Die kommende Woche verspricht, spannend zu werden. Der amtierende turnusmäßige EU-Ratspräsident Viktor Orbán, seit Wochen im Kreuzfeuer der Kritik, wird im EU-Parlament zu den Plänen der ungarischen Ratspräsidentschaft befragt. Man muss kein Augur sein, um schon jetzt vermuten zu können, dass ein beachtlicher Teil der Debatte nicht die EU-Politik Ungarns im engeren Sinne (Donau-Strategie, Energie, Romafragen), sondern vielmehr die ungarische Innenpolitik betreffen wird. Die Stichworte: Mediengesetz und Krisensteuer. Oder: Ist Ungarn (noch) europäisch?
Hauptdarsteller neben Orbán wird – so die FAZ – der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz, sein. Die FAZ stellt uns den streitbaren EU-Parlamentarier vor, der sich vor Jahren bereits mit Berlusconi anlegte, für ein starkes EU-Parlament eintriftt und jüngst von einem Briten als „Faschist“ beschimpft wurde. All das versprich ein interessantes Duell. Orbán einerseits, der trotz der mitunter als selbstgefällig empfundenen Art, mit der er im Inland auftrit, sicher den Staatsmann geben möchte, versus Martin Schulz, der Klartext liebt. Und sich als Fraktionschef gerne für die Mitglieder seiner Fraktion einsetzt, gerade diejenigen aus Ungarn. Somit dürfte Schulz peinlich genau darauf achten, die katastrophale Regierungsbilanz der „Parteifreunde“ in Ungarn nicht Thema werden zu lassen.
Zwei Passagen aus dem FAZ-Beitrag sind es wert, genauer betrachtet zu werden:
„Er wollte erst einmal das Gesetz gründlich lesen. „Das Schlimmste was uns passieren kann, ist, dass wir eine Behauptung über den Inhalt aufstellen, dem in Ungarn dann Verfassungsrechtler oder Medienvertreter widersprechen“, sagt er ganz offen. Schließlich müsse er an die ungarische Delegation in seiner Fraktion denken, die zu Hause nicht als verantwortungslos dastehen dürfe.“
Ein guter Ansatz, weiss der Jurist. Nur dürfte dieser Zug bereits abgefahren sein. Als kurz nach Verabschiedung des Gesetzes im Dezember 2010 die Meldung aufkam, „unausgewogene Berichterstattung“ werde künftig mit bis zu EUR 720.000 bestraft (die SZ bezeichnete dies als Hauptkritikpunkt), waren es die Sozialisten, Liberalen und Grünen, die diesen Ball dankbar aufnahmen und in die Welt trugen. Seit Veröffentlichung der Endfassung des Gesetzes steht freilich fest, dass es sich hierbei um eine glatte Falschmeldung handelte: Die Agenturen, die „sonst zuverlässig sind“ (so ein öffentlich-rechtlicher Sender gegenüber Hungarian Voice), hätten falsch berichtet. Aber was macht das schon, es handelt sich ja nur um einen Punkt unter vielen. Und so lange das Gesamtbild passt, wer wird sich da schon in Details verlieren?
Interessant auch folgender Absatz:
„Dass all das leicht den Geruch von Parteipolitik annehmen kann, gefällt Schulz nicht: „Wir müssen aus dem Rechts-Links-Denken hinauskommen, wir würden bei einer sozialistischen Regierung doch nicht anders handeln.“
Meint Herr Schulz das wirklich ernst? Wir erinnern uns an das slowakische Sprachengesetz, das es Minderheiten in der Slowakei unter Strafandrohung bis zu EUR 5.000 untersagte, im öffentlichen Bereich ihre Sprache zu verwenden. Verfasser: Die zwischenzeitlich abgewählte sozialistisch-nationalistische Regierung Fico/Slota. Obwohl der Gebrauch der eigenen Sprache Grundrecht ist und es mehr als fraglich ist, einen ungarischstämmigen Slowaken zu verbieten, mit seinem ungarischen Arzt im Krankenhaus ungarisch zu sprechen, war von Seiten des Herrn Schulz damals nichts zu hören. Es sind also Zweifel angebracht, ob es sich wirklich um eine nur sachbezogene Initiative handelt.
Neben den Sozialdemokraten bringen sich auch die Liberalen seit Tagen in Position; gestern fand eine Befragung der Medienkommissarin und zweier oppositionsnaher Intellektueller im EU-Parlament statt. All das belegt, dass die Kritiker willens sind, Orbán zu attackieren. Lediglich die Vorbereitungshandlungen der Grünen sind eher lautlos: Aber Dani Cohn-Bendit, wohl der begnadetste Redner des gesamten EU-Parlaments, ist selbst übernächtigt, kurz nach dem Aufstehen und ohne Spickzettel für jede Menge treffsicherer Rhetorik und giftige Kommentare gut.
Orbán wird sich also besser gut auf die Befragung vorbereiten. Es könnte ungemütlich werden, das EU-Parlament ist schließlich nicht Budapest. Eine Politik der nationalen Einheit gibt es dort nicht, nur eine europäische. Und Orbán wird gut daran tun, sich Mühe zu geben, die europäische Öffentlichkeit über die Kompatibilität beider Ansätze zu beantworten.