Kommunalwahl: Einigung der Linksopposition in Budapest – oder doch nicht?

Die heiße Phase des Wahlkampfs zur Kommunalwahl 2014, die der ungarische Staatspräsident János Áder auf den 12. Oktober 2014 terminiert hat, steht erst bevor. Die landesweit spannendste Frage dürfte jedoch schon jetzt absehbar diejenige sein, ob es den den Sozialisten (MSZP), der Partei Demokratische Koalition (DK) und Gemeinsam 2014 (Együtt 2014) gelingt, den amtierenden und von Fidesz-KDNP unterstützten Oberbürgermeister István Tarlós zu stürzen.

Neues Wahlrecht in der Hauptstadt

Die Kommunalwahl in Budapest wird dort aufgrund des neuen Wahlrechts einige gravierende Änderungen mit sich bringen. Das bislang bestehende System aus einem 33-köpfigen Stadtrat (aktuell Fidesz-KDNP 17, MSZP 10, LMP 3, Jobbik 3), dem Oberbürgermeister sowie 23 Bürgermeistern der Stadtbezirke (die der dortigen Verwaltung vorstehen) wird im Oktober durch ein neues System ersetzt.

Nach dem neuen Recht wird die Budapester Stadtversammlung nur noch aus dem Oberbürgermeister, den 23 Bürgermeistern der Stadtbezirke (jeweils dort direkt gewählt) und weiteren 9 Stadträten bestehen, die über die sog. „Kompensationslisten“ gewählt werden. Die Stadtversammlung wird somit fortan maßgeblich durch die Interessen der einzelnen Stadtbezirke – die, unabhängig von der politischen Couleur, keineswegs gleichlaufend mit denen der Hauptstadt in ihrer Gesamtheit sind – bestimmt werden. Das Gewicht direkt gewählter Hauptstadtvertreter sinkt, das der (mittelbar über ihre Position im Stadtbezirk) in die Stadtversammlung entsendeten Interessenvertretern steigt.

Das ungarische Verfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 21. Juli 2014 das neue Wahlrecht im Wesentlichen bestätigt, es kollidiere nicht mit dem Grundgesetz.

Chancen für die Linksopposition?

Die Bemühungen der Linksopposition konzentrieren sich auf die Hauptstadt, da im ländlichen Bereich die – zuletzt bei den Parlaments- und Europawahlen dokumentierte – Übermacht des Fidesz sowie die vor allem in Ost- und Nordost-Ungarn bestehende Kraft der rechtsradikalen Oppositionspartei Jobbik kaum zu brechen sein wird. Budapest hingegen gilt in dem in Ungarn seit je her bestehenden Konflikt zwischen Stadt und ländlichem Raum als „links“, was zuletzt durch die 20-jährige Vormachtstellung des Bündnisses aus MSZP und (mittlerweile aus der politischen Landschaft verschwundenen) SZDSZ nach dem Systemwechsel dokumentiert wurde. Der im Jahr 2010 errungene Wahlsieg Tarlós‘, der zuvor u.a. Bürgermeister des III. Stadtbezirks (Óbuda) war und seine politische Nachwendekarriere bei der SZDSZ begonnen hatte, war für die erfolgsverwöhnte Budapester Linke daher besonders bitter.

Um die zwar nicht uneinholbare, aber immer noch stabile Budapester Fidesz-Mehrheit zu brechen, begannen nach dem Wahlsieg des Fidesz bei der Parlamentswahl im vergangenen April und und dem Ausgang der Europawahl im Mai 2014 Gespräche über ein Bündnis aus MSZP, DK und Együtt 2014. Die grün-alternative LMP nahm nicht teil, da sie ihre Equidistanz zu den beiden großen Lagern wahren wollte.

Aussichtsreiche Stadtbezirke im Fokus der Bündnispartner

Nach einigen Meldungen, das Bündnis würde in letzter Minute scheitern, verkündeten die drei Partner am vergangenen Freitag, man habe sich auf den parteilosen leitenden Amtsarzt Ferenz Falus als OB-Kandidaten geeinigt. Auch die – wegen des neuen Wahlrechts weitaus schwierigere – Frage, welche Partei in welchem Stadtbezirk den Bürgermeisterkandidaten stellt und damit das Privileg erhält, im Falle des Wahlsiegs die Parteilinie in der Delegiertenversammlung mit zu vertreten, schien geklärt: In den „chancenreichen“ 9 Stadtbezirken, in denen ein Wahlsieg des Linksbündnisses möglich erscheint, sollten folgende Kandidaten antreten:

IV. Bezirk (Újpest): Norbert Trippon (MSZP)
XIII. Bezirk (Angyalföld): József Tóth (MSZP)
XIX. Bezirk (Kispest): Péter Gajda (MSZP)
XX. Bezirk (Pesterzsébet): Ákos Szabados (MSZP)

VII. Bezirk (Erzsébetváros): Tibor Tóth (DK)
X. Bezirk (Köbánya): Norbert Élö (DK)
XV. Bezirk (Rákospalota): László Hajdú (DK)
XXI. Bezirk (Csepel): Gyula Horváth (DK)

XIV. Bezirk (Zugló): Gergely Karácsony (Együtt 2014)

Bündnis in Frage gestellt

Nur einen Tag später wurden Meldungen verbreitet, wonach die Sozialisten das Bündnis wieder ein Frage gestellt hätten. Mit dem OB-Kandidaten bestehe zwar Einverständnis, jedoch hätten die zuständigen Gremien der Partei in ihrem Beschluss am Ende der Woche eine inhaltlich abgeänderte – und noch dazu eigenmächtig umformulierte – Variante der Vereinbarung mit der DK und Együtt 2014 gutgeheißen. Die Budapester Parteivorsitzende Ágnes Kunhalmi reagierte am Freitag daher auch ausweichend auf die Frage der Fernsehmoderatorin Olga Kálmán, ob denn sämtliche Fragen geklärt seien.

DK und Együtt 2014 reagierten empört.

Die Schwierigkeiten der ungarischen Linken, sich auf Herausforderer und Strategie im Kampf gegen die übermächtg erscheinende Regierungspartei Fidesz-KDNP zu einigen, ist symptomatisch und von den Parlamentswahlen bekannt. Ob dieser Kampf die eigentlich realistischen Chancen für einen Wechsel in Budapest zunichte macht, wird abzuwarten sein. Fidesz und der von der Partei unterstützte OB Tarlós werden jedwede Differenz der Linken genüsslich ausschlachten, immerhin ist die Frage, wer die Hauptstadt regiert, von hoher Symbolik – Fidesz etwa hatte den konservativen Wahlerfolg im Jahr 2010 denn auch als eine Art von „Rückkehr in die Nation“ gefeiert. Bei so hoher Symbolik werden die Schlammschlachten auch diesmal nicht ausbleiben. Die heiße Phase des Wahlkampfes hat noch nicht begonnen.

2 Kommentare zu “Kommunalwahl: Einigung der Linksopposition in Budapest – oder doch nicht?

  1. Pingback: Kommunalwahl 2014: Linksbündnis in Budapest offenbar gescheitert | Hungarian Voice - Ungarn News

  2. „parteilosen leitenden Amtsarzt Ferenc Falus als OB-Kandidaten geeinigt“.
    Parteilos find ich einen guten Witz. und sooo ein Saubermann.
    Wer den wohl geimpft hat?
    obwohl
    fűrs Impfen und Impfstoffe ist er eigentlich berűhmt.

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