Das Internetportal Index.hu berichtet heute über die – mutmaßliche – Ursache für das von den USA gegenüber bislang sechs ungarischen Staatsbürgern verhängte Einreiseverbot (HV berichtete). Wie Index berichtet, gehe es um organisierten Umsatzsteuerbetrug auf dem Speiseölmarkt, durch den ein erheblicher Schaden für die übrigen Marktteilnehmer, u.a. das in US-amerikanischem Eigentum stehende Unternehmen Bunge, entstehe. Ferner soll es zu Bestechungsversuchen gekommen sein.
Bunge habe bereits vor 2-3 Jahren den Unmut darüber geäußert, allein auf dem Markt für Sonnenblumenkerne und Rapssamen geschätzte 20-25 Mrd. HUF (6,6 bis 8,3 Mio EUR) Umsatzsteuern auf Grund von Betrügereien nicht bezahlt würden, was einen Umfang von 20% des Gesamtmarktes ausmache. Aus diesem Grund liege – wegen der höheren Einstandskosten für „ehrliche“ Produzenten – der Ladenpreis für die von Bunge produzierten Sorten „Vénusz“ und „Floriol“ deutlich über denen der Konkurrenz (nach Angaben von Index.hu ein Preisunterschied von rund 30-35%).
Obwohl sich Bunge mit der dem ungarischen Großunternehmer und OTP-Chef Sándor Csányi gehörenden Unternehmen Bonafarm zusammentat und um Einschreiten der Steuerfahndung bat, soll von Seiten der Nationalen Steuerbehörde NAV nichts geschehen sein. Nach Angaben von Index.hu habe diese Untätigkeit weniger an fachlicher Inkompetenz als am Unwillen zum Einschreiten gelegen. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass vor einigen Monaten ein „Whistleblower“ aus der NAV bekannt gemacht hatte, dass in der Behörde systematisch große Steuerhinterziehungen nicht verfolgt und damit gedeckt würden. Der Whistleblower, András Horváth, wurde entlassen, Konsequenzen im Bezug auf das von ihm angeprangerte Fehlverhalten innerhalb der NAV sind bis heute nicht bekannt.
Zusätzlich soll laut Index.hu eine „regierungsnahe“ Person auf Bunge zugekommen sein und angeboten haben, eine gegen das Unternehmen Untersuchungen der NAV „abzustellen“, wenn Bunge eine bestimmte Stiftung finanziell unterstützen würde. Letztlich sei hiermit eine straflose Teilnahme an den Umsatzsteuerkarussellen angeboten worden.
Sollten die USA ihre Entscheidung auf Grundlage dieser – bislang unbestätigten – Meldungen getroffen haben, so würde dies erklären, warum die Leiterin der NAV, Ildikó Vida, vom Einreiseverbot betroffen ist. Ob der BErater des Ministerpräsidenten Viktor Orbán, Árpád Habony, jene Person aus regierungsnahen Kreisen ist, die Bunge das eben skizzierte „unmoralische Angebot“ gemacht hatte, ist bislang ebenso unklar wie die Frage, ob die zu fördernde Stiftung die regierungsnahe „Századvég“ ist (deren Leiter, Péter Heim, soll ebenfalls vom Einreiseverbot betroffen sein). Fest steht, dass der organisierte Umsatzsteuerbetrug – gerade im Bereich von Lebensmitteln und deren Ausgangsprodukte – in Ungarn eines der größten steuerlichen Probleme (neben der systematischen Anmeldung von Arbeitskräften auf Mindestlohnbasis) darstellt.
Klar ist ebenfalls, dass – sollten sich die Meldungen bestätigen – dies der seit dem groß angelegten Steuerbetrug mit Mineralöl in den 90er Jahren („Olajügy“) wohl größte Fall von organisierter Kriminalität im Bereich der Politik wäre. Seinerzeit hatte es systematische Umdeklarierungen von steuerbegünstigtem Heizöl in Dieselkraftstoff gegeben (hier mehr zum Thema): Der Umfang der Ölmaffiageschäfte war so immens, dass dieser wohl ohne Kenntnis der Strafverfolgungs- Zollbehörden und der Politik jedweder Couleur nicht möglich gewesen wäre.
http://index.hu/gazdasag/2014/10/20/usa_kitiltas_korrupcio_nav_szijjarto_orban_kormany_bunge_kormanykozeli_alapitvany_afacsalas_botrany/
http://index.hu/belfold/2014/10/20/hat_embert_tiltottak_ki_amerikabol/