DW-Projekt „Secrets of Transformation“ befasst sich mit Ungarn

Im Rahmen des Projekts mit dem Namen Secrets of Transformation haben Reporter der Deutschen Welle unter anderem auch Ungarn besucht.

http://www.dw.de/themen/secrets-of-transformation/s-100797

Zu Wort kommen – was in deutschsprachigen Berichterstattung geradezu überrascht – Kritiker und Anhänger der Regierung. Zwar nehmen die Wortmeldungen der Regierungskritiker deutlich mehr Platz ein. aber immerhin: Sowohl Ferenc Kumin (Amt des Ministerpräsidenten) als auch Tamás Bodoky (átlátszó) werden interviewt, zudem kommt eine ehemalige Richterin des Landgerichts Budapest zu Wort und spricht über die berechtigter Kritik ausgesetzte Zwangspensionierung von Richtern (die zwischenzeitlich sowohl vom ungarischen Verfassungsgericht als auch vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde).

Verantwortlich für den Ungarn-Bericht sind zwei Reporterinnen der DW, Rayna Breuer und Gabriella Balassa.

Wie ich finde, ein – gerade wegen der Rubrik „Alltag“ – wertvolles und recht ausgeglichenes Projekt, das versucht, dem Bedürfnis an kritischer Beobachtung der ungarischen Politik ebenso gerecht zu werden wie die Punkte aufzuzählen, die zu der nach wie vor breiten Unterstützung für die Regierung Orbán geführt haben.

Ohne die einzelnen Aussagen bewerten zu wollen, fällt mir allerdings ein Punkt auf: Leider geht der Report auf eines der Grundprobleme der ungarischen Politik, die Feindschaft zwischen den Lagern, nicht ausreichend ein. Hierin sehe ich das Grundübel und zugleich das größte Hindernis dafür, dass Ungarn – mehr als 20 Jahre nach der Wende – innenpolitisch zur Ruhe kommt. Aber es ist immer noch besser, diesen Punkt – wie Breuer und Balassa es taten – außen vor zu lassen, als sich in der beinahe alltäglich gewordenen Art und Weise ausschließlich auf eine Seite zu schlagen und die Positionen der anderen Seite zu verschweigen.

 

Staatliche Auftragsvergaben nach politischem Gusto – ein nie endendes Problem?

Das investigative Portal átlátszó.hu veröffentlicht heute ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler István János Tóth zur Frage der politischen Einflüsse auf staatliche Auftragsvergaben. Aktuell ist das Beispiel Közgép, ein der Regierungspartei Fidesz nahestehender Baukonzern, in aller Munde.

Tóth kritisiert zunächst, dass die Daten der zuständigen Behörde für eine Analyse der Auftragsvergaben letztlich nicht geeignet seien, was den Anspruch der Bürger, zu erfahren, was mit dem Geld des Steuerzahlers und der Europäischen Union passiere, vereitele. Die Ergebnisse, etwa im Bezug auf Közgép, seien daher nicht einheitlich.

Das umfangreiche Interview ist hier in ungarischer Sprache verfügbar:

http://atlatszo.hu/2014/01/24/hasznalhatatlan-adatbazis-rejti-a-politikavezerelt-kozbeszerzeseket/

Interessantes Detail der Untersuchung: Tóth hat die Entwicklung der im Jahr 2009 – also vor dem Regierungswechsel – 30 größten Gewinner von staatlichen Aufträgen untersucht und festgestellt, dass hier ein Einbruch von 20% bis in das Jahr 2011 zu verzeichnen ist; was die Vermutung, die Vergabe sei maßgeblich von politischen Präferenzen mitbestimmt, gewiss nährt. Bestätigt wird das Ergebnis durch folgende Tatsache: Die dreißig größten Profiteure von staatlichen Aufträgen im Jahr 2011 legten im Zeitraum 2009 bis 2011 in etwa in gleichem Umfang zu.

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Die Annahme, die Frage, wer an staatliche Aufträge gelangt, hänge davon ab, zu welchem politischen Lager er gehört, scheint somit begründet. Viel neues bringt diese Erkenntnis allerdings nicht. Es ist eine bedauernswerte und seit der Wende (natürlich auch davor) unverändert zur politischen Landschaft Ungarns gehörende Tatsache. In Anbetracht der politischen Landschaft und der Lagerbildung in Ungarn dürfte ein Ende dieser Praxis kaum absehbar sein. Mit oder ohne Regierungswechsel.