Während die zum Teil berechtigt in der Presse geäußerte Kritik am ungarischen Mediengesetz auf die Gefahr der Zensur, der Selbstzensur und die Thematik eines einseitig besetzten Medienrates fokussiert, wird bislang nur wenig über die Frage diskutiert, ob die von der Regierung vorgetragenen Gesetzesziele (u.a. Jugendschutz, Bekämpfung von Rassismus und Gewalt in den Medien) berechtigter Weise vorgetragen werden oder nicht. Mehrfach wurde geäußert, der Begriff der Menschenwürde sei zu wenig greifbar.
Wenigen Kritikern dürften die diesbezüglich fragwürdigen Inhalte des ungarischen Fernsehens bekannt sein. Der Journalist Karl Pfeifer wies – auch an dieser Stelle – mehrfach zu Recht darauf hin, dass z.B. im Fernsehsender EchoTV, der als regierungsnah gilt, oft genug antisemitische Töne verbreitet werden und der als als Freund von Ministerpräsident Orbán geltende Publizist Zsolt Bayer nicht nur einmal inakzeptable Töne in seinen Artikeln angeschlagen hat (Hungarian Voice berichtete); auch hier kam es zuletzt Anfang Januar 2011 zu antisemitischen Ausfällen, die in einer zivilisierten Welt nichts zu suchen haben. Die Regierung wird im Hinblick auf die fehlende Distanzierung von Bayer nachweisen müssen, dass gegen diesen Wildwuchs endlich nachhaltig vorgegangen wird.
Das soeben Gesagte lässt berechtigte Fragen dazu aufkommen, ob die Motive der Regierung tatsächlich der Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus dienen oder vielmehr darauf ausgerichtet sind, eine regierungskritische Berichterstatung zu beeinträchtigen. Letztendlich muss, nach Beseitigung mit EU-Recht nicht zu vereinbarender Paragraphen (die EU-Kommission hat bereits konkrete Beanstandungen vorgetragen) wohl die Gesetzesanwendung in diesem Bereich zeigen, ob die Medienbehörde das durchsetzen wird (will), was von der Regierung als primäres Ziel nach außen kommuniziert wird.
Bei der Debatte um die Fragen „Jugendschutz und Menschenwürde“ darf jedoch nicht an den Inhalten des ungarischen Fernsehens hinweg gegangen werden. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. In den Nachmittags-Talkshows der Privatsender, die einen Marktanteil von über 80% haben, kam es in den vergangenen Jahren leider zu oft zu Gewaltexzessen, die weder geeignet sind, das Bild der dort auftretenden Menschen in der Gesellschaft zu verbessern, noch dem Jugendschutz und der Menschenwürde entsprechen. Ich denke, die nachfolgend wiedergegebenen Sequenzen geben Szenen wieder, die hierzulande kaum denkbar sind; obgleich das Niveau der Talkshows auch in Deutschland zu wünschen übrig lässt. Da wird der „Gegner“ nicht nur wüst und unflätigst beschimpft, sondern auch zu oft körperliche Gewalt geübt. Wenige Leser dürften diese Zustände aus eigener Wahrnehmung kennen.
Beispiele:
http://www.youtube.com/watch?v=v6so-Sz4W1A
http://www.youtube.com/watch?v=A1FWBUeIWTQ
http://www.youtube.com/watch?v=_edLT8NjMsY
http://www.youtube.com/watch?v=sPZFX8mmgTs&playnext=1&list=PLED38FA36DFDE6681&index=13
http://www.youtube.com/watch?v=fX9YwcP-o6Y&feature=related
Man könnte noch unzähliche weitere Beispiele einstellen.
Sollte es das tatsächliche Ziel des Gesetzes sein, derartige Auswüchse zu verhindern, so wäre dieses Motiv wohl zu begrüßen. Der Umstand, dass das Fernsehen noch dazu regelmäßig Menschen aus der Volksgruppe der Roma in publikumswirksame „Hahnenkämpfe“ verwickelt, scheint – jedenfalls aus meiner Sicht – kaum etwas zum positiven Bild dieser Minderheit beizutragen. Wer den Zusehern fortwährend das Bild des „prügelnden Zigeuners“ zeigt, ist zu einem gewaltigen Teil mitverantwortlich dafür, dass sich derartige Klischees in den Köpfen der Menschen halten.
Eine differenzierte Betrachtung des Mediengesetzes wäre unter diesem Gesichtspunkt zielführend. „Menschenwürde“ ist tatsächlich ein schwer greifbarer Begriff, sie wird aber leider häufig im Interesse der Quote mit Füßen getreten.