungarn beantragt die Feststellung, dass die Slowakei durch das Einreiseverbot gegen EU-Recht versoßen hat. Der Gerichtshof folgt in vier von fünf Fällen den Vorschlägen der Generalanwälte – obgleich sie unverbindlich sind.
Der damalige Staatspräsident Ungarns wollte im August 2009 in der Südslowakei an einer Feierlichkeit der ungarischen Minderheit teilnehmen. Die Slowakei verweigerte ihm jedoch die Einreise.
Nach der Aufassung Bots fällt die Einreise von Staatsoberhäuptern unter das Recht der diplomatichen Beziehungen, die europarechtliche Freizügigkeit (auch das Schengen-Abkommen) gelte hier nicht.
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-03/cp120021de.pdf
Der Fall ist insoweit außergewöhnlich, als Vertragsverletzungsverfahren eines Mitgliedstaates gegen einen anderen eine kaum praktizierte Ausnahme darstellen (wegen des „diplomatischen Friedens“). Üblicher Weise wird die EU-Kommission tätig.
Das Verhältnis zwischen Ungarn und der Slowakei ist seit Jahren angespannt.