Umfrage: Wer ist am ausländerfeindlichsten? Und wem gegenüber?

Heute bin ich auf eine – im Ergebnis furchteinflößende – Umfrage gestoßen. Ein Meinungsforschungsinstitut befasst sich in einer aktuellen Erhebung mit der Frage, unter welchen Parteianhängern die Ausländerfeindlichkeit bzw. der Rassismus am größten ist. Doch nicht nur das: Auch die Frage, wem gegenüber Vorbehalte bestehen, wurde gestellt. Das Ergebnis:

Gestellt wurde folgende Frage: „Wen würden Sie als Ihren Nachbarn dulden?“

Die Antworten fallen höchst unterschiedlich, aber im Grundsatz gleichermaßen bedrückend aus. Im Einzelnen:

1. Fidesz 

Die Anhänger der Regierungspartei würden am ehesten eine Familie mit vier Kindern (87% Akzeptanz) oder Einwanderer aus Siebenbürgen (80%) dulden. Einen Rocksänger immerhin zu 59%. Nur knapp mehr als die Hälfte würde sich mit einem jüdischen Nachbarn wohl fühlen (53%) – was nichts anderes bedeutet, als dass knapp die Hälfte der befragten Fidesz-Wähler sich als offen antisemitisch zu erkennen gaben. Noch geringer ist die Akzeptanz gegenüber Amerikanern (43%), Studenten aus Afrika (42%), Chinesen (40%), Homosexuellen (35%), Zigeunern (31%), Syrern mit christlichem Glauben (30%) und Arabern (ganze 10%, was die geringste Akzeptanz unter allen Befragten darstellt).

2. Sozialisten

Bei den Sozialisten ist die Akzeptanz gegenüber Großfamilien und siebenbürgischen Einwanderern geringer als bei Fidesz (70 bzw. 73%), auch die Akzeptanz gegenüber Rockmusikern ist geringer (53), dafür würden Juden (ebenfalls nur 60%), Homosexuelle und afrikanische Studenten eher geduldet; etwa die Hälfte ist auch hier ablehnend. Araber würden von nur 26% der MSZP-Wähler geduldet. 

3. Jobbik

Die Wähler der rechtsradikalen Jobbik mögen Großfamilien (92%), Siebenbürger (81%) und Rockmusiker (70%, wahrscheinlich denkt man an Kárpátia…), Amis gehen gerade noch durch (58), wohingegen Juden mit 51% nur von der Hälfte akzeptiert würden. Zigeuner werden abgelehnt (22%, schlechtester Wert), Homosexuelle stehen besser da als bei Fidesz-Wählern (41), ebenso die – noch immer überwiegend negierten – Araber (18).

4. Demokratische Koalition 

Und die Wähler der „politisch korrekten“ DK? Als Jude hat man auch dort keinen echten Stein im Brett, die Akzeptanz liegt mit 53% nur zwei Punkte über der bei Fidesz. Nur 47% würden afrikanische Studenten dulden – und damit weniger als die Jobbik-Anhänger! Etwas besser stehen Araber und Zigeuner da. Und: Chinesen sollen nach DK-Lesart beliebtere Nachbarn sein als Amerikaner – vielleicht hatte man Trump vor sich.

Prost Mahlzeit…

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Landgericht Miskolc mildert Strafe gegen Roma ab – keine „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“

Das Landgericht von Miskolc (Miskolci Törvényszék) hat mit heutigem Strafurteil eine Entscheidung der Vorinstanz, die vierzehn Angehörige der Roma-Minderheit zu insgesamt 41 Jahren Haft verurteilt hatte, in wesentlichen Punkten abgeändert und das verhängte Strafmaß abgemildert.

Der Tatvorwurf und die Verurteilung in der ersten Instanz lautete auf „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“ und beinhaltete die Annahme, die Angeklagten hätten im Jahr 2009 – in der Zeit einer Mordserie gegen ungarische Roma – ein Fahrzeug angehalten und die Insassen (unter ihnen bekennende Rechtsradikale) wegen „Ungarnhasses“ angegriffen. Als Indiz galt ein Holzstock, den man in der Nähe des Tatortes gefunden und auf dem sich der Schriftzug „Tod den Magyaren“ befunden hatte. Zudem seien ungarnfeindliche Parolen gerufen worden.

Das Berufungsgericht erkannte auf den Straftatbestand des groben Unfugs (Beteiligung an einer Schlägerei, Landfriedensbruch), ließ aber den Vorwurf der rassistisch motivierten Tat fallen.

Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre. Nach einer ersten Verurteilung im Oktober 2010 wurde das Urteil wegen Verfahrensfehlern im Mai 2011 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Während der wiederholten erstinstanzlichen Verhandlung kamen dann neue Details ans Tageslicht, etwa dass es sich bei den Angegriffenen um bekennende Skinheads gehandelt hat. Die Ausgangsinstanz erkannte im Jahr 2012 dennoch abermals auf „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“.

Auch dieses Urteil wurde nun abgeändert. Es sei nicht nachweisbar, dass der besagte Stock von den Angeklagten gefertigt oder benutzt worden sei. Ebensowenig sei mit der notwendigen Sicherheit nachweisbar, dass die Angeklagten magyarenfeindliche Parolen gerufen hätten; es befanden sich weitere Unbekannte am Tatort. Wie sich während des Verfahrens herausstellte, stand jenem geständigen Angeklagten, auf dessen Aussage die Feststellung rassistischer Parolen während des Angriffs beruhte, während der ersten Vernehmung auf der Polizei kein Wahlverteidiger zur Verfügung, was nach Auffassung des Gerichts als grober Verstoß gegen die Strafprozessordnung anzusehen sei. Die Aussage dieses Angeklagten war als einer der Hauptbeweise verwertet worden, obwohl er beteuerte, sein Geständnis sei durch Gewalt der Vernehmungsbeamten erzwungen worden.

Erst vor wenigen Tagen war in einem vergleichbaren Fall die Strafe von der Berufungsinstanz (Tafelgericht von Debrecen, Debreceni Itélötábla) deutlich verschärft und der Vorwurf der Gewalt gegen eine Gemeinschaft bestätigt worden (HV berichtete). Der dort beurteilte Vorfall hatte sich im Ort Sajóbábony zugetragen. Die zwei Fälle belegen, dass der Tatbestand der „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“ auch bei Tätern Anwendung findet, die einer Minderheit angehören, dass jedoch auf die Beurteilung der Tatmotive und -umstände besonderes Augenmerk zu richten ist.

http://index.hu/belfold/2013/10/08/felmentettek_a_miskolci_romakat_a_rasszista_vad_alol/

Bence Fliegaufs „Csak a szél“ kommt in die deutschen Kinos

Bence Fliegaufs Film „Csak a szél“ kommt in die deutschen Kinos. Das Drama, das sich mit dem Leben einer ungarischen Zigeunerfamilie befasst, wurde auf der Berlinale 2012 mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet. Seit einigen Tagen erscheinen Berichte, die auf das sehenswerte und tief bewegende Werk aufmerksam machen.

HV möchte anhand einer misslungenen Filmkritik, die auf SWR2 erschien, deren Lückenhaftigkeit aufzeigen. Der Autor Herbert Spaich zeigt, ob aus politischer Korrektheit oder mangelnder sprachlicher Kenntnis, nur das Hauptthema des Films, nicht aber die wertvollen Nuancen, die Fliegauf dem Zuseher quasi im Vorbeigehen präsentiert. Diese Bilder, die den „Trüffelsuchern des Antiziganismus“ verborgen bleiben, machen den Film erst vollständig und fördern die ganze bedrückende Lebensrealität ungarischer Roma zu Tage.

http://www.swr.de/swr2/kultur-info/kulturthema/filmkritik-just-the-wind/-/id=10016988/nid=10016988/did=11754816/1l78hiz/

Der Film zeigt einen Tag im Leben der Romni Mari, ihrer beiden minderjährigen Kinder Anna und Rió sowie ihres unter den Folgen eines Schlaganfalls leidenden Vaters.

Aufhänger des Films ist der Mord an der Roma-Familie Lakatos, die von Unbekannten mit Schrotgewehren erschossen wurde. Auch die Kinder kamen dabei ums Leben. Mari ist beunruhigt, fordert ihre Kinder jedoch auf, die Schule zu besuchen. Dieser Bitte kommt nur die Tochter Anna nach, Sohn Rió beschimpft seine Schwester, die ihn wecken will, und verbringt den Tag lieber im Wald und beim Play-Station-Spiel mit anderen jungen Zigeunern. Der fehlende Schulbesuch Riós ist, anders als der SWR analysiert, allerdings mehr seiner Unlust als irgendeiner Form von Angst geschuldet – hier ist offenbar Spaichs Phantasie mit ihm durchgegangen. Es ist übrigens nicht Mari, die dem Bus hinterherläuft, sondern ihre Tochter Anna.

Mari arbeitet vormittags bei der Straßenmeisterei, nachmittags putzt sie in der Schule ihrer Kinder. Während ihre Vorarbeiterin bei der Straßenmeisterei hilfsbereit ist und ihr einen Beutel mit Kleidern für ihre Tochter schenkt, ist sie beim Job in der Schule alltäglichen Diskriminierungen durch den Hausmeister ausgesetzt. Auch hier ist Mari allerdings nicht nur unschuldiges Opfer. Sie erscheint zu spät zur Arbeit, wird vom Hausmeister deswegen ermahnt und darauf hingewiesen, „Jeder ist ersetzbar“. Mari antwortet mit einem trotzigen „Außer Dir natürlich!“.

Auch das Mobbing durch die Kollegin ist nur die halbe Realität: Als sie auf dem Posten der sich verspätenden Mari reinigt (die Turnhalle) und sie wegschicken will, ergreift Mari fluchend deren Putzeimer und wirft ihn in den Gang hinaus. Nach getaner Arbeit escheint erneut der Hausmeister und macht Anspielungen, Mari würde nach „Aas“ stinken. Aus Wut ergreift Mari das Geschirr des Hausmeisters und versenkt es in dem Putzeimer, mit dem sie kurz zuvor die Toilette gereinigt hat.

Anders als Spaich und viele seiner Kollegen in den vergangenen Tagen unisono suggerierten, handelt der Film also nicht nur von der Diskriminierung einer wehrlosen Romni, sondern auch von ihren wütenden und zum Teil bedenklichen Reaktionen. Dieses Bild zeichnet Fliegauf auch im Allgemeinen. Keine Szene zeigt dies besser als die Aufnahmen von Maris Heimweg: Sie geht durch die Siedlung und wird von einem Roma aufgefordert, mit ihm einen Schnaps zu trinken, sie könne ihm ja danach „den Schwanz lutschen“. Maris ablehnende Haltung wird von einem vorbeikommenden Nichtroma beobachtet, woraufhin dieser von den umherstehenden Zigeunern ohne Anlass wüst beschimpft („Schwuchtel“, „Wichser“) und bedroht wird. Ein Roma schlägt ihm die Mütze vom Kopf, ein anderer behauptet, er würde Streit suchen, weil sie „cigány“ seien…tatsächlich hat niemand anderes als die Roma den Konflikt provoziert. Ein weiterer Zigeuner schlichtet den Streit.

Die wohl bedrückendste Szene – außer dem tragischen Ende – bildet der Besuch Riós in dem Haus der ermordeten Familie Lakatos. Rió sucht nach Wertgegenständen, als zwei Polizeibeamte auftauchen und sich im Haus umsehen. Rió versteckt sich. Die Polizeibeamten sprechen darüber, dass es mit der Familie Lakatos „die falschen“ Zigeuner erwischt hätte, es seien keine „Parasiten“, sondern fleißige Menschen gewesen, die ihre Kinder zur Schule geschickt und ein Badezimmer besessen hätten. Der ältere Beamte äußert, er könne jederzeit die Roma aufzeigen, die es verdient hätten, so zu enden wie die Familie Lakatos, etwa jene Roma, die kürzlich eine 82-jährige Frau vergewaltigt und misshandelt hatten, um an ihre Ersparnisse von 20 Euro und eine Packung Hühnereier zu kommen. Die Szene strotzt dank der grausam fachsimpelnden Polizisten, die am Tatort Pistazienkerne verputzen und gewisse Sympathie mit den unbekannten Mördern und ihrer „Botschaft“ hegen, vor Antiziganismus und fehlender Pietät vor den Opfern. Aber auch das Bild von Gewaltverbrechen, die durch Roma begangen werden, zeigt blitzlichtartig auf eine hierzulande wenig bekannte Realität in Ungarn, die zu tiefer Besorgnis in Teilen der Gesellschaft führt und rechtsradikalen Parolen von der „Zigeunerkriminalität“ fruchtbaren Boden bietet. Diese Besorgnis kann die Parolen und Sichtweisen der Polizisten nicht rechtfertigen, gleichwohl ist sie real.

Die junge Anna, eine fürsorgliche Person, die Englisch lernt, um gemeinsam mit ihrer Familie nach Kanada zu ihrem Vater auszuwandern, ist die positive Heldin des Films. Sie kümmert sich um die kleine Romni Zita, deren total verwahrloste Mutter mit gewalttätigen Roma ihren Alltag verbringt und ihre Tochter verkommen lässt, anstatt sie zur Schule zu schicken. Hilfsbereit bringt Anna ihr Medikamente (die ihr sogleich mit den Worten „her mit den Medikamenten, Du Fotze“ von einem Zigeuner abgenommen werden) und lernt fleißig in der Schule. Das Bild der Heldin bekommt nur dadurch Kratzer, dass sie Sie Ärger um jeden Preis aus dem Weg zu gehen scheint. Das gipfelt darin, dass sie der Vergewaltigung einer Mitschülerin tatenlos zusieht und wortlos den Raum verlässt, ohne dem ihr entgegen kommenden Erwachsenen zu sagen, was passiert ist.

Am Abend findet sich die Familie wieder in ihrem kleinen Haus im Wald ein. Mari stellt ihren Sohn Rió zur Rede, weil er Kaffee gestohlen hat. Rió versucht, sich dilettantisch aus der Sache herauszulügen, was ihm aber nicht gelingt. Er möchte seiner Mutter am kommenden Tag ein Versteck zeigen, die Mutter verlangt jedoch abermals, er solle lieber die Schule besuchen.

Kurz danach beruhigt Mari ihren Sohn, ein Geräusch von draußen sei „nur der Wind“. Ein folgenschwerer Irrtum.

Nach meiner Auffassung thematisiert Bence Fliegauf mit seinem zu recht preisgekrönten Werk nicht allein das Thema „Diskriminierung der Roma“. Anknüpfungspunkt sind zwar jene tödlichen Gewaltverbrechen, denen in Ungarn in den Jahren 2008 und 2009 sechs Angehörige der Minderheit, darunter auch Kinder, zum Opfer fielen. Anders als die eindimensionalen Zuseher, die dem Film einen erhobenen Zeigefinger (nur) gegen die ungarische Mehrheitsgesellschaft entnehmen möchten, zeigt Fliegauf aber gerade die gegenseitigen Schwierigkeiten im Zusammenleben auf. Missverständnisse, gegenseitige Vorurteile und Verkrustungen, die ein gedeihliches Miteinander zunehmend erschweren. Und dafür sorgen, dass selbst bestialische rassistische Verbrechen an Landsleuten Gleichgültigkeit, Aufrechnungsmentalität und falsch verstandene Solidarität hervorrufen. „Wir“ und „Die“. Polizisten, die glauben, lebenswertes von lebensunwertem Leben unterscheiden zu können und sich bei ihrer täglichen Arbeit gewiss nicht von ihren Vorurteilen freimachen können, sind hier ebenso Mitursache des Problems wie Zigeuner, die aktiv Streit suchen und jedes eigene Fehlverhalten mit Diskriminierung „durch die anderen“ rechtfertigen wollen. Hinzu kommen Roma, die in Fliegaufs Werk quasi an jeder Ecke herumsitzen und sich mit billigem Fusel betäuben: Natürlich treibt gesellschaftliche Ausgrenzung Menschen in Armut, persönliche Verwahrlosung und Alkoholismus; doch ein Ausweg aus der Situation muss auch von der Minderheit selbst gewollt sein, wie der Rom István Forgács zu Recht betonte.

Der Wille, die eigene Situation zu verbessern, ist unter den Protagonisten nur bei Mari und ihrer Tochter Anna zu erkennen. Die entfesselte Welle von Hass verschont jedoch kein Mitglied der Familie. Das ist, wie immer, die eigentliche Tragik: Vorurteile und all ihre grausamen Folgen treffen immer die Falschen.

Es lohnt sich also, auch auf die Nebensätze des bewegenden Films zu achten, anstatt ihn nur als die heute in Mode geratene Anklage gegen die ungarische Mehrheitsgesellschaft zu verstehen. Die Welt ist komplexer: Niemand zeigte das zuletzt besser als der Autor Rolf Bauerdick mit seinem Werk „Zigeuner„. Ein Ausweg aus der beklemmenden Situation wird nur gemeinsam und ohne gegenseitige Schuldvorwürfe zu bewerkstelligen sein; und auch wenn das hier thematisierte Art von Verbrechen auch künftig nicht völlig augeschlossen werden kann, so wird eine von gegenseitigem Respekt geprägte Gesellschaft angemessen darauf reagieren: mit Empörung, Bestürzung und Trauer. Unabhängig von der ethnischen Herkunft.

Bence Fliegaufs Film ist, als Aufruf gegen Gewalt und für ein Miteinander, uneingeschränkt zu empfehlen.

Minister Balog bittet Szaniszló um Rückgabe des Táncsics-Preises

In einem heute öffentlich gemachten Brief hat der ungarische Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, Ferenc Szaniszló gebeten, den an ihn verliehenen Táncsics-Preis zurück zu geben.

In dem Brief erläutert Balog seine Beweggründe für die Preisverleihung (Ehrung von Szaniszlós Wirken als Reporter in den 80er Jahren sowie seine Arbeit als Berichterstatter in den Balkankriegen) und stellt klar, dass er von Szaniszlós jüngeren Äußerungen mit antisemitischem, rassistischem und wirr weltverschwörungstheoretischem Inhalt nichts gewusst hätte. Er bedauere die Preisverleihung und bittet Szaniszló um Rückgabe.

Balog hatte bereits zuvor erklärt, dass eine Entziehung des Preises nicht möglich sei.

Die Preisverleihung an zwei weitere umstrittene Personen – einer von ihnen ist der Sänger der rechtsradikalen Band Kárpátia – wurde von Balog nicht thematisiert.

http://www.balogzoltan.hu/balog-zoltan-levele-szaniszlo-ferencnek/

Táncsics-Preis für Ferenc Szaniszló

Während die internationale Debatte um die Verfassungsnovelle die Medien bestimmt, berichtete Index.hu heute über einen weiteren bemerkenswerten Vorgang. Man könnte von einem echten Aufreger sprechen, der einem den Magen umdreht.

http://index.hu/kultur/2013/03/14/szocs_geza_kael_csaba_es_szaniszlo_ferenc_is_allami_kituntetest_kapott/

Nach dem Bericht wurde niemand geringeres als Ferenc Szaniszló, Moderator und Host der Sendung Világ-panoráma auf dem rechtslastigen Privatsender EchoTV, aus Anlass der Feierlichkeiten des 15. März vom Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, mit dem Táncsics-Preis ausgezeichnet.

Balog (links) bei der Preisverleihung an Szaniszló (rechts)

Wer ist dieser Szaniszló? Der Zsolt Bayer für Leute mit stabilem Magen. Er steht im politischen Spektrum rechtsaußen und macht daraus in seiner Fernsehsendung keinen Hehl. In endlosen, vom Teleprompter abgelesenen, ermüdenden Monologen schwadroniert er über die vergangene  Größe Ungarns, die gegen die Magyaren gerichtete Verschwörung der „euro-atlantischen Entente“, die Kolonialmächte, die Ungarn versklaven wollten, hetzt gegen Juden, Roma und andere Minderheiten, gerne auch gegen Israel. Vom politischen Gegner ganz zu schweigen. Und tut dies in einer Art und Weise, die an Dümmlichkeit, Aggressivität und Unappetitlichkeit dem von der Westpresse zu ihrem Lieblingstroll erkorenen Zsolt Bayer weit voraus ist – im negativen Sinne, versteht sich.

Wen all das noch nicht überzeugt, dem sei gesagt, dass sogar der international als Fidesz-Gremium wahrgenommene NMHH-Medienrat, wegen jenes Szaniszló, den Sender EchoTV mit einer Geldbuße wegen rassistischer Äußerungen belegt hat. Kurzum: Szaniszló stellt den intellektuellen und stilistischen Bodensatz der ungarischen Medienlandschaft dar.

Wann lernt Fidesz, was man sich in der Politik erlauben kann und was nicht? Hat die internationale Reaktion auf Zsolt Bayer, den Fidesz-Politiker ebenfalls schon mit dem Madách-Preis Preis für kaum in Worte zu fassende kulturelle „Verdienste“ bedacht haben, nicht gereicht? Wann lernt Fidesz das Prinzip von Ursache und Wirkung, wann endlich Kunst der Kommunikation und all ihrer Bestandteile? Weshalb ist die Partei nicht in der Lage oder Willens, der fehlenden Professionalität einer Jugendbewegung zu entwachsen, ihre Politik anständig und ohne Arroganz zu erklären? Weshalb muss sie Zeichen setzen, die von der interessierten ausländischen Öffentlichkeit als Affront gegen die Grundregeln des zivilisierten Miteinander verstanden werden müssen? Bayer, Nyirö, Wass, Horthy, nun Szaniszló: Wer das Tor zur politischen Gosse aufstößt, der darf sich nicht wundern, wenn die Nachbarn sich über den üblen Geruch beschweren.

Wer mir nicht glaubt und einen stabilen Magen hat, dem präsentiere ich – unter ausdrücklichem Protest gegen die Äußerungen Szaniszlós – zwei  Auschnitte aus seiner Sendung:

Man könnte zahllose Videos dieser Art verlinken.

Werte Regierungsartei: Sie können Heerscharen von „Staatssekretären für internationale Kommunikation“ beschäftigen. Eine einzige Preisverleihung an Szaniszló macht vieler Monate, vielleicht gar Jahre anstrengender Arbeit zunichte.

Fidesz ist aufgefordert, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, anstatt sie zu wiederholen. So lange Szaniszló, Bayer und ihre Seelenverwandten mit staatlichen Preisen bedacht werden, anstatt zurechtgewiesen zu werden, muss die Partei damit leben, dass ihre Zugehörigkeit zu den bürgerlichen Parteien Europas mitunter in Zweifel gezogen wird.

Rassismusvorwürfe gegen Ungarns Botschafter in Norwegen

Harte Zeiten für Géza Jeszenszky, Ungarns Botschafter in Norwegen. Jeszenszky, der den Wendeprozess in Ungarn aktiv mitgestaltete, bereits im ersten frei gewählten Kabinett von Ministerpräsident József Antall nach der Wende das Amt des Außenministers bekleidete und später (1998-2002) Botschafter in Washington war, sieht sich derzeit heftiger Kritik wegen eines von ihm verfassten Beitrages ausgesetzt. Der Vorwurf könnte härter nicht sein: Rassismus und Antiziganismus.

Hintergrund der von oppositionellen Medien bereits als „Jeszenszky-Affäre“ bezeichneten Angelegenheit sind Äußerungen des Botschafters in einer Publikation zur Minderheitenthematik. Jeszenszky hatte, in seiner Rolle als Privatdozent der Budapester Corvinus Universität, in einem von ihm publizierten Aufsatz mit dem Titel „Minorities in Hungary – The issue of the Roma (Gypsies). Minority Self-government“ folgende Aussage getroffen:

The reason why many Roma are metally ill is because in Roma culture it is permitted for sisters and brothers or cousins to marry each other or just to have sexual intercourse with each other.

(„Der Grund dafür, dass viele Roma geistig krank sind, liegt darin, dass es die Roma-Kultur zulässt, dass Geschwister oder Cousins/Cousinen heiraten oder auch nur Geschlechtsverkehr miteinander haben„).

Harte Worte, die unmittelbar den Vorwurf des Rassismus nach sich zogen. Jeszenszky verteidigte sich damit, dass die Aussage wortwörtlich aus einem medizinischen Fachbuch stamme. Die Corvinus-Universität distanzierte sich von dem Beitrag – laut Jeszenszky, ohne ihn vorher angehört zu haben.

Die grün-alternative Oppositionspartei LMP und die Gyurcsány-Formation DK forderten postwendend Jeszenszky Abberufung als Botschafter, dieser wurde sogar von einer Konferenz zu Ehren des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der als Judenretter in der Zeit des ungarischen Nationalsozialismus agierte, ausgeladen. Als einer der Mitorganisatoren.

Er bezeichnete die Kritik an seiner Person als politisch motiviert und lehnte einen Rücktritt ab. In der Fernsehsendung „Közbeszéd“ (Duna tv) vom 31.10.2012 nahm er zu den Vorwürfen Stellung. In einem weiteren Interview im oppositionellen Sender ATV („Egyenes Beszéd„) betonte er, er bitte alle, die sich von seien Worten verletzt fühlten, um Verzeihung.

Überraschende Rückendeckung erhält der Gescholtene – worüber in der deutschsprachigen Presse kein Wort zu lesen ist – aus den USA.  Zu den Unterstützern gehört der heftige Orbán-Kritiker und Berater der US-Regierung Charles Gati (Professor an der Johns Hopkins Universität), der den Vorwurf gegenüber Jeszenszky für falsch hält und betont, seine Aussagen ließen unterschiedliche Interpretationen zu. Zu Gati gesellten sich der ehemalige ungarische Botschafter in Washington (2002-2007), András Simonyi, wie auch István Deák, emeriterter Professor der University of Columbia. In einem gemeinsam verfassten Brief heißt es unter anderem:

Die Unterzeichner, die Géza Jeszenszky seit Jahrzehnten kennen, halten den Vorwurf, er sei Rassist oder nähre Vorurteile gegen irgend eine Gruppe oder Minderheit, für nicht hinnehmbar.“ (…) „Im Gegenteil, als Dozent, Autor und Kollege hat er bewiesen, dass er sich der unvoreingenommenen wissenschaftlichen Forschung, der Völkerverständigung und dem Schutz von Minderheiten verpflichtet und ein Gegner extremistischer Denke und Ausgrenzung ist.

(„Alulírottak, akik Jeszenszky Gézát évtizedek óta ismerjük, elfogadhatatlannak tekintjük azt a vádat, hogy ő rasszista, vagyis bármely csoporttal, kisebbséggel szemben előítéleteket táplál”. „Ellenkezőleg, tanárként és szerzőként, vagyis kollégánkként bebizonyította, hogy ő az elfogulatlan tudományos vizsgálat, a nemzetközi megértés és a kisebbségek védelmének elkötelezettje, a szélsőséges gondolkodás és a kirekesztés ellenfele”)

Zugleich riefen die drei Verfasser die Corvinus-Universität auf, den Dozenten anzuhören und ihn zu den Vorwürfen Stellung nehmen zu lassen.

In einem weiteren Brief widersprechen18 amerikanisch-ungarische Intellektuelle den gegen Jeszenszky erhobenen Vorwürfen.

http://mno.hu/kulfold/nem-akarkik-allnak-ki-jeszenszky-mellett-1115134

http://index.hu/belfold/2012/10/26/jeszenszky_geza_szerint_a_romak_kozott_hazasodhatnak_a_testverek/

http://www.politics.hu/20121031/uproar-over-ambassadors-comments-on-roma/

http://www.politics.hu/20121105/hungarian-american-intellectuals-defend-ambassador-over-racism-charges/

http://www.nepszava.hu/articles/article.php?id=597619

http://hetivalasz.hu/itthon/a-heti-valasz-online-megszerezte-azt-a-levelet-amely-tanusitja-az-orban-kormany-nagy-biralojanak-kiallasat-a-nagykovet-mellett-56510/

Viktor Orbán und Romani Rose: Gegenseitiges Lob und (natürlich) prompte Kritik im Tagesspiegel

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat den Vorsitzenden des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, mit dem ungarischen Verdienstorden (Mittelkreuz) ausgezeichnet. Orbán ehrte Rose für seinen Einsatz beim Wiederaufbau von Häusern in Roma-Siedlungen in Ungarn. Diese waren in den Jahren 2008 und 2009 durch rechtsradikale Straftäter zerstört worden; in dieser Phase kam es zu mehreren Mordanschlägen an Roma.

Der Tagesspiegel berichtet:

http://www.tagesspiegel.de/politik/ungarn-orbn-ehrt-den-vorsitzenden-des-zentralrats-der-roma/7243294.html

Matthias Meisner, der über die Ehrung berichtet, tut sich sichtlich schwer damit, Orbáns Fidesz-Partei kritiklos davonkommen zu lassen. Der Beitrag beginnt bereits mit der Aussage, „Ausgerechnet“ Viktor Orbán habe Romani Rose ausgezeichnet, gerade so, als wäre dies ein zwingender Widerspruch. In den Köpfen der politischen Gegner von Fidesz offenkundig schon, tatsächlich jedoch nicht, denn unter der Regierung Orbáns hat Ungarn erstmals ein Konzept vorgelegt, wie die Probleme der Zigeuner in Ungarn (und in der EU) gelöst werden könnten. Ein Konzept, zu dem von links im wesentlichen verstörtes Grummeln kam – ist es doch wenig erfreulich für manch einen selbsternannten Weltverbesserer, der zugleich natürlich Orbán-Gegner sein muss, zuzugestehen, dass manch ein Ansatz dieser Politik richtig ist. Aber „rechts“ und „Minderheitenpolitik“ vertragen sich im Weltbild vieler eben nicht. Und das Gerede um „Zwangsarbeit“, einem Lieblingsthema linker Medienvertreter im deutschsprachigen Raum (da wurden

Meisner versteigt sich gar zu der Behauptung, Orbán habe dem Rassismus „Kritikern zu Folge“ Vorschub geleistet. Wer diese Kritiker sind, sagt Meisner nicht – er ist es wohl selbst, der so denkt. Als Beleg für die These, nach der „Antiziganismus in weiten Teilen der Bevölkerung Konsens“ sei, nimmt Meisner sodann Bezug auf eine Aussage des bekannt kritischen Spiegel-Korrespondenten Keno Verseck, der – was nicht uninteressant ist – offenbar auch für Anmesty International schreibt. Und auch Kritik an einer vermeintlichen Anknüpfung an der Horthy-Ära fehlt nicht, diesmal in Bezug genommen: Stephan Ozsváth, seit September 2012 ARD-Korrespondent in Wien. Und als Beleg dafür, dass nicht nur linke Kreise Orbán kritisch beäugen, wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass es die Zeitung des Zentralkommitees der deutschen Katholiken sei, die solche Thesen abdrucke. Nun: Ozsváth schreibt auch für die Jungle World. Interessanter als der Ort der Publikation wäre es für die Leser des Tagesspiegel wohl gewesen, zu erfahren, wie viele Horthy-Statuen aufgestellt wurden. Samt und sonders veranlasst übrigend nicht etwa von der Regierung Orbán, sondern von den entsprechenden Gemeinden.

Die codierte Botschaft des Tagesspiegel: Orbáns Ehrung von Romani Rose ist unerhört, denn er selbst treibt Rassismus voran. So einfach ist die Welt, glaubt man Herrn Meisner. Offenbar dürfen nur Linke und Antifaschisten mit Minderheitenvertretern kommunizieren und sie auszeichnen, ein Eindruck, der sich verstärkt, wenn man die von links kommenden hämischen Bezeichnungen der ungarischen Romavertreter ansieht, die mit der Regierung zusammenarbeiten wollen. Da wurde, unter Wegfall sämtlicher sonst geforderter politischer Korrektheit, plötzlich von Alibi-Roma oder Quotenzigeunern geschrieben. So ist es eben, wenn es mehr darum geht, Themen für sich zu beanspruchen, als Probleme anzugehen; Verräter werden nicht geduldet.

Boris Kálnoky in der WELT: Ungarns Kampf gegen die Armut der Roma

Der Journalist Boris Kálnoky hat einen längeren Bericht für die Tageszeitung WELT verfasst. Er thematisiert die Situation der ungarischen Roma. Kálnoky sprach unter anderem mit Zoltán Balog, dem Minister für „Humanressourcen“ (ein Mega-Ministerium, das u.a. das Sozial- und Bildungsressort vereint) und der Menschenrechtsaktivistin Kriszta Bodis in Ózd.

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article109681010/Ungarns-Kampf-gegen-die-Armut-der-Roma.html

Ákos Kertész: Holprige Erklärungsversuche auf ATV

Ákos Kertész war zu Gast in der Sendung „Start Plusz“ des Fernsehsenders ATV und sprach über seine umstrittenen Äußerungen.

http://atv.hu/videotar/20110906_botranyt_kavaro_kijelentesek

Kertész betonte, er stehe zu seinen Aussagen, bedauere sie nicht und habe auch nichts zurückzunehmen. Er habe seine Worte so gewählt, weil dies seine Überzeugung sei.

Wie bereits László Bartus in der US-Népszava, stellt auch er seine in Ungarn mit Verärgerung und Bestürzung aufgenommene Wortwahl, die „Ungarn seien genetisch zu Untertanen geboren“, als schriftstellerische Metapher dar. In einer „wissenschaftlichen Publikation“ hätte er den Begriff „genetisch“ nicht verwendet, denn dies sei unzutreffend. Jedoch falle der von ihm verfasste Beitrag in die Kategorie Journalismus und damit in eine Art „ästhetische Disziplin“, weshalb man ruhig derartige Worte wählen könne.

Bedenkt man den berechtigten Aufruhr um die Pamphlete eines Zsolt Bayer und (früher) eines István Csurka, so sind die Aussagen von Kertész durchaus bemerkenswert: Als Mitglied der schreibenden Gilde dürfte man hiernach alles sagen. In die gleiche Richtung ging ja bereits László Bartus in der Népszava. Was dazu führen würde, dass jedes Hasspamphlet und Kollektivbeleidigung, in eine literarische oder journalistische Form gegossen, als Kunstfreiheit durchginge. Der Verfasser könnte sich beliebig exkulpieren, er habe ja nicht „im wissenschaftlichen Sinne“ gesprochen.

Mich überzeugen die Worte Kertész nicht. Die Sturheit, mit der er versucht, seine missglückten Aussagen zu rechtfertigen, ist mitleiderregend. Dass diese weitreichende Kritik – entgegen der Aussage von László Bartus – nicht allein rassistisch motiviert ist (dies mag zwar auf einige Aussagen des rechtsextremen Lagers zutreffen), dürfte der Umstand zeigen, dass auch der insoweit völlig unverdächtige Philosoph Gáspár Miklós Tamás und der LMP-Vorsitzende András Schiffer die Aussagen als falsch und unpassend bewertet haben. Ganz zu schweigen von der Fidesz-EU-Abgeordneten Ágnes Hankiss, der man hoffentlich aus ihrer Parteizugehörigkeit nicht per se Antisemitismus unterstellen möchte – sie ist Tochter des wegen seiner jüdischen Abstammung in die KZs Sachsenhausen und später Buchenwald deportierten Péter Erdös.