Devisenkredite: Ungarn als Vorbild?

Nach der jüngsten drastischen Aufwertung des Schweizer Franken scheint die Politik Ungarns, die das Ziel verfolgt, die Schuldenlast privater Haushalte in Fremdwährung in Landeswährung umzuschulden, gegebenenfalls Nachahmer zu finden. Die FAZ widmet sich dem Thema:

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/nach-der-franken-freigabe-ist-ungarn-ploetzlich-ein-vorbild-13385326.html

Werbung

Schweizer Franken: Bloomberg attestiert der Ungarischen Regierung, das „weltbeste“ Geschäft gemacht zu haben

Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat in der vergangenen Woche die Politik der Schwächung der eigenen Landeswährung (CHF) aufgegeben und damit ein Beben am Devisenmarkt ausgelöst.

2015/01/img_0756.png

Grund des Politikwechsels der SNB sind u.a. die zu erwartenden massiven Eingriffe der Europischen Zentralbank auf dem Anleihemarkt im Rahmen von sog. „Outright Monetary Transactions“. Sie sollen den Markt mit Liquidität fluten und den Konsum ankurbeln, zugleich ist mit steigenden Anleihekursen (d.h. fallenden Zinsen) und einer dauerhaften schwachen Gemeinschaftswährung) zu rechnen. Nach einem Votum des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines vom Bundesverfassungsgericht initiierten Vorabentscheidungsverfahrens rechnet der Markt damit, dass Luxemburg (und im Anschluss Karlsruhe) die geplanten Markteingriffe der EZB (im Marktjargon „Dicke Berta“) in Höhe von 60 Mrd. Euro pro Kalendermonat bis September 2016 durchwinken wird. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ist damit allerdings noch nicht absehbar.

Die Entscheidung der SNB führte – innerhalb eines Tages – zu einem Anstieg des Franken gehen über dem Euro um etwa 20%.

Nun hat Bloomberg die ungarische Regierung für ihr „Timing“, zu einer Bereinigung der Franken-Kredite in Ungarn zu gelangen und die Banken in Verantwortung zu nehmen, gelobt. Durch den im Herbst 2014 beschlossenen Zwangsumtausch hat die Regierung Orbán – so Bloomberg – verhindert, dass die Devisenverbindlichkeiten privater Haushalte auf einen Schlag um 700 Mrd. Forint nach oben schnellen.

http://www.bloomberg.com/news/2015-01-16/hungary-s-orban-makes-world-s-best-trade-on-swiss-franc-loans.html

Fremdwährungsdarlehen: Generalanwalt beim EuGH legt Schlussanträge vor

Im vom Ungarischen Obersten Gericht (Kurie) initiierten Vorabentscheidungsverfahren zum Europäischen Gerichtshof im Rechtsstreit des Ehepaars Kásler gegen die ungarische OTP Hypothekenkreditbank hat Generalanwalt Nils Wahl seine Schlussanträge gestellt. Der Fall betrifft grundlegende Fragen der Vereinbarkeit von Devisenkrediten mit EU-Recht.

http://curia.europa.eu/juris/celex.jsf?celex=62013CC0026&lang1=de&type=NOT&ancre=

Nach der Ansichts Wahls kann im Fall eines Darlehens, das auf eine ausländische Währung lautet, in Wirklichkeit jedoch in inländischer Währung gewährt wurde und vom Verbraucher ausschließlich in inländischer Währung zurückzuzahlen ist, die nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel über die Festlegung des Wechselkurses als zum Hauptgegenstand des Vertrags gehörend angesehen werden, wenn sich aus dem Vertrag klar ergibt, dass diese Klausel einen wesentlichen Parameter des Vertrags bildet. Dagegen kann der Unterschied zwischen dem Ankaufs- und dem Verkaufskurs der Devise nicht als ein Entgelt angesehen werden, dessen angemessenes Verhältnis zu den Dienstleistungen nicht unter dem Gesichtspunkt der Missbräuchlichkeit überprüft werden dürfte.

Ferner hat das angerufene nationale Gericht die dort genannten Vertragsklauseln, wenn diese nicht klar und verständlich abgefasst sind, auf der Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden nationalen Rechts zu prüfen. Die Prüfung der Klarheit und Verständlichkeit der Vertragsklauseln muss alle Umstände des Einzelfalls und insbesondere die dem Verbraucher beim Vertragsschluss zur Kenntnis gebrachten Informationen einbeziehen und sich über den strikt formellen und sprachlichen Aspekt hinaus auf die genaue Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen dieser Klauseln und die etwaigen Zusammenhänge zwischen diesen erstrecken.

Kann das nationale Gericht der Ungültigkeit einer verwendeten missbräuchlichen Vertragsklausel gegenüber dem Verbraucher nicht abhelfen, so ist es durch nichts daran gehindert, eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts anzuwenden, die geeignet ist, die unwirksame Klausel zu ersetzen, sofern nach den Regelungen des nationalen Rechts der Vertrag nach dem Wegfall der missbräuchlichen Klausel fortbestehen kann.

Die Schlussanträge des Generalanwaltes sind Empfehlungen und als solche für den Gerichtshof nicht bindend. Der EuGH folgt dem Generalanwalt jedoch in rund 80% der Fälle.

Kurie: Fremdwährungskredite verstoßen nicht „per se“ gegen nationales Recht

Das Zivilrechtskollegium der Kurie, des ungarischen Obersten Gerichts, hat am heutigen Tage im Rahmen eines Rechtsvereinheitlichungsverfahrens grundsätzliche Fragen zur Rechtsanwendung im Zusammenhang mit den umstrittenen und in Ungarn volkswirtschaftlich hochproblematischen Fremdwährungskrediten getroffen. Die Entscheidung wurde im November vom Vorsitzenden des Zivilrechtskollegiums beantragt (HV berichtete). Die Entscheidung wurde notwendig, weil in der Vergangenheit einander diametral widersprechende Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit von Devisenkrediten getroffen hatten.

Das Kollegium entschied mit einer Mehrheit von mehr als 2/3 und stellte folgende Grundsätze auf:

1. Definition des Fremdwährungskredits
Fremdwährungsbasierte Kreditverträge sind solche, bei denen sich der Darlehensnehmer in einem bestimmten Zeitraum in einer niedriger verzinslichen Fremdwährung verschuldete und das Wechselkursrisiko trägt.

2. Zur Frage der Nichtigkeit bzw. einem Verstoß gegen die guten Sitten
Der Vertragstyp des Fremdwährungskredits verstößt trotz des vom Darlehensnehmer zu tragenden Wechselkursrisikos nicht gegen Rechtsvorschriften und ebensowenig offensichtlich gegen die guten Sitten, es handelt sich ferner nicht um Wucherverträge oder solche, die auf eine unmögliche Leistung gerichtet sind, und auch nicht um Scheinverträge.
Bei der Frage, ob die aus solchen Verträgen resultierenden Risiken einseitig zu Lasten einer Vertragspartei verlagert werden, ist die (unvorhersehbare) Wechselkursentwicklung nach Vertragsschluss außer Betracht zu lassen – dieser Aspekt wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser Unwirksamkeitsgrund bei Vertragsschluss bestünde.

3. Aufklärungspflichten
Das Kreditinstitut hat nach dem Gesetz die Pflicht, im Rahmen der RIsikoaufklärung auf die Gefahr der Wechselkursänderung hinzuweisen sowie darauf, dass sich eine solche auf die Höhe der Tilgungsraten auswirkt.

4. Folgen der Unwirksamkeit
Stellt ein Gericht die Unwirksamkeit eines Vertrages fest, muss es bestrebt sein, dem Vertrag nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen, vorausgesetzt, der Unwirksamkeitsgrund ist zu beheben.

5. Verbraucherverträge/Teilunwirksamkeit
Stellt das Gericht die Unwirksamkeit von Verbraucherverträgen fest, ist aber der Vertrag auch ohne die für unwirksam befundenen Teile durchführbar, so hat das zur Folge, dass die unwirksamen Teile wirkungslos sind, aber der Vertrag die Parteien im übrigen bindet.

6. Einseitiges Recht zur Vertragsänderung
Zur Frage, ob das einseitige Recht zur Vertragsänderung dem Transparenzgebot gerecht wird, wird die Kurie nach Erlass der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (Rs. C-26/13 – Kásler ./. OTP) Stellung nehmen.

7. Richterliche Vertragsanpassung im Einzelfall
Die richterliche Vertragsanpassung ist ein rechtliches Mittel, das dem Zweck dient, in einzelnen konkreten Verträgen die Folgen abzumildern, die sich ergeben, wenn in Dauerschuldverhältnissen nach Vertragsschluss Umstände eintreten, die die rechtlichen Interessen einer der beiden Vertragsparteien ernsthaft verletzen. Sie ist jedoch nicht dazu geeignet, die gesamte Gesellschaft betreffende Veränderungen in gleichartigen Vertragstypen vorzunehmen, die eine der Vertragspartei benachteiligen. Wenn der Gesetzgeber die insoweit bestehenden nachteiligen Folgen durch Rechtsvorschriften geregelt hat, ist es Gerichten verwehrt, insoweit durch Einzelfallentscheidungen die gesetzgeberische Entscheidung zu unterlaufen.

http://www.lb.hu/hu/sajto/kuria-kozlemenye-0

NZZ: Meret Baumann zum Thema Fremdwährungskredite

Meret Baumann berichtet in der Neue Zürcher Zeitung berichtet über die Versuche der ungarischen Regierung, eine Regelung der offenen Probleme der Fremdwährungs-kreditnehmer zu schaffen.

http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/ungarn-kommt-schuldnern-erneut-zu-hilfe-1.18179808

Devisenkredite: Neuer Umtausch für Herbst 2013 geplant

Wie die österreichische Tageszeitung Die Presse berichtet, plant die ungarische Regierung für Herbst 2013 eine neue Initiative zum Umtausch laufender Fremdwährungskredite. Verhandlungen mit dem Bankenverband laufen.

http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/1446055/Ungarn_Wieder-Umtausch-von-Fremdwaehrungskrediten?from=gl.home_wirtschaft

Nach Bekanntwerden der Nachricht gaben österreichische Finanztitel deutlich nach.

Fremdwährungskredite: Staat will sich an Konvertierungskosten beteiligen

Der Standard und Reuters berichten, dass die ungarische Regierung einen Teil der Kosten übernehmen will, die sich aus der zwangsweisen Konvertierung von Fremdwährungskrediten ergeben. Die Regierung und die Banken legten ihre Differenzen bei und unterzeichneten ein Abkommen.

http://derstandard.at/1323916505727/Fremdwaehrungskredite-Ungarn-beteiligt-sich-an-Kosten-fuer-Konvertierung

http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE7BE09B20111215

Zu den Hintergründen:

https://hungarianvoice.wordpress.com/2011/09/12/fremdwahrungskredite-osterreichische-banken-erbost-uber-umschuldungsoption/

Franken-Kredite: Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit?

Ein Wiener Rechtsanwalt kommentiert im österreichischen Wirtschaftsblatt einige Rechtsfragen zur zwangsweisen Konvertierung von Fremdwährungskrediten in Ungarn:

http://www.wirtschaftsblatt.at/archiv/ungarn-die-krux-mit-den-franken-krediten-491198/index.do

Der Verfasser sieht durch den Zwang, Währungskredite umzutauschen und entstandene Verluste selbst zu tragen, die Kapitalverkehrsfreiheit beeinträchtigt:

Bei Konvertierung müssen Schweizer Franken in Forint umgetauscht werden. Auch in diesem Zusammenhang kann es zu einer Beschränkung des Kapital- oder Zahlungsverkehrs kommen. Ein zwangsweiser Umtausch in Forint, wobei ein Gutteil der Verluste von den Banken getragen werden muss, bildet einen eklatanten Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.“