Umfrage: Geplanter EU-Angriff auf freie Wahlen oder Schmierenkampagne?

Gestern erschienen Meldungen ungarischer Medien zu den angeblichen Äußerungen der EU-Kommissarin Viviane Reding, die auf dem Treffen der „Bilderberg-Gruppe“ in eine Beeinflussung der ungarischen Wahlen im kommenden Jahr eingewilligt haben soll. HV berichtete: https://hungarianvoice.wordpress.com/2013/06/19/politskandal-oder-ablenkungsmanover-hat-eu-kommissarin-viviane-reding-die-unterstutzung-der-ungarischen-opposition-fur-2014-zugesagt/

Es herrscht Unklarheit. Reding, die nach einem höheren Posten in der EU strebt, hat die Vorwürfe bestritten. Die Pressestelle der Kommission will Spekulationen nicht im Detail kommentieren. István Lovas von der regierungsnahen Zeitung Magyar Namzet beruft sich auf einen italienischen Informanten aus Kommissionskreisen. Ungarische Regierungskreise glauben den Vorwürfen, geben sich empört und hoffen weitere Beweise.

EU-Skandal oder Schmierenkampagne? Was oder wem glauben Sie? Wollen mächtige Kreise aus Wirtschaft, Hochfinanz und Politik hinter verschlossenen Türen Wahlausgänge beeinflussen? Oder dient die Meldung dazu, von der Negativpresse dieser Woche (Tavares-Bericht, Stellungnahme der Venedig-Kommission) abzulenken?

Weitere Kontroverse zu Ungarn: Prof. Detlef Kleinert vs. Júlia Váradi – mit Umfrage

Da wir in der Zeit der Kontroversen über Ungarn leben, möchte ich den Lesern des Blogs eine Kontroverse zweier Kommentatoren in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ von Ende Dezember 2011 nicht vorenthalten.

Es traten gegeneinander an: Prof. Detlef Kleinert, ehemals ARD-Südosteuropakorrespondent in Wien, und Júlia Váradi, Mitarbeiterin u.a. des oppositionsnahen Radiosenders Klubrádió in Budapest.

Anlass der Kontroverse war die Auszeichnung zweier ungarischer Journalisten, Mária Vásárhelyi und Dániel Pál Rényi durch die Organisation „Reporter Ohne Grenzen“.

Die Vorlage lieferte Kleinert, der er die Auffassung vertrat, vieles der heutigen Kritik an Ungarn sei weniger von ehrlichenrSorge um die Pressefreiheit, als vielmehr von ideologischen Motiven – konkret: Parteinahme für die heutige Opposition – bestimmt:

http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/720019/Es-geht-um-Ideologie-nicht-um-Pressefreiheit?from=suche.intern.portal

Einige Auszüge:

Seit die Ungarn den Fehler begangen haben, „falsch“ zu wählen, reißen die Kampagnen nicht ab. Freilich, es sind immer die gleichen durchsichtigen Phrasen, mit denen der Untergang der Demokratie beschworen wird, es sind immer die gleichen Gestalten, die – vom Heil des Sozialismus getragen – die Freiheit in Gefahr sehen, und es sind immer dieselben Kronzeugen, die sich da als Informanten zur Verfügung stellen. Man kennt all die billigen, längst widerlegten Vorwürfe, ist nicht einmal mehr verstimmt.“

Dabei soll keineswegs übersehen werden, dass sich die Regierung Orbán vielfach ungeschickt verhalten hat, so auch bei der Neuordnung der Medienlandschaft.

Die Letzten aber, die nun vom Tod der Pressefreiheit reden sollten, sind jene Kolonnen, die zuvor die korrupten linken Regierungen unterstützt haben, denen es mitnichten um Pressefreiheit, sondern vielmehr um Ideologie geht. Wie gesagt: Die Ungarn haben halt „falsch“ gewählt, deshalb müssen die Blockwarte des Klassenkampfes in Österreich und Deutschland nun ihre Kampagnen fahren.“

Bleibt an Substanz: Die Organisation „Freedom House“ hat Ungarn in Sachen Pressefreiheit in der Kategorie „frei“ eingestuft, und Preisträger Renyi hat bei der Preisverleihung in Wien darauf hingewiesen, dass es keinen einzigen konkreten Fall für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Ungarn gebe.“

Váradi stellte in ihrer Replik die Ungarn-Kompetenz Kleinerts in Frage und weist den Inhalt seines Kommentars, wie auch den Tonfall, als „aggressiv und ignorant“ zurück:

http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/720026/Aggressivitaet-Ignoranz-verblueffen

Es ist zwar nicht meine Aufgabe, darüber zu spekulieren, warum ein ehemaliger Balkan-Korrespondent einer deutschen Fernsehanstalt, der nach meinen Informationen kaum je über Ungarn berichtet hat, nun in einer so aggressiven und zugleich ignoranten Weise die Kritiker der Orbán-Regierung angreift. Es ist auch nicht meine Absicht, das Mediengesetz, dessen fragwürdige Bestimmungen das ungarische Verfassungsgericht dieser Tage verworfen hat, zu analysieren. Ich bin überzeugt, dass die Leser der „Presse“ über die Lage im Nachbarland vollauf informiert sind.“

Ob und warum zum Beispiel Maria Vasarhelyi gegen zwei „linke Kollegen“ (übrigens wegen frauenfeindlicher und beleidigender Adjektive) prozessiert, hat nichts zu tun mit ihren von der Jury anerkannten Leistungen als Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin.

Ob sie und ihr junger preisgekrönter Kollege, Daniel Pal Renyi, für linke oder rechte Zeitschriften schreiben, hat nichts zu tun mit dem Wahrheitsgehalt ihrer Enthüllungen über die Mediensituation oder Schlüsselfiguren an der Spitze der allmächtigen Kontrollorgane.“

Was mich als langjährige ungarische Rundfunkjournalistin verblüfft, ist die Tatsache, dass jemand, der selbst Journalist ist, eine so angesehene Institution wie „Reporter ohne Grenzen“ und die beiden Preisträger unvermittelt angreift. Dies geschieht in einem Stil und mit Adjektiven, die aus diversen Rechtfertigungs- und Berichtigungsbriefen ungarischer Botschafter (nicht zuletzt auch in Wien) und aus Kommentaren regierungsnaher Medien bekannt sind: „Es sind immer die gleichen durchsichtigen Phrasen, mit denen der Untergang der Demokratie beschworen wird…“ Zu dieser Taktik gehört auch die Methode, die Kritiker persönlich anzugreifen und zu diskreditieren.“

Übrigens: Erst in der vergangenen Woche hat die ungarische nationale Medienbehörde dem letzten freien Radiosender „Klubradio“ die Frequenz entzogen.“

Der von Kleinert erwähnte Freedom House Bericht (2011) ist hier abrufbar:

http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=22&year=2011&country=8053

Mehr zur Diskussion um Klubrádió hier:

https://hungarianvoice.wordpress.com/2011/12/21/klubradio-erste-einzelheiten-der-ausschreibung-bekannt/

https://hungarianvoice.wordpress.com/2011/10/01/klubradio-die-mar-vom-anschlag-auf-einen-unabhangigen-sender/

Umfrage zu den Gesprächen um den IWF-Kredit

Der ungarische Verhandlungsführer Tamás Fellegi befindet sich zu Vorgesprächen mit dem Internationalen Währungsfonds über die Gewährung einer Notfall-Kreditlinie in den USA. IWF und die Europäische Kommission pochen auf eine Änderung des jüngst reformierten Notenbankgesetzes, das nach Ansicht von Kritikern die Unabhängigkeit der Notenbank entgegen der Vorschriften des EU-Rechts beschränkt. Werden die Vorgespräche und die anschließend geplanten Verhandlungen zum Erfolg führen?