Geheime Orte in Budapest: Der Rákosi-Bunker

Wenige Menschen wissen um seine Existenz, noch weniger Menschen kennen ihn von innen oder haben Bilder gesehen. Er ist ein Relikt aus der dunkelsten Zeit des ungarischen Stalinismus, ein in Stahl und Beton gemeißelter Beweis für die Angst der Blockmächte vor dem nuklearen Krieg. Er war – zum Glück – nie in Betrieb: Der Rákosi-Bunker in der Innenstadt von Budapest. Eine Spurensuche.

Wer sich auf den Szabadság tér (Freiheitsplatz) im V. Budapester Stadtbezirk begibt, besucht diesen in den vergangenen Jahren modernisierten und verschönerten Platz wohl zumeist wegen des ehemaligen Gebäude des Ungarischen Fernsehens, der Nationalbank oder auch wegen des Sowjetischen Ehrendenkmals. Im Sommer finden dort Freilichtveranstaltungen statt, die Jugend trifft sich zu Konzerten oder auch nur, um ein gemütliches Feierabendbier zu trinken und im Rasen zu sitzen.

Kaum einer der Besucher des Platzes dürfte aber wissen, dass sich 40 Meter, d.h. nict weniger als 16 Stockwerke unterhalb seiner Füße ein düsteres Bauwerk des Kalten Krieges befindet. Die amtliche Bezeichnung: Schutzbauwerk F4 („F4 objektum“, „4-es számú óvóhely“), besser bekannt unter dem Namen Rákosi-Bunker. Der nach dem „besten Schüler Stalins“, dem ungarischen Kommunistenführer Mátyás Rákosi, benannte und nie zum Einsatz gekommende Bunker sollte der stalinistischen Staatsführung und dem Spitzenpersonal der  Ungarischen Partei der Werktätigen als Schutzbauwerk für den Fall eines Nuklearkrieges dienen. Der Bunker verläuft in nordwestlicher in südöstliche Richtung zwischen Zoltán utca und dem Szabadság tér und wurde parallel zur Budapester Metrolinie 2 errichtet (Baubeginn des Bunkers: 1952). Er verfügt im Südosten über einen unterirdischen Bahnhof und einen – allerdings erst 1966 errichteten – Anschluss zur Metrolinie (zwischen den Bahnhöfen Deák tér und Kossuth tér). So war auch eine direkter Verbindung an die Fernbahn (Ostbahnhof) gegeben.

Die Metro-Bauarbeiter waren – keineswegs zufällig – überwiegend Bergleute vom Land. So bestand keine Gefahr, dass der zeitgleiche Bau des Bunkers „an die große Glocke gehängt“ würde. Kaum einer kannte die Begebenheiten der Stadt und bemerkte, dass er – 40 Meter unter der Oberfläche – gar nicht am Bau der U-Bahn, sondern am streng geheimen Schutzbauwerk für die obersten Kommunisten mitwirkte. Lediglich der Hauptzugang wurde unter strengster Geheimhaltung erbaut (das Gebäude wurde zuvor geräumt).

Da der Bunker insgesamt mehr als 2000 Personen Platz bieten sollte, waren die Ausmaße auch durchaus einer Haltestelle der Metro vergleichbar. Das Objekt misst etwa 4000 Quadratmeter, entgegen ursprünglicher Planungen wurde es aufgrund finanzieller Schwierigkeiten erst im Jahr 1962 endgültig fertig gestellt. Später galt er – wie übrigens das gesamte U-Bahn-System – als Zivilschutzbunker.

Der o.g. frühere Haupteingang zum unterirdischen Tunnelsystem befand sich im Hinterhof der Steindl Imre utca 12, der bombensichere Zugang wurde jedoch im Jahr 2009 abgerissen (Bild 2). Gut erkennbar ist bis heute eine Ventilationsöffnung, die auch als Notausgang dienen sollte, am südöstlichen Eck des Szabadság tér (Bild 3).

Das unterirdische Labyrinth einschließlich der Technik ist bis heute – wenn auch in schlechtem Zustand – vollständig erhalten. In den im Internet verfügbaren Fotostrecken erkennt man Lüftungssysteme sowjetischer Bauart ebenso wie Dieselmotoren der Marke Ganz.

Mehrere Fotostrecken und Videos geben einen guten Eindruck von Architektur und Zustand des Objektes:

http://epiteszforum.hu/imagelist/gallery&nid=18828&img_id=95132

http://www.168ora.hu/cikk.php?id=10313

http://www.noltv.hu/video/2490.html

http://index.hu/gal/?dir=0809/tudomany/rakosi_bunkere/

http://fovarosi.blog.hu/2011/03/26/rakosi_bunkereben_jartunk

http://index.hu/tudomany/tortenelem/rakbu080911/

http://kek.org.hu/varosisetak/rakosi-bunker-kepek/

Kurios: Die Budapester Verkehrsbetriebe (BKV) wollten das heute überflüssig gewordene Objekt schon mehrmals loswerden (es wird wöchentlich gelüftet und entwässert). Unter den Plänen für die weitere Verwendung war nicht nur die Umfunktionierung zu einer Ruinenkneipe oder einer Disko (wohingegen die Feuerwehr aber aus verständlichen Gründen Einspruch einlegte), sondern auch die Einrichtung einer Farm zur Pilzzucht. Vor einigen Jahren wurde dann Nokia Siemens der Mieter, der das Labyrinthsystem für „Telekommunikationszwecke“ nutzen möchte. Wie dies genau aussehen soll, fällt wohl unter das Betriebsgeheimnis – immerhin in diesem Punkt setzt sich das „streng geheime“ fort…

n hervorragender Bericht zum Tunnel ist der Bericht von epiteszforum.hu, Verfasser: Balázs Szabó. Die beiden Planzeichnungen stammen von dieser Seite.

http://epiteszforum.hu/node/18828

Ein auch im übrigen interessanter Beitrag des MTV über die Rákosi-Zeit (Stichworte: Gummi-Zug, Ungarische Orange…) befasst sich am Ende (ab ca. 21:00 min) mit dem Bunker:

http://videa.hu/videok/film-animacio/a-rakosi-rendszer-bunker-f4-gumivonat-ajnApmLPfihZNXUf

5 Kommentare zu “Geheime Orte in Budapest: Der Rákosi-Bunker

  1. Hungarianvoice,

    Dieser Artikel ist echt Spitze!, und macht es mir leichter nolens volens zu akzeptieren, dass Sie mich gerne mit Argusaugen beäugen.

    Warum meine Begeisterung für diesen Beitrag?

    Ich finde es eine ausgezeichnete Idee, mit Beiträgen auch über weniger dramatischen Themen Besuchern dieses Bolgs Ungarn und die Ungarn etwas näher zu bringen.

    Es müssen nicht nur ausschliesslich in hochintellektuell geführten „Duellen“ aktualpolitische Bemühungen, die darauf abzielen, Ungarn und die Ungarn im übelsten Licht in den westlichen Medien zu verkaufen, enttarnt und die falschen Propheten blossgestellt werden.

    Man kann den Apologeten des Ungarn-Feindbildes das Feld zum zähneknirschenden Basteln an ihrem Zerrbild über uns neidlos überlassen. Sie sollen sich weiter „im Schweiss ihres Angesichtes“ abrackern. Wir hingegen sollen die Enttarnung nicht nur weiter locker, mit etwas Humor bis Spott angehen, sondern auch andere informative oder interessante Themen nicht scheuen, die geeignet sind etwas mehr von Ungarn und vom wirklichen Wesen der Ungarn in Erfahrung zu bringen.

    Es wird sich dann zeigen, dass wir in Manchem (zu unserem Vor- und Nachteil) etwas anders sind, als von manchen europäischen Nationen „erwartet“, doch letzten Endes in unserem menschlichen Streben nicht besser und nicht schlechter sind, als alle anderen.

  2. Liebe Leser dieses Blogs,

    Es tritt in der letzten Zeit bei der Jugend auch im Westen ein hoffnungsvolles Phänomen mehr und mehr in Erscheinung. Es scheint, dass die Interesse für die Vergangenheit und die Wurzeln von Völker und Kulturen wächst. Als wenn die Erkenntnis um sich greifen würde, dass der Sinn der Verschiedenheit der Völker darin bestehe, sich einander zu ergänzen und zu bereichern, und nicht einander unversöhnlich gegenüber zu stehen.

    Ich wende mich deshalb auch mit Interesse unserer Vergangenheit zu, weil mich das Leben gelehrt hat, in welch grossem Masse Rassen, Völker, und Sprachen miteinander verbunden sind. Es ist auffallend, dass verschiedene Gruppen der Menschheit einander wesentlich näher sind, als man es sich auf den politischen Landkarten der Welt aufgrund der die Länder trennenden Grenzlinien vorstellen würde.

    Nur dann dienen wir der Freundschaft und der Brüderlichkeit unserer Völker, wenn wir (ausnahmslos alle) ehrlich und aufrichtig zu unserer Vergangenheit stehen, unsere Irrtümer anerkennen, doch gleichzeitig auf die positiven Werte hinweisen, die der menschlichen Entwicklung dienlich sind, diese stärken und weiterentwickeln.

    Wir sollten die Wahrheiten der (ur)geschichtlichen, anthropologischen, nationalen und linguistischen Wissenschaften besser kennen. Das würde uns fester aneinander binden, als Diplomatie oder Verträge und Allianzen das jemals vermöchten.

    Es schwant vielleicht schon vielen, dass es schade ist, die Erkundung und Pflege der Geschichte der grossen menschlichen Beziehungen zu vernachlässigen, und anstelle dessen, verfangen in den Verfilzungen der aktualpolitischen Interessen, diesen unermüdlich zum Nachteil der Anderen egoistisch Geltung zu verschaffen.

    Ich habe des Öfteren erfahren müssen, dass die Angehörigen der Ost-Völker, nicht nur bis zum Ural, sondern bis zum Stillen Ozean über den „Neureichen“ Westen („reich“ seit nicht mehr als etwa 5-6 Jahrhunderten) viel besser Bescheid wissen, als umgekehrt.

    Und innerhalb der EU ist es nicht bloss ein Fehler, sondern direkt eine Sünde, dass die Kenntnisse über die mittelosteuropäischen Partnern mehr als dürftig sind.

    Wenn HV als Eigner dieses Blogs es toleriert, würde ich in diesem Thread (auch mit anderen) gelegentlich gerne manches „Kuriosum“ über Ungarn und die Ungarn posten, die vielleicht helfen könnten, uns (nicht nur durch unsere Unzulänglichkeiten, die uns in dem Zerrspiegel, den man uns so gerne vorsetzt, noch bizarrer erscheinen lässt) doch etwas besser kennen und verstehen zu lernen.

  3. Kommentar zu Ignac Unger: Geheime Orte in Budapest.
    Ich verfolge schon eine ganze Weile per Feed die Kommentare im Hungarian
    Voice und den News Blog.
    Dieser Beitrag ist angenehm neutral und objektiv.
    Ich wünschte mir, dass einige der Kommentatoren mehr Objektivität an den
    Tag legen würden, dann wäre dieser Kommentarblog auch für die Mittel- und
    Westeuropäer spannend.
    Das Problem ist, dass ich für diesen Blog meine Ungarnkenntnisse und Wissen
    über die ungarische Mentalität und das Verständnis dafür manchmal völlig
    aufwenden muss um die Beiträge zu verstehen.
    Aber trotzdem weiter so!

  4. Ungarn, Land und Leute.

    Es ist ziemlich bekannt, das Ungarn heute nunmehr knapp 10 Million Einwohner hat, die etwa 90 Tausend Quadratkilometer Fläche des Karpatenbeckens bewohnen.

    Das Bruttosozialprodukt des Landes ist im Vergleich der grossen europäischen Nationen wie Deutschland Frankreich, England usw. recht gering. Doch es war nicht immer so in der Geschichte.

    Als im Jahr 1490 der grosse ung. Renaissance-König Mathias Corvinus (Hunyadi) starb, lebten im historischen Ungarn, das war der ganze Karpathenbecken, 4,5-4,8 Millionen Menschen, gleich viel wie damals etwa England Einwohner hatte, und praktisch keinem europäischen Monarch standen grössere finanzielle Mittel aus der Staatskasse zur Verfügung als ihm.

    Im Jahr 1686, als nach 150 Jahren Ungarns eins prächtige Hauptstadt zurückerobert und das mittlere Drittel des Landes, das von den Türken in diesen Jahren besetzt war, befreit wurde, gab es im Land der Ungarn noch knapp 2 Millionen Menschen.

    In all diesen Jahren konnte sich zB. England, das von den Krigen mit der Supermacht der damaligen Welt, des Osman-Türkischen Reichs*, verschont war, sich in aller Ruhe weiter entwickeln, und hatte um 1690 bereits mehr als 10 Millionen Einwohner.

    *Das Türkische Reich erstreckte sich von Persien im Osten bis Marokko im Westen von Buda im Norden bis und mit dem heutigen Saudi-Arabien im Süden.

    • Es mag vielleicht heute für manchen Europäer unglaublich vorkommen, doch zur Zeit des ung. Königs Matthias waren Vorfahren heutiger Deutschen, kaum 150 Km von Berlin und etwa 600 Km von Budapest entfernt, Mitglieder der Völker unter der Heiligen Krone von Ungarn, denn die ganze Lausitz war damals dem ung. König untertan.

      Wenn man heute die schöne Stadt Bautzen besucht, dann meint man, dass da bloss das Restaurant „Budapest“ mit Ungarn was zu tun hätte. Weit gefehlt!

      Wenn man Zeit hat, sollte man zum Burgschloss Ortenburg über der Spree spazieren. Ortemburg wurde im Auftrag des ung. Königs durch seinen Landvogt zwischen 1483 und 1486 im gotischen Stil neu aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt auch der nach dem König benannte Matthiasturm mit dem Relief, das einzige, das zu seinem Lebzeit entstand. Eine Kopie davon befindet sich in Buda, in der Nähe der Hotel Hilton.

      Noch soviel hierzu:

      Die Bewohner der Stadt müssen den ung. König in so guter Erinnerung behalten haben, dass sein Bildnis über dem Burgtor bis zum heutigen Tag über all die Jahrhunderte erhalten geblieben ist.

      Und wo sind schon die Statuen und Bildnisse moderner Menschheitserlöser wie Lenin, Stalin und all die anderen?

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