Entwurf der vierten Grundgesetzänderung

Der Entwurf der vierten Grundgesetzänderung liegt dem Parlament zur Beratung vor:

http://www.parlament.hu/irom39/09929/09929.pdf

Hintergrund der Vorlage ist – im wesentlichen – der Wille der Regierungsmehrheit, diejenigen Teile der Grundgesetz-Übergangsbestimmungen in die in den Kerntext aufzunehmen, die vom Verfassungsgericht im Dezember 2012 als unvereinbar mit dem Grundgesetz bewertetet wurden (HV berichtete).

Die Änderung enthält weitere Einschränkungen der Kompetenzen des Verfassungsgerichts. Mehr dazu als Kommentar in den kommenden Tagen.

 

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Fall Csatáry: Weiteres Dokument aufgetaucht

Das Online-Portal Index.hu veröffentlicht heute ein aus dem Jahr 1944 stammendes Dokument, welches Hinweise auf die Rolle des mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrechers László Csatáry im Jahr 1944 enthält.

Amtliche Bekanntmachung für das jüdische Ghetto - mit dem Namen Csatáry

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei dem Dokument handelt es sich um eine öffentliche Bekanntmachung („Hirdetmény“), die das jüdische Ghetto von Kosice (ung. Kaschau) betraf. Csatáry, der am Ende des mit „Ghettokommandant“ gezeichneten Dokuments namentlich aufgeführt ist, gab in dem Dokument Anweisungen dazu, wann und wo sich Juden und Nichtjuden (nicht) aufhalten dürfen. Csatáry rief die (wörtlich) „Bewohner  christlicher Rasse“ auf, das Gebiet des Judenghettos zu verlassen und die entsprechenden administrativen Schritte in die Wege zu leiten. Das Betreten des Ghettos wurde diesem Personenkreis untersagt.

Ferner wurde den „Bewohner christlicher Rasse“ der Kontakt mit Juden verboten.

Die in das Ghetto einquartierten Juden durften sich der Verfüung zufolge nicht auf der Straße aufhalten, mussten die straßenseitigen Fenster der Wohnungen geschlossen halten und waren verpflichtet, in der Wohnung zu bleiben.

http://kep.index.hu/1/0/319/3191/31910/3191084_6c3806da2d35006a851ceec5c2c68a33_wm.jpg

Csatáry hatte im Rahmen seiner gestrigen Vernehmung abermals alle Vorwürfe geleugnet.

Új Színház: Oberbürgermeister spricht sich gegen Csurka als Intendanten aus

Wie das Internetportal Index.hu heute berichtet, hat der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós (Fidesz) den designierten Direktor des Új Szinház (Neues Theater), György Dörner, aufgefordert, den als Intendant vorgesehenen Miép-Vorsitzenden István Csurka nicht zu beschäftigen.

Tarlós sagte, er habe „mit Bedauern feststellen müssen, dass sich Csurka entgegen der mehrmaligen Aufforderung“ in seiner Parteizeitung „Magyar Fórum“ auf eine Art und Weise geäußert habe, die mit der europäischen Redekultur nicht in Einlang zu bringen sei. Csurka schlägt in seinem Parteiorgan regelmäßig antisemitische Töne an, weshalb seine Ernennung zum Intendanten europaweit zu einem Sturm der Empörung geführt hatte.

Dörner solle davon absehen, Csurka im Theater zu beschäftigen – zugleich betonte Tarlós, er habe keine Einwände, dass die Dramen Csurkas auf den Spielplan gesetzt würden.

http://index.hu/kultur/2011/12/14/tarlos_csurka_nem_dolgozhat_az_uj_szinhazban/

http://www.nepszava.hu/articles/article.php?id=501062

http://hetivalasz.hu/kultura/negy-elojel-a-hatorszag-bukasaig-44038/

http://www.hirado.hu/Hirek/2011/12/14/15/Nem_dolgozhat_az_Uj_Szinhazban_Csurka_Istvan.aspx

MSZP bricht auseinander – Ferenc Gyurcsány gründet mit Aussteigern neue Partei

Aktuellen Presseberichten zufolge tritt der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány gemeinsam mit weiteren Mitgliedern aus der MSZP aus. Die insgesamt ca. 10 Personen, die zugleich Mitglieder der MSZP-Fraktion im ungarischen Parlament sind, beschließen am kommenden Montag über das neue Auftreten als Fraktion. Der Name der neuen Partei wird „Demokratikus Koalició“ sein.

Die Sozialistische Partei steht bereits seit einigen Monaten unter heftigem Druck. Gyurcsány hat mit ehemaligen engen Vertrauten (Csaba Molnár  u.a.) zunächst die MSZP-interne Plattform „Demokratische Koalition“ gegründet und versucht, aus dieser heraus eine „Reform“ der Partei, die freilich eher einer Einstimmung auf seine politischen Ansichten entsprach, anzuschieben. Als Gyurcsány kürzlich öffentlich die Parteiführung und die Arbeit der Parlamentsfraktion kritisierte und öffentlich verlangte, Teile der Fraktion sollten ihr Mandat zurückgeben, trat die Parteiführung dem öffentlich entgegen und ging auf Konfrontationskurs. Gyurcsány und den Mitgliedern der Fraktion stehe es frei, die Partei zu verlassen.

Den Presseberichten zufolge wird sich Gyurcsány zum Parteivorsitzenen wählen lassen.

Auch der Zeitpunkt der Neugründung dürfte nicht zufällig auf dieses Wochenende fallen: Am morgigen 23. Oktober begeht Ungarn den 55. Jahrestag des Beginns des Ungarischen Volksaufstandes. Gyurcsány dürfte versuchen, seine Anhänger durch Parallelen zu den damaligen Aufständischen – er stellt Ungarn im In- und Ausland seit Monaten als halbdiktatorisches System dar – auf eine neue „linke Revolution“ einzuschwören.

http://www.nepszava.hu/articles/article.php?id=483962

István Forgács: „Wenn Ihr die Zigeuner seid, dann gehöre ich nicht zu Euch“

István Forgács, unabhängiger Experte für Romaangelegenheiten, macht in einem Beitrag auf die drängenden Probleme seiner Volksgruppe aufmerksam.

Wenn Ihr die Zigeuner seid, dann gehöre ich nicht zu Euch

Wir sind nicht eins, und wir waren es auch nie.

Wir waren keine Brüder, auch keine „lieben Brüderchen“, und wir waren auch zu keinem Zeitpunkt gemeinsame Teile einer Sache, von der Ihr selbst nicht wisst, was sie eigentlich sein soll. Und trotzdem phantasiert Ihr andauernd darüber, weil Ihr glaubt, dass wir eins sein könnten, wenn man diese Sache ins Leben ruft.

Ihr wollt nur nicht begreifen, dass es gar keine einheitliche Zigeunerschaft in Ungarn gibt. Es gibt kein Volk der Zigeuner, keine Zigeunernation, kein gesundes und über Jahrhunderte gewachsenes Selbstbild und Selbstbewusstsein der Zigeuner. Es gibt keine Zigeunerdichter. Es gibt keinen Zigeuner-Messias. Die Zigeunerschaft existiert nicht. Stattdessen gibt es eine traurige und kalte Realität: Im heutigen Ungarn wird es nicht möglich sein, eine Zigeunerschaft aufzubauen, es sei denn, dies geschieht durch gemeinsame echte Werte. Es gibt bislang keine einheitliche, von allen verstandene und akzeptierte Kultur, kein Selbstbewusstsein, kein gemeinsames „Minimum“ oder „Maximum“, es gibt keine dauerhaft erscheinenden Werte, zu denen sich alle bekennen würden, es gibt noch nicht einmal gemeinsame Ziele. Wir haben keine gemeinsame Sprache, kein gemeinsames Musikverständnis, und wir haben keine gemeinsame Ethik oder Werteordnung.

Merkwürdig, dass es bislang niemand ausgesprochen hat: Wir Zigeuner leben zu Hunderttausenden nebeneinander, aber der Alltag führt nicht dazu, dass wir einander ähnlicher werden wollen. Aber gerade das wäre so wichtig, damit wir echte Werte finden können, auf Grundlage derer wir einander zum Vorbild nähmen, weil wir dann etwas hätten, was uns stolz machen und zusammenführen könnte. Aber das ist heute nicht so. Die Mehrheit der Zigeuner sieht keine Werte in dem anderen. So lange das dauert, verdienen wir es nicht, ein Volk, eine Nation oder etwas Ähnliches zu werden.

Es spielt übrigens nicht die geringste Rolle, dass die Mehrheitsgesellschaft uns in einen Topf wirft, weil es genau das ist, was ich nicht will – und mit mir noch hunderttausende von Zigeunern. Und nicht nur deswegen, weil die Mehrheit unsere Ähnlichkeiten in erster Linie in den Negativa sieht.

*

Wir sind nicht eins, und wir waren es auch nie.

Viele wollen freilich, dass wir eins werden, die Frage ist jedoch, wie man das erreichen könnte.

Ich bestreite gar nicht, sondern gebe es vielmehr mit traurigem Gemüt zu, dass bei vielen von Euch echte und vermutete Nachteile existieren, die dazu führen, dass man Euch in einen Topf wirft, und jeden anderen auch, der sich nicht in bestimmter Weise assimilieren will. Man macht Euch zu verletzten, angegriffenen, mit der Gesellschaft in Konflikt stehenden Zigeunern. Viele möchten die maximale Zahl von Zigeunern dergestalt assimilieren, dass in ihnen genau der Geist entsteht, der für einen dauernden Konflikt erforderlich ist. Für einen andauernden Freiheitskampf. Für das andauernde Beschuldigen der Nichtzigeuner. Und in dieser zweiten Dimension und Realität ist der krampfhafte Wunsch nach Schmerz die Grundlage für all jene Gedanken, auf deren Basis man vielen einreden kann, dass die Zigeuner eines Tages die Entwürdigung, die Ausgrenzung und die Nichtteilnahme an der Gesellschaft nicht mehr zulassen werden. Und zusammenstehen. Und es allen zeigen werden.

Das Traurige ist, dass wir zuvor glauben müssen – bzw. man es uns einreden muss -, dass für alles die Mehrheit verantwortlich ist. Die „Gázsók“ (Nichtzigeuner). Die „Bauern“. Und nicht nur X oder Y, sondern alle. Denn so wie die Mehrheitsgesellschaft die Zigeuner ausgrenzt und verallgemeinert, genau so denkt die Zigeunerschaft in ihrer überragenden Mehrheit, dass die Nichtzigeuner Rassisten sind. Alle. Dass es sich um böse Menschen handelt. Jedenfalls mehrheitlich. Und dass der Gázsó, die Mehrheitsgesellschaft uns für alles verantwortlich macht, obwohl wir das doch überhaupt nicht verdient haben.

Ich gehöre nicht zu Euch. Ihr sprecht sehr viel über Eure eigene Nation – ich habe keine solche. Ich habe eine eigene Familie, Bekanntschaften, aber ich würde mir niemals zutrauen zu behaupten, dass ich für Euch alle einen Kampf führen würde. Niemand hat mich darum gebeten, und ich würde diese Verantwortung auch nicht übernehmen. Ich kann die Bedürfnisse von „allen“ nicht sehen oder kennen, kann sie also auch nicht für Euch zum Ausdruck bringen.

Und auch wenn es komisch klingt, ich werde auf die Mehrheitsgesellschaft nicht wütend sein, nur weil viele unter Euch das von mir erwarten. Und wer das erwartet, tut es deshalb, weil ich selbst dann auch in die „Bruderschaft“ der Zigeuner hineinverschmelzen könnte, die von nichts anderem zusammengehalten wird als der Praxis, für alles die Mehrheit verantwortlich zu machen, und davon, zur Seite zu schauen, wenn wir uns mit unseren eigenen Fehlern befassen müssten.

Ich gehöre nicht zu Euch, wenn Ihr glaubt, dass es ein kulturelles Recht und einen Wert darstellt, früh Kinder zu kriegen und diese in einer Welt von Elend groß zu ziehen. Ich gehöre nicht zu Euch, wenn es darum geht, die Gewalt in der Familie im Zigeunerghetto zu ignorieren, oder nichts davon wissen zu wollen, wie viele Findelkinder oder vorbestrafte männliche Zigeuner es in Baracska gibt. Ich gehöre nicht zu Euch, wenn bei einer Zusammenkunft davon gesprochen wird, dass die Mehrheitsgesellschaft nur aus verfluchten Rassisten besteht, und ich gehöre auch dann nicht zu Euch, wenn Ihr meint, wir müssten eine Schicksalsgemeinschaft mit anderen Minderheiten eingehen. Seien es Minderheiten im Bezug auf ihre Religion, ihre Ethnie oder ihrer sexuellen Orientierung. Ich gehöre auch nicht zu Euch, wenn Ihr mit Unverständnis darauf reagiert und fragt, warum ich nicht im Ghetto aufgewachsen bin, oder weshalb ich in der Schule auch nie schlechtere Zensuren bekommen habe, nur weil ich zufällig als Zigeuner geboren wurde. Ich bin keiner von Euch, weil in mir keine echte Wut gegenüber den Nichtzigeunern herrscht; auch keine solche, in die mich selbst hineinsteigere.

*

Ich gehöre zu Euch, sobald Ihr versteht, dass die Nichtzigeuner die einzig mögliche Lösung für die gesamte ungarische Gesellschaft, vor allem aber für die Zigeuner sind. Ich sage das deshalb, weil die Nichtzigeuner über all die Ressourcen verfügen, auf die wir selbst auch angewiesen sind, oder auf die wir angewiesen wären. Aber wir kommen nicht dran, weil unser Vater oft genug die Sozialhilfe versäuft. Oder der Zinswucherer unsere Mutter verprügelt. Oder unsere große Schwester wegen der Schulden nach Holland verschleppt wird. Oder die für uns so nette Lehrerin von der Mutter des Banknachbarn jede Woche vor der Schule verprügelt wird. So viele von Euch verleugnen das, aber das ist der Grund, warum wir nicht zu den Ressourcen gelangen. Heute sind wir es, die sich davon ausschließen. Obwohl wir dringend auf sie angewiesen wäre, anders gelangen wir nirgendwo hin. Das ist es, was viele Gemeinschaften der Zigeuner verstehen müssten. Wir sprechen von solchen Resourcen, die wir – egal wie viele sie einfordern und wie laut sie es tun – niemals in die Hände bekommen. Weil die Nichtzigeuner sie haben. Und wir können herumschreien oder Drohungen ausstoßen – wir kommen nicht vorwärts.

Die Nichtzigeuner leiten die Städte, sie leiten die Schulen. Sie schaffen Arbeitsplätze, können Arbeitnehmer einstellen, Kredite gewähren. Sie können Häuser verkaufen oder vermieten – an denjenigen, an den sie wollen – als Nachbar verleihen sie ihren Rasenmäher, wenn wir ihn brauchen. Sagt der gesunde Menschenverstand nicht, dass wir versuchen sollten, bestmöglich mit ihnen auszukommen? Wir könnten ein Teil ihres Lebensumfeldes werden, selbst dann, wenn wir uns in bestimmten Dingen uterscheiden, aber auch in einigen Dingen genau so würden wie sie. Die Unterschiede sind angeboren (wir sind eine eigene Ethnie), die Bezugnahme auf die Ähnlichkeiten bedeutet nicht, dass wir unsere eigene Herkunft, unsere ethnische Eigenheit aufgeben, wir können also auch bei der Volkszählung angeben, für was wir uns selbst halten und was wir fühlen. Uns selbst, das Individuum, oder unsere Familie oder Umfeld.

Hierfür muss natürlich jeder wissen, wo er seine eigene ethnische Identität findet. Vor allem im näheren Umfeld. Ich glaube aber, dass sie nicht darin liegen kann, dass wir alle gemeinsam auf die Nichtzigeuner wütend sind – auch wenn es tatsächliche oder vermutete Nachteile gibt.

Bauen wir selbst etwas auf. Etwas, das der andere Zigeuner auch erreichen möchte, und das ihn dazu bringen könnte, so sein zu wollen, wie wir.  So kann man ein Volk, eine Nation schaffen.

Quelle: http://hirszerzo.hu/velemeny/2011/10/10/20111010_forgacs_istvan_ciganysag

Forgács im Fernsehen bei ATV:

http://atv.hu/belfold/20111021_forgacs_istvan

Schweiz bindet Franken an den Euro – eidgenössische Währung fällt auf 230 Forint

Die Schweizer Nationalbank versucht, gegen den historisch starken Franken vorzugehen. Wie die SNB heute verkündete, will sie eine Mindestparität zum Euro von 1,20 CHF durchsetzen und ist – laut Focus-Bericht – bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen: „Die Schweizer Nationalbank toleriert ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter 1,20.“ Diese Ankündigung führte zu einer deutlichen Abschwächung des Franken.

Die Schweizer Exportwirtschaft und die Tourismusbranche leiden derzeit unter den historischen Höchstständen der Landeswährung. Ursache ist u.a. die Angst der Investoren im Euro-Raum, die für Kapitalabflüsse in die Schweiz sorgt. Die Situation der Schweiz lässt erahnen, in welche Situation die Bundesrepublik währungspolitisch ohne den Euro geraten würde.

Ob die Maßnahme der SNB dauerhaften Erfolg verspricht, bleibt abzuwarten. Auch Notenbanken können sich auf dem Devisenmarkt nur beschränkt gegen eine große Zahl von Spekulanten durchsetzen. Insbesondere der Investor George Soros hat in den 90er Jahren als „der Mann, der die Bank von England besiegte“, Geschichte geschrieben: Er sorgte durch massive Leerverkäufe von Britischen Pfund (10 Mrd. GBP) für einen Ausstieg Großbritanniens aus dem Europäischen Währungssystem (EWS) und eine Abwertung der Währung. Soros´ Hedgefonds verdiente mit der Transaktion geschätzte 1,1 Mrd. Pfund.

Die Ankündigung hatte auch unerwartete positive Auswirkungen auf den ungarischen Markt. Viele Ungarn haben sich zur Finanzierung von Immobilien und Konsumgütern (wegen des niedrigeren Zinsniveaus) insbesondere ab ca. 2004 in Schweizer Franken verschuldet und wurden durch die Abwertung des Forint in den vergangenen Jahren buchstäblich „kalt erwischt“. In den vergangenen Wochen waren Kurse von um die 270 Forint pro Schweizer Franken gehandelt worden. Die Abwertung hat für Ungarn jedenfalls eine mildernde Wirkung für die Betroffenen in Ungarn. Ein Verdienst der ungarischen Wirtschaftspolitik, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, den Kreditnehmern zu helfen, ist dies freilich nicht.

Zsolt Bayer: „Prozesskostenhilfe der anderen Art“

Als Prozesskostenhilfe oder „Armenrecht“ bezeichnet man landläufig die staatliche Unterstützung eines Prozessbeteiligten. Sie soll vermeiden, dass eine Rechtsdurchsetzung daran scheitert, dass der Beteiligte sich weder die Gerichts- noch die Anwaltskosten leisten kann. Ein bedeutsames Instrument in der sozialen Marktwirtschaft.

In der ungarischen Grenzstadt Esztergom gibt es – folgt man dem Blog Vastagbör (zu deutsch sinngemäß „dickes Fell“) – Prozesskostenhilfe der anderen Art. Einer der Begünstigten: Zsolt Bayer, umstrittener Publizist der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Hírlap. Er selbst scheint hier allerdings nicht der Bedürftige zu sein: „Arm“ im wirtschaftlichen Sinne ist vielmehr die Stadt, auf der eine Schuldenlast von 25 Milliarden Forint lastet. Gleichwohl scheint sie Herrn Bayer, der kein öffentliches Amt der Stadt innehat, bislang die anwaltliche Vertretung in mehreren von diesem geführten Rechtsstreitigkeiten bezahlt zu haben.

Ausweislich der auf Vastagbör einsehbaren Dokumente handelt es sich um folgende Prozesse:

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Städtischen Gericht von Esztergom durch Herrn János Cserép initiierten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Städtischen Gericht von Esztergom durch Herrn Géza Kovács eingeleiteten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

– Kosten der Verteidigung von Zsolt Bayer in einem vor dem Komitatsgericht von Kómárom-Esztergom in 2. Instanz laufenden und durch Herrn Balázs Miklós eingeleiteten Verfahrens wegen eines Vergehens der Verleumdung

Folgt man Vastagbör, so übernimmt die Stadt Esztergom bis heute – aufgrund von Haushaltsbeschlüssen – Kosten von Rechtsstreitigkeiten, die mit den Angelegenheiten der Stadt nichts zu tun haben. Da Bayer kein öffentliches Amt hält, ist schwer vorstellbar, was die Übernahme der Kosten rechtfertigen würde. Man kann über die Hintergründe dieser seltenen Großzügigkeit der Stadt also nur spekulieren: Etwa darüber, ob es Zufall ist, dass der weitere Nutznießer dieser Art von  „Prozesskostenhilfe“ laut Vastagbör der umstrittene ehemalige Bürgermeister von Esztergom, Tamás Meggyes (Fidesz), ein Freund Bayers, ist. Die Verträge mit den Anwaltskanzleien stammen aus einer Zeit, in der Meggyes Bürgermeister war. Bayer bot Meggyes mehrfach die Möglichkeit, in seinen Fernsehsendungen aufzutreten und zu unterschiedlichen Vorwürfen gegen seine Person Stellung zu nehmen.

Die derzeitige Bürgermeisterin Éva Tétényi versuchte, die finanziellen Verpflichtungen aufzukündigen, weil die Zahlung von Anwaltskosten nicht zu den Aufgaben der Stadt gehöre. Sie wurde dabei allerdings von der Fidesz-Mehrheit im Stadtrat gehindert. Laut Online-Ausgabe der Wochenzeitung 168óra bewilligte die Mehrheit weitere 30 Mio. Forint für das Jahr 2011. Tétényi plädierte daraufhin dafür, Neuwahlen auszuschreiben.

Die Partei Fidesz hat die Wahl unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, Korruptionsbekämpfung zu betreiben. Es wäre wohl an der Zeit,  diesen bemerkenswerten Fall einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

http://www.168ora.hu/itthon/ehhez-kell-arc-kozpenzbol-fizette-a-maganvadas-ugyvedi-koltseget-meggyes-es-bayer-68611.html

http://nol.hu/belfold/20110121-nepgyules_az_ellehetetlenitett_varosban

http://mindennapi.hu/cikk/tarsadalom/esztergom-kozpenzbol-perlik-az-ujsagirokat/2011-01-21/1253

http://belfold.ma.hu/tart/cikk/a/0/87183/1/belfold/Esztergom_kozpenzbol_perlik_az_ujsagirokat

Industrieproduktion in Ungarn erreicht Drei-Monats-Hoch / Industrienachfrage steigt stark

Die ungarische Industrieproduktion erreichte nach einem Rückgang im Oktober) im November 2010 ein Drei-Monats-Hoch. Die Zahl lag 14,56 % höher als im Vorjahresmonat. Ökonomen hatte einen Zuwachs von 8,6% erwartet.

Quelle: http://www.rttnews.com/Content/AllEconomicNews.aspx?Node=B2&Id=1527515

Die Industrienachfrage steig laut Budapest Business Journal um 1/3.

Quelle: http://bbjonline.hu/?col=1001&id=55532

Internationale Presseschau: Haaretz zur Ungarn-Wahl

Die liberale israelische Tageszeitung Haaretz berichtete am 14.04.2010 über den Ausgang der ersten Wahlrunde der ungarischen Parlamentswahlen. Hungarian Voice hat den von Yehuda Lahav verfassten Artikel übersetzt (Hervorhebungen durch Hungarian Voice).

Das Original ist hier abrufbar: http://www.haaretz.com/hasen/spages/1162706.html

Ungarns antisemitische rechtsextreme Partei aus der Regierng gedrängt

Trotz eines Rekord-Wahlergebnisses, das die extremistische Partei Jobbik auf Platz drei der am Montag durchgeführten Wahlen beförderte, hat die extreme Rechte den Einzug in die Regierung verpasst.

Die Mitte-Rechts-Partei Fidesz, die 52.7% der Stimmen erreichte und die zweitplatzierten Sozialisten um Längen schlug, teilte am Dienstag mit, sie habe nicht vor, Jobbik an der Regierung zu beteiligen.

Jobbik, die im Zuge ihrer Wahlkampagne Juden und Zigeuner für die schlechte Lage in Ungarn verantwortlich machte, erlangte die Unterstützung von 16.7 % der Wähler – der größte Erfolg einer rechtsextremen Partei seit dem Untergang des Kommunismus und der Wiederherstellung der Demokratie.

Die Partei, welche von einer schwarzgekleideten schwarzen Miliz unterstützt wird, versprach, ihren Einfluss zur Bekämpfung der „Zigeunerkriminalität“ einzusetzen.

Allerdings bedeutet das große Ausmaß des Fidesz-Erfolges, dass zum ersten Mal seit 1990 ein Wahlsieger die Möglichkeit haben wird, ohne Unterstützung anderer Parteien regieren zu können.

Fidesz errang zwar nicht ganz den Erdrutschsieg, der in Umfragen vor der Wahl vorhergesagt worden war. Gleichwohl will die Partei ihre Position in einer zweiten Wahlrunde am 25. April festigen, durch die im ersten Wahlgang nicht besetzten 125 Sitze im 386 Sitze umfassenden Parlament befüllt werden.

„Sie sollten die Ergebnisse im europäischen Kontext sehen“, sagte der Fidesz-Vorsitzende und designierte Ministerpräsident Viktor Orbán. „Das Ergebnis hat bewiesen, dass Ungarn eine europäische Nation ist, die stark genug ist, ihre bestehende Demokratie zu verteidigen.“

Orbán fügte hinzu: „Die beste Medizin, die wir den Menschen verschreiben können, ist eine gute Regierung. Nach meiner Überzeugung wird eine gute Regierungsarbeit zu einer Schwächung der Rechtsextremen führen.“

Peter Feldmajer, Präsident des Verbandes jüdischer Gemeinden in Ungarn, sagte Haaretz, die Wahl von Jobbik sei zwar besorgniserregend, jedoch sei die Gefahr, dass die extreme Rechte Kontrolle über Ungarn gewinne, nur gering.

„Natürlich ist es sehr beunruhigend, dass eine faschistische Partei in das ungarische Parlament einzuziehen vermochte“, sagte Feldmajer. „Aber meiner Ansicht nach beinhaltet das nicht die Gefahr, dass diese Partei und ihre Ideologie Einfluss auf die Regierungsarbeit gewinnen wird.“

Die Objektivität des Berichtes könnte einem Großteil der deutschsprachigen Presse ein Vorbild sein. Obwohl die offen antisemitische Jobbik keinen Hehl aus seiner Ablehnung Israels und der Juden gemacht hat und teilweise absurde Verschwörungstheorien vertritt, sah der Autor des Artikels keinen Grund, diese Partei mit Fidesz zu vermischen. Auch die Beurteilung von Herrn Feldmajer, der immerhin in Ungarn lebt, fällt deutlich besonnener aus als diejenige von Journalisten, die – offenbar einseitig informiert – aus dem Ausland berichten und Ungarn auf einen rechten Gefahrherd reduzieren. Fidesz wird von Yehuda Lahav auch nicht als „rechtsnational“ oder gar „völkisch“, sondern als Mitte-Rechts-Partei bezeichnet.