Deutsche und österreichische Intellektuelle fordern: „Stiftet Aufruhr!“

Fünfzig deutsche und österreichische Intellektuelle riefen in einem „Kommuniqué“ mit der Überschrift „Stiftet Aufruhr“ zum Aufstand gegen das sich „in Richtung Faschismus“ entwickelnde Ungarn auf. Das Schriftstück in voller Länge:

Stiftet Aufruhr!
Ja, ja … Es gibt die Appelle und Artikel, Protestresolutionen und Briefe, Podiumsdebatten und Filmdokumentationen über und gegen die systematische Faschisierung in Ungarn, aber alles waren bisher nur Aktionen der Vergeblichkeit. Mit den üblichen Protest-Gepflogenheiten der demokratischen Zivilgesellschaft lässt sich in und gegen Ungarn nichts mehr ausrichten. Die ungarische Regierung Orbán verwandelt den Staat unbeeinträchtigt in ein Rechtsregime. Das politisch institutionalisierte Europa schaut tatenlos zu. Und die Intellektuellen schweigen auf nicht nachvollziehbare Weise; ihre Aktionen dienen allenfalls der Beruhigung des eigenen Gewissens. Es ist höchste Zeit, dass die Intellektuellen Europas ihre Untätigkeit und Selbstaufgabe beenden und in die Situation Ungarns, das sich zu einem Fäulnisherd Europas entwickelt, eingreifen.

Kampf oder Kapitulation?
Vorschlag: Von Wien aus sollte auf einem Strategiekongress eine mächtige Druckwelle der Gegenöffentlichkeit gegen die ungarische Politik ins Werk gesetzt werden. Der Filmtitel „Die Wahl der Waffen“ ist eine Aufforderung an das geistige Europa, zusammen die bisherigen Mittel der Auseinandersetzung zu überdenken und zu einer neuen Radikalität zu finden. Der Pariser Kongress von 1935 „Zur Verteidigung der Kultur“ und die „Kafka-Konferenz“ von 1963 könnten wichtige Impulse geben. Philosophen und Publizisten, Musiker und Wissenschaftler, Theatermenschen und Filmemacher, bildende Künstler und Dichter, Greenpeace-Aktivisten, Internet- und SMS-Multiplikatoren – alle, die eine eingreifende Praxis zugunsten eines demokratischen und republikanischen Ungarns miteinander verbindet, sollten in einem europäischen Netzwerk von neuer medialer Qualität agieren und Ungarn auf zeitgemäße Weise befreien.

Klaus Pierwoß
Karin Beier, Matthias Brandt, Roberto Ciulli, Manfred Eichel, Pavel Fieber, Detlev Glanert, Matthias Hartmann, Christoph Hein, Rudolf Hickel, Jürgen Hofmann, Maria Husmann, Elfriede Jelinek, Hedda Kage, Ulrich Khuon, Burghart Klaußner, Joachim Klement, Benjamin Korn, Laszlo Kornitzer, Barrie Kosky, Asteris Koutoulas, Johann Kresnik, Helmut Lachenmann, Susanne Linke, Joachim Lux, Gerhard Mohr, Harald Müller, Barbara Mundel, Thomas Ostermeier, Armin Petras, Frank Raddatz, Helmut Schäfer, Jürgen Schitthelm, Friedrich Schorlemmer, Edgar Selge, Frank-P. Steckel, Thomas Thieme, Dominique Valentin, Antje Vollmer, Franziska Walser, Hans-Eckardt Wenzel, Ursula Werner, Jossi Wieler, Klaus Zehelein

http://www.theaterderzeit.de/files/TdZ_Stiftet_Aufruhr.pdf

17 Kommentare zu “Deutsche und österreichische Intellektuelle fordern: „Stiftet Aufruhr!“

  1. Wusste gar nicht, dass Schorlemmer sich zu den Theatralischen rettete, nachdem ihn Augstein als Intellektuellen geschasst hat, wie übrigens auch Schorlemmers Mitstreiter, den ungarischen PR-Experten für Desinformation im Operationsgebiet.
    Jetzt setzen sie auf Ruhr. Und lassen ihren Schleim nach Ungarn ab.

    Frohe Auferstehung!

  2. Der Musiker Péter Gerendás verläßt Ungarn weil es sich in Richtung Faschismus bewegt.
    2013.03.31. 15:30 ATV

    „A hazánkban tapasztalható fasizálódás” miatt emigrál Gerendás Péter
    A zenész a Facebookon tett közzé egy hosszú nyílt levelet.

    • Nee Pfeifer, Gerendás hatte mal ’nen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken aufgenommen, weil er für seine große Familie ’nen Auto braucht und so ein großes Auto, in dem Frau und sechs Kinder Platz finden, einfach ’ne Menge Geld kostet. Und Fremdwährungskredite in Schweizer Franken, die in Ungarn unter den Sozialisten jeder Spinner, der meinte, über seine Verhältnisse leben zu müssen, bekommen hat, kosten noch mal extra. Das sind einfach Tatsachen.
      Jetzt mache ich mal eine ganz einfache Rechnung auf. Ich versetze mich dazu in einen Österreicher, der in Osteuropa auf Win-Win-Strategien setzt, weil er Geld hat und keine Kinder und weiß, da im Osten laufen sozialistisch angehauchte Spinner herum, die zwar viele Kinder haben, doch kein GeldIch biete diesem ungarischen sozialistisch wählenden Spinner 25 000 Euro an, 25000 Euro und einem effektiven Jahreszins von 16 % bei ’ner Laufzeit von 5 Jahren. Das versteht sich als faires Angebot. Wenn jemand bei Tesco ’nen Rasenmäher auf Pump kaufen will, kann der effektive Jahreszins auch schon mal um die 50 % gelegen haben, unter den Sozialisten im Schlaraffenland Ungarn, wo man auf Pump sogar auf Zypern Urlaub machen konnte. Wirklich.
      Also 25000 Euro mit ’ner Darlehenslaufzeit von 5 Jahren bringen dem wackeren Österreicher 27.508,54 Euro Rendite.
      Ist doch echt ein Grund, aus Ungarn auszuwandern! Das Auto muss ja irgendwie abgezahlt werden.

      Und dazu kommt noch das Bildungsdefizit der ungarischen Sozialisten.
      Jeder ungarischer Sozialist hat schon im Vorschulalter die Dimitroffsche Faschismusdefinition von der Erzsi néni im Kindergarten eingebläut bekommen. Faschismus ist als das Produkt der Machenschaften einer Gruppe von Finanzkapitalisten zu verstehen.

      Ich will ja nicht behaupten, dass die lieben Sozialisten heute alles durcheinanderbringen: Orbán mit der Komintern und den Beschluss des XIII. Plenums des Exekutivkommitees von 1933 mit Gazprom und Telekom. Nein. Aber soviel hat sich in ihrem Stamm-, Klein- oder Resthirn nun doch festgesetzt: Faschismus an der Macht, das ist die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. Also Orbán. Logo.

      Und deshalb ist es auch gut, dass sie auswandern. Mit jedem sozialistischem Kulturschaffenden, der Ungarn verlässt, steigt der Durchschnitts-IQ der ungarischen Gesamtbevölkerung um …
      Nach rechnen Sie mal, Pfeifer, Sie haben doch vier Klassen Gymnasium in Ungarn besucht. Zinseszinsrechnung kann doch für einen Achtklässler kein Problem sein.
      Rechnen Sie das mal aus: Wenn Gerendás mit seinen sechs Kindern aus Ungarn weggeht, was Ungarn über die Generationen, die nach ihm und seinen Kindern kommen, dann alles erspart bleibt.
      Und wenn Sie, lieber Pfeifer, als Achtklässler bei der Zinseszinsrechnung sich gerade in Ihrem Gedankenbaum verklettert hatten, um mit Gott zu hadern, dann lesen Sie einfach mal in Schuld der Väter noch an der dritten und vierten Generation zu strafen (2Mo 20,5; 34,6-7; 4Mo 14,18; 5Mo 5,9) und in Gal 6,7 nach, wo es heißt:

      „Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten“.

      Noch ’ne Frage?

      Wo man meine Publikationen lesen kann? Lesen Sie doch einfach mal das epochale Werk aus dem Corvina Verlag Budapest: „99 Hendl-Rezepte“. Ich habe es 1984 ins Deutsche übersetzt. Damals hatte ich die Wahl, János Kádárs Gesammelte oder die 99 Hühnerrezepte. Ich hatte mich damals entschieden, ein Mensch zu bleiben. Fragen Sie mal Gyula Kurucz, den Vorgänger von Dalos in Berlin. Ich meine den Kurucz, der auslotete, ob ich Karriere machen will. Der Kurucz, den die HVA nicht zu Böll, sondern zu Max Frisch schickte, damals …
      Aber das wissen Sie ja alles viel besser als ich, Pfeifer. Sie kennen ja Lendvai und die ganze Bagage von der ungarischen … im Operetionsgebiet.

      Frage beantwortet?

    • Der Musikerkollege György Bolyki (Bolyki Brothers) hat auf den Brief von Gerendás eine lesenswerte Antwort geschrieben:
      http://belfold.ma.hu/tart/cikk/a/0/168016/1/belfold/Peter_Nekem_jobb_otletem_van

      Letzte Woche war ich in Ungarn. Es war erschreckend zu sehen, wie viele Menschen auch im Bekanntenkreis das Land verlassen. Es gab dabei keinen einzigen Fall, wo bei der Entscheidung für die Auswanderung nicht ein Fremdwährungskredit in Schweizer Franken im Spiel gewesen wäre.

  3. „Mit jedem sozialistischem Kulturschaffenden, der Ungarn verlässt, steigt der Durchschnitts-IQ der ungarischen Gesamtbevölkerung um …“

    Das Statement hat für mich die Qualität einer Hassrede.

  4. Mit dem Begriff „Faschisierung“ kann ich wenig anfangen. Außerdem sind die Verfasser des Aufrufs ziemlich schief gewickelt, wenn sie glauben, die Verhältnisse in Ungarn ließen sich durch eine Medienkampagne von außen verändern. Die Diskussion um den Logo-Beitrag hat gezeigt, dass solche Anlässe nur dazu genutzt werden, die eigenen Reihen fester zu schließen. Je mehr „Feuer“ aus Wien oder anderswoher kommt, desto leichter fällt es der Regierung Orbán ihre Politik zu Hause unter dem Motto „Verteidigung unserer Heimat“ zu verkaufen. Die Opposition in Ungarn lässt sich dann noch ungenierter als „fremdherzig“ verunglimpfen. Dieser Aufruf könnte also schnell zu noch mehr Polarisierung und zur weiteren Verlängerung innerungarischer politischer Kämpfe in die europäische Arena führen, ohne dass am Ende ein Mehrwert erzielt oder eine Veränderung angestoßen wird.

    • Werter Ungarnfreund,

      „Mit dem Begriff „Faschisierung“ kann ich wenig anfangen.“

      Da geht es uns, was selten genug der Fall ist, ganz gleich. Ich glaube allerdings, eine Idee zu haben, wozu das Wort gut ist: Es soll die Reihen links der Mitte schließen. Sprechen Sie dort von Faschismus oder – spitzfindig – von „Faschisierung“, löst das bei Ihren Adressaten sofort den Pawlow’schen Reflex aus. Wenn man so will, ist das ein „Code“, den jeder versteht. Ab diesem Moment hält man sich nicht mehr mit Details auf. Denn wer gegen das absolut Böse zu kämpfen meint, nutzt kein Florett. Sondern eine Höllenmaschine. Und das Böse ist der so bezeichnete Faschist, derjenige, der die „liberale Demokratie“ bekämpft, die freilich die Ankläger selbst definieren.

      „Außerdem sind die Verfasser des Aufrufs ziemlich schief gewickelt, wenn sie glauben, die Verhältnisse in Ungarn ließen sich durch eine Medienkampagne von außen verändern.“

      Klare, richtige Worte, Ungarnfreund, die ich mir von Ihnen öfter in diese Richtung erhoffen würde. Sehen Sie, es ist eine menschliche Eigenschaft, die schon Macchiavelli thematisierte. Übersteigert man Kritik gegen eine Regierung, behandelt man sie gar unfair, löst das Abwehrreaktionen aus. Sogar bei Leuten, die diese Regierung gar nicht wählen. Wenn man so will: So ein blödoider Aufruf hilft nur Fidesz und, was schlimm ist, sogar Jobbik. Und ich habe die Ahnung, dass solche Aufrufe maßgeblich auf die Initiative inländischer Intellektuellenkreise zurückgehen. Was meinen Sie?

      „Die Diskussion um den Logo-Beitrag hat gezeigt, dass solche Anlässe nur dazu genutzt werden, die eigenen Reihen fester zu schließen.“

      Wundert Sie das?

      „Je mehr „Feuer“ aus Wien oder anderswoher kommt, desto leichter fällt es der Regierung Orbán ihre Politik zu Hause unter dem Motto „Verteidigung unserer Heimat“ zu verkaufen.“

      Das sehe ich auch so. Darum wäre es – aus Sicht übrigens gerade der Kritiker Orbáns – an der Zeit, sich zu mäßigen, den Tonfall und die Kritik auf ein sachliches Maß zurück zu führen. Man könnte sagen: Verbale Abrüstung, der Klügere macht den ersten Schritt. Man braucht z.B. nicht behaupten, das Verfassungsgericht dürfe fortan keine Gesetze mehr prüfen. Weil es falsch ist. Oder man bräuchte die Ungarn nicht als verkappte Kellernazis darstellen, die aus Dummheit und fehlender demokratischer Reife einen Führer gewählt haben (Michael Frank eine Woche nach der Wahl 2010)… sondern die Verantwortung der Linken klar herausstellen. Man könnte, kurz gesagt, versuchen, das Land und die Menschen besser zu verstehen.

      Stattdessen igeln sich die Orbán-Kritiker ebenso ideologisch ein, wie es Fidesz tut. Was vollkommen klar ist, denn die Informationen kommen ja nicht selten aus Fidesz-kritischen Kreisen, und die sind ebenso weltanschaulich durchtränkt. Hören Sie Klubrádió oder sehen Sie ATV, Sie werden ebenso viel Intoleranz finden wie rechts der Mitte.

      Wie Herr Ozsváth mit seinem vielsagenden Kommentar hier im Blog heute bewies, handeln die Orbán-Kritiker in der vollkommen unerschütterlichen Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen. Unfehlbarkeitsdenken produziert aber Fehler und einen Tunnelblick. Warum soll ein überzeugter Kritiker der Regierung fair gegenüber jemandem sein, von dem er glaubt, er sei ein Feind der Ideale, für die er eintritt? Ist doch vollkommen naiv, wenn sich gerade Journalisten als neutrale Richter aufspielen :-). Insbesondere dann, wenn sie Beiträge verfassen, in denen sie eine demokratisch gewählte Regierung als „Räuberbande“ bezeichnen. Sie erinnern sich?

      Wie kann das sein? Beleidigende Propaganda, finanziert durch den deutschen Gebührenzahler

      Was ich sage: Ob die Fidesz-nahen Journalisten in Ungarn oder die Fidesz-Kritiker im Ausland, alle glauben, sie allein hätten Recht und kämpften für das Gute. Und wo der Zweck die Mittel heiligt, da nimmt man keine Rücksicht mehr, nimmt Fehler in Kauf, duldet gar, dass in dem ach so gerechten Kampf die ungarische Gesellschaft immer weiter gespalten wird. Kollateralschaden. Denn für dieses Ergebnis fühlt man sich dann ebenfalls „nicht zuständig“. Man hat ja nur berichtet…

      „Dieser Aufruf könnte also schnell zu noch mehr Polarisierung und zur weiteren Verlängerung innerungarischer politischer Kämpfe in die europäische Arena führen, ohne dass am Ende ein Mehrwert erzielt oder eine Veränderung angestoßen wird.“

      Genau so ist es. Dieses Problem sehe ich nicht nur bei Aufrufen dieser Art, sondern auch bei vielen Zeitungsartikeln und Medienberichten. Sie dienen nur als Steilvorlage.

      Danke für Ihren Kommentar.

  5. Nun, da lehnen sich aber einige abgehalfterte Möchtegernpolitiker und alternde „Künstler“ ziemlich weit aus dem Fenster.:stiftet Aufruhr?
    Was ist denn das für ein kodierter Slogan??
    Kampf?
    …ja ich glaub davon wird geträumt, dass irgendwer mal die Nerven verliert:
    Nur sitzen unsere intelektuellen „Kämpfer“ mal schön ausserhalb des Schussfeldes.
    *Fünfzig deutsche und österreichische Intellektuelle*

    *neuer medialer Qualität agieren und Ungarn auf zeitgemäße Weise befreien.*
    „Befreien“? Ungarn befreien? Wenn ich mich gut erinnere, hat sich Ungarn immer selber von wem auch immer befreit,

    PS:Warum wird eigentlich immer das Intelektuelle so betont? Hat man Angst, dass daran einer zweifeln könnte? (was bei dem „Kommuniqué” , wohl eher nicht verwunderlich wäre.)

  6. Nur noch ein Jahr und es kommt wieder die Wahl in Ungarn.
    Dann werden die Wähler sich SELBST entscheiden, ob die eine andere Regierung wählen wollen, oder nicht. Wenn es in Ungarn wirklich so schlimm geht, werden die Wähler bestimmt eine andere Regierung wählen!

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