Oppositionsbündnis steht, Top-Listenplätze vergeben

Das linke Oppositionsbündnis wächst: Nach dem Strategiewechsel hin zu einem breit angelegten Bündnis inklusive der Demokratischen Koalition (DK) Ferenc Gyurcsánys und den Liberalen um Gábor Fodor wurden – innerhalb weniger Tage – Einigungen dahingehend erzielt, dass Attila Mesterházy gemeinsamer Kandidat um das Amt des Ministerpräsidenten werden solle, eine gemeinsame Landesliste erarbeitet wird und die Direktwahlkreise aufgeteilt werden.

Der Spitzenplatz soll an MSZP-Parteichef Mesterházy gehen, auf den Plätzen folgen Gordon Bajnai (Együtt 2014), Ferenc Gyurcsány (DK), Gábor Fodor (Liberálisok) und Timea Szabó (Együtt 2014).

Auch der ehemalige SZDSZ-Politiker und (kürzlich aus dem Programm genommene) Klubrádió-Moderator Gábor Kuncze wird – offenbar in einem Direktwahlkreis – für die DK ins Rennen gehen.

http://index.hu/video/2014/01/14/nagy_ellenzeki_osszeborulas/

NZZ: Meret Baumann über das Wahlbündnis der Linksopposition

Meret Baumann berichtet für die Neue Zürcher Zeitung über die Entscheidung der ungarischen Oppositionsparteien MSZP und Gemeinsam 2014, das Bündnis mit Blick auf die Wahlen im April nun doch weiter zu vertiefen und – mit MSZP-Parteichef Attila Mesterházy– einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufzustellen.

http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/spaete-einigung-der-linksliberalen-opposition-1.18218145

Gibt es doch eine gemeinsame Oppositionsliste bei den Wahlen 2014?

Etwa vier Monate vor den ungarischen Parlamentswahlen gibt es Zeichen einer grundlegenden strategischen Trendwende bei der ungarischen Linksopposition.

Entgegen dem seit Herbst 2013 vorangetriebenen Zweierbündnis aus MSZP (Sozialisten) und der von Ex-Premierminister Gordon Bajnai geführten Partei Gemeinsam 2014 (Együtt 2014-PM) soll nach Berichten des ungarischen Portals 444.hu nun doch geplant sein, eine gemeinsame Liste aufzustellen. Selbst bei der Frage, ob die Partei Demokratische Koalition (DK) um Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány Listenplätze zugewiesen bekommt, scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Ebenso dürfte Gábor Fodor, ehemals führendes Mitglied des liberalen SZDSZ, mit seiner neuen Formation (Die Liberalen – ung. Liberálisok) vertreten sein.

Ob es es – entgegen der bisherigen Doppelspitze Mesterházy/Bajnai – einen gemeinsamen Spitzenkandidaten geben wird (dies war stets die Forderung Gyurcsánys) oder die Person des oppositionellen Kandidaten um das Amt des Regierungschefs erst nach der Wahl entschieden wird, ist noch nicht bekannt. 444.hu vermutet jedoch, dass der MSZP-Vorsitzende Attila Mesterházy zum Spitzenkandidaten ernannt werden könnte. Dies wäre in Anbetracht des innerhalb der Linksopposition weitaus größten Gewichts der Sozialisten eine nachvollziehbare Entscheidung.

http://444.hu/2014/01/08/lesz-kozos-lista-gyurcsannyal-az-elen-mesterhazyval/?utm_source=mandiner&utm_medium=link&utm_campaign=mandiner_201401

Angeblich soll über die aktuellen Entwicklungen zeitnah im Rahmen einer Pressekonferenz berichtet werden.

 

Ergänzung:

MSZP und Együtt 2014-PM haben sich auf eine gemeinsame Liste geeinigt. Man werde dies auch der DK vorschlagen. Die gemeinsame Liste sei das effektivste Mittel, um einen Regierungswechsel zu erzielen. Der Kandidat für das AMt des Ministerpräsidenten soll von der MSZP nominiert werden.

http://www.atv.hu/belfold/20140108-ellenzeki-targyalasok-mesterhazy-miniszterelnok-jelolt-gyurcsany-a-listan

Politskandal oder Ablenkungsmanöver? Hat EU-Kommissarin Viviane Reding die Unterstützung der ungarischen Opposition für 2014 zugesagt?

Die regierungsnahe Presse berichtet heute über einen “ Politskandal“ und wirft der EU-Kommissarin Viviane Reding vor, die Wahlen in Ungarn im kommenden Jahr aktiv beeinflussen zu wollen.

Hintergrund der Vorwürfe ist das zwischen 6. und 9. Juni 2013 in England abgehaltene sog. „Bilderberg-Meeting“ einer handverlesenen Runde einflussreicher Personen u.a. aus Wirtschaft, Finanzkreisen und Politik. Wie die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet aus „Insiderkreisen“ erfahren haben will, soll Reding über Pläne der EU-Kommission gesprochen haben, eine Negativkampagne zu Lasten der regierenden Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán zu unterstützen. Konkret soll geplant sein, durch Vorwürfe einer illegalen Überwachung der Wahlkabinen die Legitimität der Wahl infrage zu stellen.

Um das im geschlossenen Kreis abgehaltene Bilderberg-Treffen ranken sich seit je her unterschiedlichste Verschwörungstheorien. Begünstigt wird dies durch die hochrangigen „Netzwerker“ ebenso wie durch das Fehlen eines offiziellen Programms oder Protokolls.

Der Zeitpunkt der Offenlegung der angeblich geplanten Wahlbeeinflussung durch Reding, einer hochrangigen Kritikerin der ungarischen Regierung, ist auffällig. Die Venedig-Kommission des Europarates hat in ihrer Sitzung vom 14.-15. Juni in einer Stellungnahme deutliche Kritik an der Vierten Verfassungsänderung geübt und sieht in ihr eine Gefahr für die ungarische Verfassungsgerichtsbarkeit, die Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip. Heute, parallel zur Veröffentlichung der angeblichen Bilderberg-Pläne, wurde im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments (LIBE) der ebenfalls kritische Tavares-Bericht mehrheitlich angenommen und Ungarn zur Revision verschiedener Gesetzgebungsmaßnahmen und Einhaltung der europäischen Werte aufgefordert. Der Ausschuss empfiehlt die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 7 EUV, sollte Ungarn seine Empfehlungen nicht umsetzen. Obgleich die Einleitung dieses Verfahrens noch immer unwahrscheinlich und gegen die Stimmen der EVP, deren Mitglied Fidesz ist, nicht möglich ist, steht Ungarn somit unter erheblichem außenpolitischen Druck.

Es ist zwar bekannt, dass sich die ungarische Regierung durch die seit 2010 geführte „unorthodoxe Wirtschaftspolitik“ nicht nur Freunde gemacht hat. So haben etwa Sondersteuern zu Lasten ausländisch dominierter Wirtschaftsbereiche (z.B. Handel) bei den EU-Partnern zu Verärgerung geführt. Und auch der IWF, dessen Präsidentin Christine Lagarde ebenfalls zu den Bilderberg-Teilnehmern gehörte, dürfte die Widerspenstigkeit Ungarns bei den Verhandlungen um Hilfskredite mit Missfallen aufgenommen haben: Ungarn war nicht bereit, die vom IWF geforderten Sparmaßnahmen umzusetzen, was die Regierung bereits in der Vergangenheit für Imagekampagnen nutzte.

Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre die wahlkämpfende Reding im Zentrum des wohl größten politischen Skandals, der sich je in einer EU-Institution zugetragen hätte. Ein ebenso großer Skandal wäre es freilich, wenn die Vorwürfe frei erfunden wären.

Am heutigen Tage betonte der Sprecher der EU-Kommission, Bailly, es sei nicht Aufgabe seiner Behörde, Wahlen in den Mitgliedstaaten zu beeinflussen. Zum Inhalt von Redings Aussagen beim besagten Treffen konnte/wollte er sich nicht äußern. Reichlich Nahrung für weitere Verschwörungstheorien…und für das Treffen zwischen Orbán und Kommissionspräsident Barroso in der kommenden Woche.

http://www.politics.hu/20130618/brussels-does-not-influence-elections-says-ec-spokesman/q

http://tablet.mno.hu/eu/surjan-nagyon-nagy-baj-van-az-unioban-1167877

Wahlbündnis zwischen MSZP und „Gemeinsam 2014“ nimmt Gestalt an

Die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) und die kürzlich gegründete Partei „Gemeinsam 2014“ (Együtt 2014) haben ein Wahlbündnis für die Parlamentswahl 2014 angekündigt. MSZP-Parteivorsitzender Attila Mesterházy und der Spitzenkandidat von Együtt 2014, Ex-Ministerpräsident Gordon Bajnai, teilten der Presse nach einem Treffen die Eckpunkte ihrer künftigen Kooperation mit:

1. Aufstellung gemeinsamer Kandidaten in den Einerwahlkreisen bei der Parlamentswahl 2014,
2. Abstimmung und gemeinsame Kandidatenfindung bei Zwischenwahlen (idöközi választások),
3. Einrichtung eines „heißen Drahtes“ zwischen Mesterházy und Bajnai, um eine gegenseitige Schwächung der Partner zu verhindern sowie
4. Abstandnahme von der Abwerbung von Aktivisten, Stärkung der Zusammenarbeit.

http://index.hu/belfold/2013/04/27/kozos_jelolteket_indit_bajnai_es_az_mszp/

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Index.hu bewertet die Abstimmung zunächst nur als Absichtserklärung, nicht als konkrete Vereinbarung. Das Treffen fand in guter Atmosphäre statt, Bajnai würdigte die bisherige Arbeit der MSZP in der Opposition ausdrücklich.

Eine spätere Erweiterung um die Partei DK („Demokratische Koalition“) um Bajnais Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, Ferenc Gyurcsány, schloss Bajnai nicht aus.

Ein Wahlbündnis der in Umfragen aktuell größten Oppositionsgruppen des linken Parteienspektrums ist die einzige realistische Chance, die regierende Fidesz-Partei in 2014 abzulösen. Dies gilt insbesondere in den 106 neu geschaffenen Einerwahlkreisen, in denen der Kandidat mit den relativ meisten Stimmen schon nach einem Wahlgang gewinnt.

Nachtrag:
Im Budapester Stadtbezirk Zugló (Bürgermeister ist der Fidesz-Parlamentsabgeordnete Ferenc Papcsák) haben die MSZP, Együtt 2014 und die DK eine Vereinbarung über die künftige Kooperation geschlossen.

http://index.hu/belfold/2013/04/27/zugloban_osszefogott_az_mszp_az_e14_es_a_dk/

LMP vor der Spaltung

Die Oppositionspartei LMP (Lehet más a politika) steht vor der Spaltung.

Während des Parteikongresses am Wochenende wurde heftig über die Frage gestritten, ob die grün-alternative Partei sich dem 2014 zur Parlamentswahl antretenden Wahlbündnis „Gemeinsam 2014“ um Ex-Ministerpräsident Gordon Bajnai anschließen soll oder nicht. András Schiffer, Mitgründer der Partei, trat vehement für eine unabhängige LMP ein. Hingegen befürwortet eine Plattform innerhalb der LMP eine klare Aussage zu Gunsten eines Bündnisses mit „Gemeinsam 2014“.

Nach langer inhaltlicher Debatte wurde der Parteibeschluss von November 2012 bekräftigt. Demnach soll es zwar Gespräche mit Kooperationspartnern geben, die LMP jedoch als unabhängige Kraft antreten.

Als Reaktion auf den Beschluss kündigte die LMP-interne Plattform „Dialog für Ungarn“ (Párbeszéd Magyarországért), die für eine Kooperation mit Bajnais Wahlbündnis eingetreten war, ihren Austritt aus der Partei an. Durch dem Austritt würde die Partei zwei ihrer bekanntesten Politiker, Gergely Karácsonyi und Benedek Jávor, verlieren.

http://index.hu/belfold/2013/01/27/szakad_az_lmp/

http://hvg.hu/itthon/20130126_Elbuktak_az_LMP_platformistai

Zehntausende demonstrieren gegen Antisemitismus

Am heutigen Sonntag demonstrierten in Budapest Zehntausende auf einer überparteilichen Veranstaltung gegen Antisemitismus und Rassismus. Anlass waren Äußerungen eines Abgeordneten der rechtsradikalen Partei Jobbik, Márton Gyöngyösi, der im Höhen Haus eine Auflistung von Juden gefordert hatte, da diese ein „nationales Sicherheitsrisiko“ darstellten.

Die Veranstaltung ist die erste dieser Art, auf der Politiker des rechten und linken Parteienspektrums gemeinsam teilnahmen.

Der Fidesz-Fraktionsvorsitzende Antal Rogán betonte, Ungarn werde seine Bürger schützen, und erinnerte daran, dass jeder Völkermord des 20. Jahrhunderts mit dem Führen von Listen begonnen habe. Mit Ausnahme ganz vereinzelter Buhrufe wurde Rogán von der Menge positiv empfangen, lediglich ein einzelner Mann schrie empört „Pfui, Ihr habt Jobbik erschaffen“, wurde aber von den Teilnehmern schnell zur Ordnung gerufen.

Der Repräsentant der Vereinigung „Gemeinsam 2014“, Gordon Bajnai, kritisierte ebenfalls heftig die Worte des Jobbik-Abgeordneten Márton Gyöngyösi und sagte, Demokraten dürften keine Angst haben und auch keine verbreiten. Bajnai vermied Seitenhiebe in Richtung des politischen Gegners und betonte auch, die gegenseitigen Beschimpfungen der politischen Lager müssten enden.

Der Vorsitzende des Sozialisten (MSZP), Attila Mesterházy, holte – anders als seine Vorredner – zum Angriff gegenüber der Regierung aus. Er verlangte, Viktor Orbán müsse sich von Jobbik distanzieren. Das Internetportal Index.hu berichtet, dass Mesterházy für diese Wortwahl recht verhaltenen Applaus geerntet habe.

Am Rande der Veranstaltung demonstrierte eine Gruppe von Jobbik-Anhängern. Die Polizei hielt diese jedoch von der Großdemonstration fern.

http://index.hu/belfold/2012/12/02/a_jobbik_osszehozta_a_nagykoaliciot/

Ungarn schlägt die Türkei 3:1 – Orbán und Bajnai in der selben Loge

Ist es ein Zeichen? Eine göttliche Eingebung, zu was Ungarn in der Lage wäre, wenn alle an einem Strang zögen oder jedenfalls kultiviert miteinander umgehen würden?

Wer weiß. Jedenfalls konnte Ungarn gestern die Türkei in der WM-Qualifikationsrunde mit 3:1 schlagen. Und die Chancen der Türkei auf eine WM-Teilnahme damit beenden.

Bemerkenswertes Detail: Ministerpräsident Viktor Orbán, Parlamentspräsident László Kövér, Justizminister Tibor Navracsics und der ehemalge Staatspräsident Pál Schmitt verfolgten das Spiel aus der selben Loge wie der aktuell als Orbáns Gegenkandidat für 2014 gehandelte, ehemalige Ministerpräsident Gordon Bajnai.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ist es Zufall, dass Ungarn ein so gutes Ergebnis gerade dann einfährt, wenn sich kleine Zeichen von „Normalität“, wenn auch nur auf der Fantribüne eines Fußballstadions, ergeben? Hoffen wir, dass die Akteure die Zeichen erkennen – wie es Orbán jüngst bei der Einweihung einer Statue formulierte.

Zugegeben, für Jubelschreie ist es zu früh. Denn ziemlich verkrampft sehen Bajnai und Orbán schon aus. Bajnai ließ übrigens verlautbaren, er habe nicht bemerkt, dass Orbán hinter ihm stehe. Klar. Willkommen in Ungarn. 🙂

Handelsblatt: Bajnai macht der Regierung Vorhaltungen

Ex-Ministerpräsident Gordon Bajnai positioniert sich im Handelsblatt als kühler Analyst und erhebt schwere Vorwürfe gegen den Wirtschaftskurs der Regierung Orbán:

http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/ungarn-hat-sein-tafelsilber-verschleudert/6079812.html

Bajnai, der in den Jahren 2006 -2009 in unterschiedlichen Positionen in der Regierung von Ferenc Gyurcsány (MSZP) mitwirkte, übernahm im Jahr 2009 das Amt des Ministerpräsidenten von seinem Mentor und wurde im Mai 2010 von Viktor Orbán abgelöst. Er wird in der aktuellen politischen Debatte in Ungarn immer wieder als möglicher Konkurrent von Premier Viktor Orbán genannt, auf den sich die oppositionellen linken und liberalen Kräfte einigen könnten.

FAZ: Kurz, knackig, auf den Punkt

Ein kurzer, lesenswerter FAZ-Kommentar zu Ungarn und den Verlautbarungen der ungarischen Regierung, die Vorgänger wegen der Staatsverschuldung strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen:

http://www.faz.net/artikel/C30089/ungarn-politische-justiz-30478146.html

Peter Sturm sagt, was es zum Thema zu sagen gibt. Er übt berechtigte Kritik, warnt Ministerpräsident Orbán, er dürfe der Versuchung, eine politische Justiz einzuführen, trotz der Verantwortung der Vorgänger für die desolate Lage Ungarns nicht verfallen. All das ohne „Schaum vor dem Mund“, ohne die Begriffe „Faschismus“ und „Diktatur“. Er kritisiert, was es zu kritisieren gibt. Ganz ohne das Beiwerk, welches die letzten Tage ans Licht gefördert haben und das die Intention manch eines Ungarn-Experten sehr schnell entlarvt.

Danke, Herr Sturm!