Änderung des Bodengesetzes: Staatspräsident Áder verweigert Unterschrift und stellt Normenkontrollantrag

Der ungarische Staatspräsident János Áder hat die Unterschrift unter die im April verabschiedeten Änderungen des Bodenrechts verweigert. Kern der Neuregelung ist, einen ganz überwiegenden Teil der ungarischen Nationalparks dem Nationalen Bodenfonds zuzuführen. Kritiker und Umweltschützer befürchten, dass die Interessen des Umweltschutzes fortan den Bewirtschaftungsinteressen regierungsnaher Kreise weichen müssen. Der Bodenfonds verwaltet im staatlichen Eigentum befindliche landwirtschadtliche Nutzflächen und vergibt die Nutzung über zumeist langfristige Pachtverträge; in Anbetracht der EU-Subventionen ist die Beschaffung günstiger Bewirtschaftungsflächen zumeist mit hohen Renditen verbunden und zieht – anders als das ofizielle Ziel der Verhinderung von Bodenspekulation – auch Personenkreise an, die zuvor nie in der Landwirtschaft zu tun hatten. Zu den großen Gewinnern gehören fidesznahe Kreise, etwa Lörinc Mészáros, der Bürgermeister von Felcsút, dem Heimatort des ungarischen Ministerpräsidenten, sowie der mit der Familie des Premiers wirtschaftlich eng verflochtene János Flier.

Áder hat dem Verfassungsgericht drei Themenkreise zur Vorab-Normenkontrolle vorgelegt, über die binnen 30 Tagen zu entscheiden ist:
1. Wurde bei den Abstimmungen die erforderliche Mehrheit der Stimmen erreicht? Konkret: Wurde mit den Stimmen der Mehrheit beschlossen, obwohl eine qualifizierte Mehrheit erforderlich gewesen wäre?

2. Wird das bislang erreichte Niveau des Umweltschutzes bewahrt?

3. Greifen die Neuregelungen in früher rechtswirksam geschlossene Verträge ein?

Die vollständigen Anträge sind hier abrufbar: http://www.keh.hu/pic/upload/files/20150508_AB_inditvany_T_3788_nemzeti_park.pdf

St.-Stephans-Orden für Imre Kertész und Ernö Rubik

Der ungarische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Imre Kertész sowie der Erfinder des Zauberwürfels, Ernö Rubik, wurden heute vom ungarischen Staatspräsidenten János Áder mit dem St.-Stephans-Orden, der höchsten ungarischen Auszeichnung, geehrt.

Besondere Kontroversen löste die Auszeichnung des Holocaust-Überlebenden Kertész in regierungskritischen Kreisen aus. Hier war man – in Anbetracht vergangener Anfeindungen gegenüber Kertész (auch) aus regierungsnahen Kreisen – über die Auszeichnung überrascht und machte keinen Hehl aus der Hoffnung, Kertész würde sie ausschlagen. Kritiker bewerten die Auszeichnung als Versuch der Regierung, Kertész als „Feigenblatt“ gegen Vorwürfe (angeblicher) antisemitischer Tendenzen in der Regierungspolitik zu nutzen. Kertész solle die Regierung nicht durch Annahme der Auszeichnung „legitimieren“.

http://derstandard.at/2000004519605/Umstrittene-Ehrung-fuer-Autor-Kertesz

http://index.hu/belfold/2014/08/19/vegyes_a_kertesz-kituntetes_fogadtatasa/

http://tablet.hvg.hu/itthon/20140820_friss_fotok_kertesz_imre

http://www.atv.hu/videok/video-20140818-schmidt-maria

4. Verfassungsnovelle formell unwirksam?

Wie ungarische Medien heute berichten, könnte die 4. Verfassungsnovelle wegen eines Verstoßes gegen Formvorschriften fehlerbehaftet sein. Sowohl der Parlaments- als auch der Staatspräsident sollen – ausweislich von Angaben auf der Parlaments-Homepage – ihre Unterschriften nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen geleistet haben. So berichtet die Internetseite des oppositionellen Fernsehsenders ATV.hu.

http://atv.hu/belfold/20130326_kover_ezt_szeretnek_elhitetni_ervenytelen_a_negyedik_alaptorveny_modositas

Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte am 11.03.2013, laut ATV soll die Unterschrift von Parlamentspräsident László Kövér am 18.03., die von Staatspräsident János Áder am 25.03.2013 geleistet worden sein.

Bei Durchsicht der abrufbaren pdf-Dokumente bestätigten sich diese Angaben zunächst nicht.

Fest steht, dass die Verabschiedung am 11.03.2013 erfolgte. Zutreffend ist auch, dass die mit der Unterschrift versehene Fassung des Gesetzes laut Eingangsstempel am 18.03.2013 beim Staatspräsidenten eintraf. Zum Datum der Unterschrift durch Kövér geben die online abrufbaren Unterlagen allerdings nichts her. Die an den Staatspräsidenten versendete Fassung ist hier einsehbar. Kövér teilte auf Anfrage mit, das Gesetz am 15.03.2013 unterzeichnet zu haben. Hingegen ist in der Datenbank des Parlaments der 18.03.2013 vermerkt.

Auch das von ATV.hu bekannt gegebene, angebliche Datum der Unterzeichnung durch den Staatspräsidenten ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Die Dokumente deuten darauf hin, dass das Staatsoberhaupt dem Parlamentspräsidenten mitteilte, das Gesetz am 20.03.2013 unterzeichnet zu haben. Die Mitteilung trägt allerdings einen Datumsstempel „2013 Marc. 25.“, d.h. den 25.03.2013, ebenso wie der gestrige Eintrag in der Datenbank. Eingangsdatum dieser Mitteilung bei László Kövér war der 26.03.2013. Das Dokument ist hier abrufbar.

Auf der Parlaments-Internetseite ist als Verkündungsdatum („kihirdetés dátuma“) der 25.03.2013 genannt.

Die zu klärende Frage wird nun sein, ob a) die Unterschriften rechtzeitig geleistet wurden und, auch für den Fall rechtzeitiger Unterzeichnung b) sich die im Grundgesetz vorgesehene Frist von 5 Tagen (Art. S Abs. 3 GG, 6 Abs. 3 GG) sowohl bei Parlaments- als auch Staatspräsident nur auf die Unterschriftsleistung bezieht, oder ob die von Kövér unterzeichnete Grundgesetznovelle in Anwendung des Art. 6 Abs. 3 GG zusätzlich innerhalb von 5 Tagen an Áder hätte versandt, vielleicht sogar dort eintreffen müssen. Wenn ja, könnte die 5-Tages-Frist auch bei rechtzeitiger Unterzeichnung versäumt worden sein. In beiden Fällen wäre dem Verfassungsgericht die Möglichkeit einer Formalprüfung eröffnet.

Ebenso fällt auf, dass das Schreiben Áders zwar auf das Unterschriftsdatum „20.03.2013“ verweist, aber offenbar erst am 25.03.2013 ausgefertigt wurde (Datumsstempel).

Der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes lautet:

Art. S Abs. 3:

„Az Alaptörvényt vagy az Alaptörvény módosítását az Országgyûlés elnöke aláírja, és megküldi a köztársasági elnöknek. A köztársasági elnök az Alaptörvényt vagy az Alaptörvény módosítását a kézhezvételétõl számított öt napon belül aláírja, és elrendeli a hivatalos lapban való kihirdetését.“

„Der Parlamentspräsident unterzeichnet das Grundgesetz oder die Grundgesetzänderung, und sendet sie dem Präsidenten der Republik zu. Der Präsident der Repubik unterzeichnet das Grundgesetz oder die Grundgesetzänderung innerhalb von 5 Tagen ab Zugang, und verfügt die Verkündung im Amtsblatt“.

Art. 6 Abs. 3:

„Az elfogadott törvényt az Országgyûlés elnöke öt napon belül aláírja, és megküldi a köztársasági elnöknek.“

„Das verabschiedete Gesetz wird vom Parlamentspräsidenten innerhalb von 5 Tagen unterzeichnet und an den Staatspräsidenten gesendet.“

Nachtrag vom 26.03.2013, 23:00 Uhr:

Nach aktuellen Berichten soll es an den Einträgen auf der parlament.hu-Webseite nachträgliche Änderungen in den Datenbankeinträgen gegeben haben. Vgl. den u.a. Link zu hvg.hu in den Kommentaren.

Staatspräsident Áder: „Ich werde die Grundgesetzänderung unterzeichnen und verkünden“

Der ungarische Staatspräsident János Áder hat am heutigen Abend mitgeteilt, dass er die am Montag verabschiedete Verfassungsänderung unterzeichnen und verkünden wird.

Áder zitiert in seiner Entscheidung das Grundgesetz und nimmt Bezug auf Art. S Absatz 3 des Grundgesetzes in seiner aktuell gültigen Form, wonach der Präsident „Änderungen der Verfassung innerhalb von fünf Tagen unterzeichnet und deren Verkündung veranlasst„.

Diese Entscheidung sei die einzig verfassungsmäßige, die er habe treffen können.

http://keh.hu/elnoki_nyilatkozatok/1727-Elnoki_nyilatkozat_az_Alaptorveny_negyedik_modositasarol

Eilmeldung: Verfassungsgericht kippt Wahlordnung

Wie das Nachrichtenportal origo.hu soeben berichtete, hat das ungarische Verfassungsgericht die Wahlordnung in Teilen für verfassungswidrig und nichtig erklärt.

Die Prüfung erfolgte im Rahmen eines von Staatspräsident János Áder initiierten präventiven Normenkontrollverfahrens. Als mit der Verfassung unvereinbar wurde – laut Origo – insbesondere die vielfach kritisierte Pflicht zur Wählerregistrierung angesehen. Das Gericht vertritt hier die Auffassung, dass das Parlament den Nachweis der Erforderlichkeit zu führen habe, andernfalls sei von dem Vorhaben der Registrierungspflicht Abstand zu nehmen. Dies gilt für alle Wahlberechtigten, auch die im Ausland wohnenden (hier hatte der Staatspräsident keine Probleme gesehen).

http://www.origo.hu/itthon/20130103-az-ab-dontese-a-valasztasi-eljarasi-torvenyrol.html

http://index.hu/belfold/2013/01/03/az_ab_elkaszalja_a_valasztasi_regisztraciot/

Die Verkündung der Entscheidung ist für den morgigen Tag geplant.

Staatspräsident Áder legt die neue Wahlordnung dem Verfassungsgericht vor

Der ungarische Staatspräsident János Áder hat entschieden, die im November verabschiedete Wahlordnung nicht auszufertigen. Das Gesetz wird somit vorerst nicht in Kraft treten, Áder legte das Gesetz zur präventiven Normenkontrolle dem Verfassungsgericht vor.

http://www.keh.hu/elnoki_nyilatkozatok/1701-Elnoki_nyilatkozat_a_valasztasi_eljarasi_torvenyrol

Das Gericht wird über die Verfassungskomformität der Regelungen nun im beschleunigten Verfahren entscheiden.

Die Wahlordnung steht insbesondere wegen der darin vorgesehenen Wählerregistrierung in der Kritik. Gegner des Gesetzes befürchten, dass diese Vorschriften gerade Spontanwähler, Unentschlossene und ärmere, bildungsferne Schichten von den Urnen fernhalten könnte. Derzeit bilden die Unentschlossenen und Nichtwähler das bei weitem größte politische Lager in Ungarn.

Áder führte in seiner Stellungnahme aus, dass er Teile der Regelungen zur Wählerregistrierung für im Inland lebende Wahlbürger als bedenklich erachte. Eine schnellstmögliche Klärung sei im Interesse aller Bürger.

http://derstandard.at/1353208461907/Ungarns-Praesident-blockiert-umstrittenes-Wahlgesetz

Staatspräsident Áder rügt formellen Fehler im geänderten Mediengesetz – Fidesz-Politiker kündigt erneute Abstimmung an

Der ungarische Staatspräsident János Áder hat das neu verabschiedete, modifizierte Mediengesetz als „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“ beurteilt. Er forderte das Parlament jedoch auf, das Gesetz wegen eines Verfahrensfehlers erneut zu verabschieden. Was genau Áder beanstandet hat (das Gesetz war mit 257 Ja-Stimmen, bei 51 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen), wurde bislang nicht öffentlich. Der Präsident sah jedoch eine Verletzung der Parlaments-Geschäftsordnung durch die Mehrheit.

Der neue Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán kündigte eine unveränderte neue Befassung an. Die Opposition kritisierte Áder: Dessen Versuch, sich von Pál Schmitt, dem wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetretenen Ex-Präsidenten, abzugrenzen, sei untauglich. Áder hätte sich lieber mit den Inhalten des Gesetzes befassen sollen.

Die MSZP-Abgeordnete Ildikó Lendvai übte ebenfalls scharfe Kritik an Áder. Das Gesetz sei noch immer brandgefährlich, es enthalte diejenigen Klauseln, die die „Abschussgenehmigung“ für den oppositionellen Sender Klubrádió enthielten. Lendvai weiter: Das Exekutionskommando stand nur nicht sauber in einer Reihe, der Befehl zur Ermordnung sei aber jederzeit vollziehbar.

http://atv.hu/cikk/video-20120531_ader_eljarasi_hiba_miatt_visszakuldte_a_mediatorvenyt_a_parlamentnek

 

Freitag: Zähneknirschender Kommentar zu János Áder

Die Zeitschrift „Der Freitag“ kommentiert die Wahl des Juristen János Áder zum Staatspräsidenten Ungarns:

http://www.freitag.de/politik/1219-der-parteisoldat-wird-es-schwer-haben

Áder scheint im Grunde in einer guten Position zu sein: Blickt man in den europäischen Mainstream-Blätterwald, scheinen die Erwartungen an ihn so niedrig, dass er eigentlich nur gewinnen kann. Beiträge wie der oben genannte zeigen zugleich, dass man nicht recht weiß, was man schreiben soll: In der Überschrift wird vom „Parteisoldaten„, vom „Fidesz-Politiker von Orbáns Gnaden“ gesprochen, weiter unten wird dann aber konstatiert, dass Áder „nicht wirklich Orbáns Kandidat“ gewesen sei. Interessantes Detail: Zum wiederholten Male fehlt im einem Beitrag über den „Parteisoldaten“ Áder übrigens die Tatsache, dass er von 1998-2002 das Amt des ungarischen Parlamentspräsidenten innehatte – und dieses auch entsprechend würdig ausübte. Der Freitag schreibt darüber hinweg:

Ader gehört zum Kern von Ministerpräsident Viktor Orbans Partei Fidesz, für die er auch als Abgeordneter ins erste freie ungarische Parlament einzog. Zwischen 1990 und 1998 koordinierte er als Wahlkampfchef erfolgreiche Kampagnen, die jungen Demokraten – wie sie damals hießen und die es damals wirklich waren – durften 1998 das erste Mal eine Regierung gründen.  Ab 2002 war Ader Fraktionschef, seit 2009 Politiker im Europäischen Parlament.“

Mir selbst sind keine Skandale aus der Zeit seiner Parlamentspräsidentschaft bekannt, anderen offenbar auch nicht, sonst hätten wir längst darüber lesen dürfen (in Ermangelung aktueller Reizthemen wird zur Zeit ja selbst Herr Grespik aus der Mottenkiste geholt). Fest steht: Während in jedem anderen Land ein Politiker, der das Amt des Parlamentspräsidenten würdig ausübte, sich wohl quasi von selbst für das höchste Staatsamt qualifizieren würde, ist Ungarn so „anders“, dass man bei entsprechenden Personen sogar den Lebenslauf kürzen muss.