Spionageskandal: Budapester Zeitung berichtet

Auch die Budapester Zeitung widmet sich in einem Beitrag von Peter Bognar den Vorwürfen gegen Ex-Geheimdienstminister György Szilvásy und die beiden ehemaligen Geheimdienstchefs Lajos Galambos und Sándor Laborc.

http://www.budapester.hu/index.php?option=com_content&task=view&id=11519&Itemid=26

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Index.hu: Was wird Szilvásy & Co. zur Last gelegt?

Das ungarische Online-Nachrichtenportal Index.hu spekulierte am 03.07.2011 über die Hintergründe der Ermittlungsverfahren gegen die ehemaligen hochrangigen Geheimdienstvertreter György Szilvásy, Lajos Galambos und Sándor Laborc. Offizielle Informationen wurden seitens der Ermittlungsbehörden bislang nicht bekannt gegeben. Nach Presseinformationen betreffen die Vorwürfe solche Sachverhalte, die von der Regierung Gyurcsány im Jahre 2009 für die Dauer von 80 Jahren der Geheimhaltung unterworfen worden sind. Die Ermittlungsbehörden dürfen folglich nicht über die Sachverhalte Auskunft geben.

Der Artikel auszugsweise in deutscher Übersetzung:

Was haben Szilvásy & Co. verbrochen?

Innerhalb weniger Tage wurden staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen zwei ehemalige Geheimdienstchefs und und einen ehemaligen Geheimdienstminister eingeleitet. Eine Affäre um vermeintliche Veruntreuungen wurde zwischenzeitlich zu einem Fall möglicher Straftaten gegen den Staat, jedenfalls wenn man den Tatverdacht zugrunde legt. In Ermangelung offizieller Stellungnahmen kann man lediglich spekulieren, welcher Straftat sich Szilvásy, Galambos und Laborc schuldig gemacht haben könnten. Am meisten hört man von dem Verkauf von MOL-Aktien an die Russen, allerdings könnte es auch um einen zu politischen Zwecken missbrauchten Hackerangriff oder die Entwicklungen in der UD-Affäre gehen.

(…)

Fünf bewegte Tage

Was genau den Verdächtigen vorgeworfen wird, ist unbekannt, die zuständige Militärstaatsanwaltschaft gab bislang keine offiziellen Verlautbarungen heraus. Dies gilt nicht nur für den Fall Szilvásy: Auch in den ungefähr vor einer Woche eingeleiteten Verfahren gegen die beiden ehemaligen Geheimdienstchefs gelangten bislang nur wenige Informationen nach außen, auch hier kann man also nur spekulieren.

Fest steht: Am vergangenen Dienstag wurde Lajos Galambos – ehemalige Chef des Amtes für Nationale Sicherheit – zunächt von der Budapester Militärstaatsanwaltschaft zu einer Beschuldigteneinvernahme einberufen und später vorläufig vorläufig festgenommen. Zwei Tage später wurde  Haftbefehl beantragt, am 1. Juli wurde (über den Verteidiger Galambos´) bekannt, dass man ihm Spionage vorwerfe. Die Hausdurchsuchung bei Galambos war hingegen noch wegen Untreue im Amt durchgeführt worden. Das Gericht wies den Haftbefehlsantrag zurück, der pensionierte Generalmajor befindet sich unter Hausarrest.

Am Freitag fokussierte die Ermittlungsbehörde nicht mehr nur auf ihn. An diesem Tag wurde auch György Szilvásy vorläufig festgenommen, nachdem man bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt hatte. Hierüber wurde auf mehreren Nachrichtenportalen berichtet, auch HírTV übernahm die Meldung, ebenso wie Ferenc Gyurcsány; letztgenannter berichtete ebenfalls, dass man Szilvásy „Straftaten gegen den Staat“ vorwerfe.

Am Samstag berichtete HírTV, dass auch Sándor Laborc, der das Amt für Nationale Sicherheit nach Galambos geführt hatte, festgenommen worden sei. Nach dem Fernsehbericht sei auch er in den Verdacht staatsfeindlicher Straftaten geraten. (…)

Die Staatsanwaltschaft berichtete bislang weder über den konkreten Verdacht noch über die Verhaftung, sie kommentierte auch keine der sich in Umlauf befindenden Nachrichten. Fest steht nur: Bis Sonntag Mittag hatte die Staatsanwaltschaft weder Haftbefehl gegen Laborc noch gegen Szilvásy beantragt.

MTI berichtete, dass der nationale Abwehrdienst nach mehrmonatigen Ermittlungen, auch unter Einsatz geheimdienstlicher Mittel, vor einigen Wochen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet habe. Auf Grundlage der Anzeige leitete die Budapester Militärstaatsanwaltschaft, unter Einbeziehung der vom Abwehrdienst gesammelten Informationen, ein Ermittlungsverfahren ein. Die Sache selbst wird jedoch inhaltlich weiterhin als streng geheim behandelt.

Fünf bewegte Jahre

Die drei Betroffenen standen in den Jahren 2004-2009 in Verbindung zur Staatssicherheit. Galambos wurde 2004 von Ministerpräsident Péter  Medgyessy zum Leider des Amtes für nationale Sicherheit (NBH) ernannt, er gab den Posten nach drei Jahren wieder ab (zu den Umständen seines Rücktritts gleich mehr). Er wurde im Juni 2007 von Laborc an der Spitze des NBH abgelöst (…). Laborc erhielt seine endgültige Ernennung im Dezember durch Ministerpräsident Gyurcsány auf Intervention des im Juli 2007 auf den Posten des Geheimdienstministers beförderten (früher als Leiter des Amtes des Ministerpräsidenten tätigen, in den Jahren 1998-2002 einige Gyurcsány-Firmen leitenden) Szilvásy. Laborc leitete das NBH bis August 2009, Szilvásy war bis April Geheimdienstminister.

Die am Dienstag initiierten Ermittlungsverfahren – alle Quellen sind davon überzeugt, dass die Verfahren miteinander zusammenhängen – dürften mit Vorgängen der Jahre 2004 bis 2009 in Zusammenhang stehen.  (…).

Ein alter Kontakt

Aber der Reihe nach: Schon der Abgang von Galambos trug sich unter ungewöhnlichen Umständen zu. Seine Entscheidung, die er nicht begründete, fiel zeitlich in etwa mit dem Skandal um den ehemaligen Polizei-Oberleutnant László Földesi-Szabó und die mit ihm verbundene Stiftung „Egymásért Egy-Másért“ zusammen. Kurz davor, Anfang 2007, wurde bekannt, dass die Stiftung mehrere Tonnen Lebensmittel, die als Spende zollfrei ins Inland eingeführt worden waren, an kleine Einzelhandelsketten verkauft hatte. Dem Verdacht zufolge entstand dem Fiskus in den Jahren 2005-2007 ein Schaden in Höhe von mehreren zehnmilliarden Forint. Die Sache war deshalb peinlich für Galambos, weil in der Stiftung mehrere Geheimdienstoffiziere (u.a. im Kuratorium) vertreten waren oder sonst für sie tätig geworden sind. Auch Galambos selbst, der nach seinem Abgang vom NBH Direktor bei einem Demján-Unternehmen (Anm: Sándor Demján ist einer der reichsten ungarischen Oligarchen) und dann Berater eines Verkehrsunternehmens wurde, war Kuratoriumsmitglied.

Auch in den jetzt laufenden Ermittlungsverfahren tauchte der Name Földesi-Szabó auf. Der wegen Schmuggel in erster Instanz zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilte Mann – der im letzten Jahr einfach aus der Verhandlung hinausspazierte – wurde vor gut einem Monat im Mai  gefasst. Das MTI berichtete am Freitag: das Schweigen rund um Galambos könnte damit zusammenhängen, dass die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Wochen neuerliche Ermittlungen begann, nachdem man zwei gute Bekannte des ehemaligen NBH-Chefs festgenommen hatte.

Zwei gute Bekannte

Einer der beiden guten Bekannten ist Földesi-Szabó, der andere – nach bisherigen Spekulationen – Róbert Jakubinyi, der auf Grundlage eines von der Militärstaatsanwaltschaft beantragten Haftbefehls Mitte Juni von der österreichischen Polizei verhaftet worden war. Jakubinyi und Földesi-Szabó sind ebenfalls alte Bekannte der besonderen Art: Jakubinyi war in den 90er Jahren Verdächtiger in einer Aktienbetrugssache bei der Merkantil Bank, der Fall wurde von Földesi-Szabó als ermittelnder Beamter betreut. Jakubinyit wurde nun ebenfalls wegen eines Aktiengeschäfts gesucht: Dem Verdacht zufolge erwarb er als Strohmann MOL-Aktien für mehrere Milliarden Forint, um sie dann an Dritte weiter zu geben.

Wann genau und an welche russischen Käufer, weiß man bislang nicht. Obwohl bei den Kontakten zwischen MOL und den Russen wahrscheinlich jedermann sofort an das Surgutneftegaz-Geschäft denkt – das Unternehmen mit unbekanntem Eigentümerkreis erwarb im März 2009 ein Paket von 21,2 Prozent der MOL-Aktien–, so gab es in diesem Geschäft nach bisherigen Erkenntissen keine verborgenen Transaktionen. Die Russen erwarben nämlich das zuvor von der österreichischen OMV gehaltene Aktienpaket, nachdem die Österreicher eingesehen hatten, dass ihre im Jahr 2007 begonnenen Anstrengungen der Erwerbs der Mehrheit an MOL nicht erfolgversprechend waren.

Ein paar Prozent der Aktien

In dieser Transaktion hätte Jakubinyi kaum als Strohmann agieren können, denn Surgut wies nie darauf hin, dass man über einen größeren als von den von den Österreichern erworbenen Aktienbestand verfüge, und auch in der zur Untersuchung des Geschäft eingerichteten parlamentarischen Untersuchungskommission tauchte der Name Jakubinyi nicht auf. Dennoch ist denkbar, dass Jakubinyi vor oder auch im Windschatten der OMV-Übernahmeaktion des Jahres 2007 – zu einer Zeit, als jeder auf die Österreicher blickte – , nach einem Treffen zwischen Gyurcsány und Putin, MOL-Anteile erwarb und nach Moskau veräußerte (wobei die Marktkapitalisierung der im Umlauf befindlichen MOL-Aktien mehr als 2000 Mrd. HUF beträgt, also ein Zehn-Milliarden-Geschäft nur 0,5 Prozent der Aktien umfassen würde).

Wenn diese Annahme zuträfe, wäre folgendes möglich: Galambos wusste davon, dass die Aktien der als strategisch bedeutsam geltenden und daher unter besonderem Schutz der Sicherheitsbehörden stehenden MOL in russische Hände gerieten, informierte aber seine Dienststellen hiervon nicht (was unter den Tatbestand der Nichtanzeige von gegen den Staat gerichteten Straftaten fallen könnte). Wenn es einen Strohmann gab, könnte dieser auch für die OMV Anteile erworben haben – hinter dem Übernahmeversuch durch OMV sahen viele bereits im Jahr 2007 russische Interessen –, Galambos könnte auch von den Absichten der OMV im Bezug auf MOL gewusst haben (und damit die Straftat der Nichtanzeige erfüllt haben).

Eine Verhandlung

Es könnte freiich auch sein, dass die jetzt eingeleiteten Verfahren nichts mit der MOL zu tun haben. Aber was dann? Neben den mitunter kuriosen Spekulationen – die Népszava ging bis zur Dietmar Clodo-Affäre zurück – taucht an Stelle der MOL am häufigsten die UD-Zrt.-Affäre und deren Nebenkriegsschauplätze auf. In der Sache UD-Zrt. selbst wird bereits gegen Szilvásy ermittelt. Schon 2009 wurde er verdächtigt, als Amtsperson mehrfach persönliche Daten missbraucht zu haben, indem er ohne Rechtsgrundlage Telefongespräche zwischen dem Chef der UD Zrt. und Ervin Demeter bzw. László Kövér vervielfältigt und an den Nationalen Sicherheitsausschuss des Parlaments verteilt hatte; er gab an, er habe nur seine Arbeit getan.

In dieser Sache steht Szilvásy als Angeklagter vor Gericht, die erste Verhandlung fand im März statt, der nächste Verhandlungstag vor dem Budapester Zentralgericht ist der 05.07.2011. In der Verhandlung im April sagte Zsolt Molnár, ehemaliges MSZP-Mitglied des Nationalen Sicherheitsausschusses: „Wir [die MSZP-Politiker] waren der Ansicht… dass wir wir unsere politische Ansicht im Bezug auf die an die Öffentlichkeit gelangten, nicht unter Geheimhaltung fallenden Informationen kundtun” , womit er nach Aussage des Senders Hír TV eingestanden habe, dass man von Seiten der Sozialisten einen politischen Angriff gegen Fidesz-KDNP unter Verwendung der Daten geführt habe.

Vielfältige Attacken

Ein Unterausschuss des derzeitigen Nationalen Sicherheitsausschusses prüft derzeit auch die Vorgeschichte der UD-Affäre. Ervin Demeter sagte auf einer Sitzung dieses Orgáns im vergangenen November: der ehemalige Geheimdienstminister beauftragte einen für das Nationale Sicherheitsamt arbeitenden Hacker, der zahlreiche Angriffe gegen Regierungsserver und das Netzwerk der Regierung vorgenommen habe. Diesen Hacker habe man noch in der Amtszeit von Lajos Galambos Lajos eingestellt, allerdings fiel ein Großteil seiner Handlungen in die Amtszeit von Sándor Laborc.

Unter Berufung auf diese angeblichen Hackerangriffe habe das Nationale Sicherheitsamt dann im Jahr 2008 begonnen, die UD Zrt. mit Geheimdienstmitteln auszuspähen und die vier Unternehmensleiter abzuhören. Im Zuge der Untersuchungen verdächtigte Sándor Laborc das Unternehmen mit sechs unterschiedlichen Delikten; in der Folge durchsuchte die Polizei im September 2008 die Zentrale der Gesellschaft im Bezirk Zugló, es wurde unter anderem wegen Verletzung von Staatsgeheimnissen und der unberechtigten Verwendung privater geschützter Daten Anzeige erstattet.

Nachdem die Ermittlungsverfahren größtenteils eingestellt worden waren, weil sich die gravierendsten Punkte der Anzeige als unbegründet herausstellten, wurde Laborc ein Jahr später selbst wegen falscher Verdächtigung angezeigt. Zunächst wurde kein Verfahren eingeleitet, erst im vergangenen Jahr begann leitete die Militärstaatsanwaltscaft Ermittlungen gegen ihn ein.

( …)“

Quelle: http://index.hu/belfold/2011/07/03/milyen_bunt_kovethettek_el_szilvasyek/