Die ungarische Linksopposition hat der regierenden Fidesz-Partei von Premier Viktor Orbán am heutigen Tage ein politisches Weihnachtsgeschenk – in Bezug auf die Parlamentswahl im Frühjahr 2018 – beschert: Gergely Karácsony, Ehemaliger LMP-Abgeordneter und Co-Chef der LMP-Abspaltung „Párbeszéd Magyarországért“ (Dialog für Ungarn), wird gemeinsamer Kandidat der Solzialisten (MSZP) und der Demokratischen Koalition (DK) für das Amt des Premiers.
MSZP und die von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány geführte DK wollen sich zudem für alle 106 Direktwahlkreise auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Die Listen bleiben aber getrennt. Interessant: Nach einem Bericht des Nachrichtenportals 444.hu wird Karácsony weder als Direktkandidat antreten, noch scheint „seine“ Partei an der Wahl teilnehmen zu wollen. Ob dies allerdings so bleiben wird, ist fraglich.
Die aktuelle Entwicklung zeigt die seit Jahren katastrophale Personalsituation der Linken: Gyurcsány ist, bis auf seine wenigen Förderer und (meist jenseits des 70. Lebensjahres befindlichen) Bewunderer kein tragbarer Kandidat, weil er Stimmen des Mitte-Rechts-Lagers nicht vereinnahmen kann. Die Sozialisten hingegen haben ihren ursprünglichen Hoffnungsträger László Botka, den für MSZP-Maßstäbe sehr beliebten Bürgermeister von Szeged, durch dessen Verzicht auf die Spitzenkandidatur verloren. Also alles wieder zurück auf Los.
Nun scheint Karácsony, der in aktuellen Umfragen immerhin als beliebtester Politiker Ungarns gilt, die „letzte Hoffnung“ zu sein, um eine neuerliche 2/3-Mehrheit des Rechtsbündnisses aus Fidesz und Christdemokraten (KDNP) zu verhindern. Die Chancen stehen allerdings denkbar schlecht: Fidesz steht nach einer aktuellen Republikon-Umfrage in der Wählergunst besser denn je (57%), die Opposition siecht dahin. Weder programmatisch noch personell gibt es mehrheitsfähige Angebote. Nur die mit ihrem Zugang zur schreibenden Zunft gesegneten Orbán-Kritiker im In-und Ausland schreien wie eh und je und werden versuchen, das Ruder herum zu reissen: Im Ergebnis wohl so erfolgreich wie 2010 und 2014…
Die von der Holocaust-Überlebenden Ágnes Heller als potenzieller Kooperationspartner der Linken ins Spiel gebrachte rechtsradikale Jobbik und ihr Vorsitzender Gábor Vona stehen ihrerseits wegen angeblich illegaler Parteienfinanzierung unter Druck und scheiden wohl als Zünglein an der Waage aus; Jobbik dürfte dem Kandidaten Karácsony zudem die Gefolgschaft verweigern. Alles sieht somit – jedenfalls derzeit – danach aus, als ginge es der Opposition zum dritten Mal in Folge wieder nur darum, den bevorstehenden Wahlverlust zu verwalten, den Schaden zu begrenzen. Nichts eignet sich besser als Indiz hierfür als der Umstand, dass Gyurcsány offenbar nicht Spitzenkandidat werden will. Der Politiker, der fernab des Verdachtes steht, auch nur leiseste Selbstzweifel zu hegen, und sich seit je her als einziger aussichtsreicher Herausforderer Orbáns sieht, weigert sich wohl nur, das Ruder der bereits auf den Eisberg zurauschenden Titanic zu übernehmen. Er übernimmt nur den (sicheren) Listenplatz 1.